Zur Rolle expliziter Grammatikvermittlung im universitären DaF-Unterricht:

Eine qualitativ-ethnographische Fallstudie

 

 

Torsten Schlak, Bochum

 

 

Auf Basis ethnographischer Daten wird der Frage nachgegangen, ob Grammatik im Wirtschaftsdeutschunterricht an einer nordamerikanischen Universität explizit vermittelt werden sollte. Der Unterricht in zwei Deutschkursen wurde mehrere Monate beobachtet, die Kursteilnehmer und -veranstalter interviewt und relevante Dokumente ausgewertet. Es wird gezeigt, wie forschungsinteressierte Lehrende adressatenspezifische Unterrichtskonzepte empirisch fundieren können.

 

1. Einleitung

Der folgende Beitrag berichtet über eine empirische Studie, die der Autor während eines Forschungsaufenthalts an der Universität von Hawai’i durchgeführt hat. Es wird der Frage nachgegangen, ob Grammatik im Wirtschaftsdeutschunterricht an der Universität von Hawai’i explizit vermittelt werden sollte. Der verwendete forschungsmethodologische Ansatz lässt sich als zielgruppenorientierte Methodik-Forschung bezeichnen, ist qualitativ-ethnographisch orientiert und eignet sich insbesondere für praxisorientierte Lehrerforschung/Handlungsforschung. Nach einer Skizzierung des Forschungsansatzes und des Untersuchungskontextes der vorliegenden Studie wird der Stand der Forschung zur Rolle expliziter Grammatikvermittlung im Fremdsprachenunterricht zusammenfassend dargestellt und in einem zweiten Schritt auf die erhobenen Kontextdaten mit dem Ziel der Entwicklung empirisch begründeter methodischer Handlungsalternativen für den Unterricht an der Universität von Hawai’i bezogen und bewertet.

 

2. Zielgruppenorientierte Methodik-Forschung

Seit einigen Jahren hat sich in der deutschsprachigen Sprachlehrforschung/ Fremdsprachendidaktik die Position durchgesetzt, dass es die eine, für jeden Lerner und jede Zielgruppe gleichermaßen geeignete Unterrichtsmethode nicht geben kann (vgl. z.B. Henrici 1994, Rösler 1994, Krumm 1995, Edmonson & House 2000). Vielmehr sollen Unterrichtsmethoden (und Lehrmaterialien) auf konkrete Zielgruppen hin angepasst werden. Diese Position wird in besonders deutlicher Weise vom „Beirat Deutsch als Fremdsprache des Goethe-Instituts” (1998) vertreten, der in seinen „24 vermittlungsmethodischen Thesen” mehrfach die Wichtigkeit einer Zielgruppenorientierung der Unterrichtsmethodik betont.

Aus der Perspektive einer empirisch arbeitenden Sprachlehrforschung/ Fremdsprachendidaktik stellt sich jedoch die Frage, mit welchen forschungsmethodologischen Verfahren sich adressatenspezifische Unterrichtsmethodik für konkrete Zielgruppen erarbeiten lässt. Mein Ansatz einer zielgruppenorientierten Methodik-Forschung (vgl. ausführlich Schlak 2000) lässt sich als ethnographisch charakterisieren. Es wird versucht, den aktuellen Forschungsstand zu einem methodischen Problembereich mit Blick auf den spezifischen Lernkontext einer konkreten Zielgruppe (empirisch) zu bewerten und daraus Empfehlungen für die Unterrichtspraxis mit dieser Zielgruppe abzuleiten. Zielgruppenorientierte Methodikforschung greift auf Überlegungen aus dem amerikanischen Raum zu einem qualitativ-ethnographischen Ansatz im Bereich Applied Linguistics (vgl. insbesondere Davis 1995 und Davis & Henze 1995) zurück, wodurch eine holistische, in die Tiefe gehende Beschreibung und Analyse von “Lernkulturen” möglich wird. Auf der Basis einer extensiven, ethnographisch orientierten Beschreibung des ausgewählten Zielkontextes und einer Zusammenfassung des aktuellen Fachwissens zu einem methodischen Problembereich können somit Handlungsempfehlungen für den Unterricht mit der jeweiligen Zielgruppe hinsichtlich dieser Aspekte gegeben werden.

2.1. Forschungsablauf, Forschungsteilnehmer/-kontext, Untersuchungsmethoden

Der insgesamt 11 Monate (August 1996 bis einschließlich Juni 1997) umfassende Studien- und Forschungsaufenthalt auf Hawai’i lässt sich in zwei Phasen unterteilen. Das „fall semester” (August bis einschließlich Dezember 1996) diente – wie in ethnographischen Studien erforderlich – dazu, Zugang zum Forschungsfeld zu erlangen, das Forschungsfeld und seine wichtigsten Akteure kennen zu lernen, Vertrauen mit den Forschungsteilnehmern aufzubauen und eine Pilotstudie durchzuführen. Die Hauptstudie fiel auf das „spring semester“ 1997 (Januar bis einschließlich Mai 1997).

Beobachtet wurden ein Wirtschaftsdeutschkurs und eine allgemeinsprachliche Deutschklasse am Department of European Languages an der University of Hawai’i. Die teilnehmenden Studierenden sowie die Veranstalter dieser Kurse wurden interviewt und darüber hinaus relevante Dokumente (Curricula, Lehrmaterialien usw.) erfasst und ausgewertet. Die Datenerhebung, -aufbereitung und -analyse wurden primär auf Grundlage von Glesne & Peshkin (1992) durchgeführt. Der Untersuchungskontext, die Forschungsteilnehmer und das forschungsmethodische Vorgehen sollen im Folgenden ausführlicher dargestellt werden.

2.1.1 Untersuchungskontext und Forschungsteilnehmer

Für die Studie wurden zwei Klassen über ein Semester beobachtet und interviewt. Zum einen der Wirtschaftsdeutschkurs „Ger 204: Business German” und die auf diesen Kurs direkt vorbereitende Veranstaltung „Ger 201: Intermediate German”. Die Studierenden in Ger 201 hatten im Regelfall einen einjährigen allgemeinsprachlichen Deutschkurs mit vier Wochenstunden absolviert, die Teilnehmer in Ger 204 ein weiteres Semester mit drei Wochenstunden. Mit dem Wirtschaftsdeutschkurs Ger 204 oder alternativ dem allgemeinsprachlichen Kurs Ger 202 schließt man das „language requirement” ab.

In Ger 201 gab es 9 Lernende, in Ger 204 14, wobei die meisten Studierenden kaum älter als 20 Jahre waren, einige ältere knapp unter dreißig. Weiterhin fiel auf, dass die eindeutige Mehrheit der Studierenden europäischer Abstammung war, während die Gesamtpopulation der Universität asiatisch-pazifisch geprägt ist. Deutsch als Hauptfach studierten nur zwei Lernende in Ger 204, in Ger 201 beabsichtigte niemand, als „major” Deutsch zu wählen. Ausnahmslos wurde Englisch als L1 gesprochen, die meisten Studierenden hatten nur geringe Fremdsprachenlernerfahrungen.

Die beiden Kurse liefen dreistündig, jeweils montags, mittwochs und freitags eine fünfzigminütige Unterrichtseinheit, in Ger 201 traf man sich von 8 Uhr 30 bis 9 Uhr 20, Ger 204 fand von 11 Uhr 30 bis 12 Uhr 20 statt. Der Unterrichtsraum von Ger 201 war geräumig und hell, nur zu ca. 20% besetzt und mit beweglichen Stuhlbänken ausgestattet, die zumeist in Reihen arrangiert waren. Die Studierenden verteilten sich über den Raum, und man nahm zumeist eine dem Frontalunterricht entsprechende Position ein. Als Medien wurden das Lehrbuch „Weiter! Grammatik” (Salaün 1994) und die Tafel genutzt. Salaün (1994: iii) beschreibt das Konzept von Weiter! Grammatik wie folgt:

Weiter! Grammatik is designed to be a stand-alone intermediate German grammar review text ... . It consists of twelve chapters, and every chapter includes the following sections:

1.      A culture segment (Kulturelles) in the form of a letter written by a German exchange student dealing with the chapter topic.

2.      Vocabulary lists (Wortschatz) and vocabulary exercises (Wir sind dran!)

3.      Three or four grammar sections, each of which reviews a grammar point and introduces new information related to it (Erweiterung). Exercises are interspersed throughout the grammar explanations so that students can review and practise simultaneously.

4.      End-of-chapter exercises and activities (Interaktionen und Situationen) that combine material presented in the chapter.

 

Entsprechend der Konzeption des Lehrbuchs stand die Grammatikarbeit und hier insbesondere die Wiederholung des Grammatikstoffes aus dem ersten Studienjahr im Zentrum des Unterrichts, für andere Lernziele und Aktivitäten blieb nur wenig Zeit.

Ger 204 fand in einem etwas düsteren und muffigen Raum statt, der in seiner Größe gerade für die Teilnehmer ausreichte. Die beweglichen Stuhlbänke waren hufeisenförmig aufgestellt, neben der Tafel wurde vor allem ein Videorecorder zur Vorführung des Videolehrfilms Eine Reklamation (Krause & Kurowski 1990) regelmäßig genutzt. Inhaltlich geht es in diesem Video um einen „zu Komplikationen führende[n] Geschäftsabschluss zwischen einem französischen Winzer und einem deutschen Weinhändler” (Krause & Kurowski 1990: A), der auf einem authentischen Geschäftsfall beruht. Das Video und das begleitende Arbeitsbuch sind in sieben Sequenzen bzw. Abschnitte aufgeteilt. Das methodische Konzept ist gekennzeichnet durch:

 

·       Vorbereitende Übungen vor Ansicht der einzelnen Videosequenzen

·       Aufgaben zum globalen und selektiven Hör-Seh-Verstehen der jeweiligen Sequenz

·       Erweiternde Übungen, in deren Zentrum Sprechfertigkeit und Wortschatzarbeit stehen

·       Übungen zu Routineformeln, die im Verhandlungsgespräch, in der Bürokommunikation üblich sind

·       Wiederholungsübungen, die vorwiegend der Festigung wichtiger Lexik und Strukturen dienen.

(Krause & Kurowski 1990: A)

 

Betriebswirtschaftliche Inhalte sind in die einzelnen Aufgaben integriert (ebd.: A), das Material lässt sich flexibel an verschiedene Lernerniveaus und -bedürfnisse anpassen (ebd.: B). Das methodische Potential des Arbeitsbuches wurde in Ger 204 jedoch nicht vollständig ausgeschöpft, der Lehrende konzentrierte sich primär auf die Wortschatzarbeit. Weiterhin wurde eine aus verschiedenen Wirtschaftsdeutschlehrwerken zusammengestellte Materialiensammlung eingesetzt, die als eine Art Lehrbuch diente. Das Material ist kontrastiv (Deutsch-Englisch) angelegt, enthält berufsbezogene Dialog- und teilweise authentische Lesetexte und arbeitet mit

·       Übungen zum Leseverstehen,

·       Übungen zur berufsbezogenen Lexik,

·       Übungen zu Routineformeln und weiteren pragmalinguistischen Aspekten des beruflichen Alltags,

·       Schreibaufgaben,

·       Übersetzungsübungen und

·       ganz vereinzelt einigen Grammatikübungen.

 

Themen wie „Geschäftskorrespondenz”, „Kommunikationsmittel”, „Die Europäische Union” und „Sozialleistungen” werden angesprochen, berufspraktisches Inhaltswissen betreffende Fragen finden sich auch gelegentlich.

Unterrichtet wurden die beiden Kurse von erfahrenen männlichen Lehrenden auf der Rangstufe eines „full professors” , die schon seit Jahrzehnten an der deutschen Abteilung tätig waren. Beide sind promovierte germanistische Literaturwissenschaftler mit Muttersprache Deutsch, die ihr Doktorat in Deutschland bzw. den USA erworben haben. Sie erlaubten nicht nur die Beobachtung ihres Unterrichts, sondern standen auch für Interviews zur Verfügung. Zudem waren drei „teaching assistants” (TAs), die insbesondere im ersten Unterrichtsjahr als Lehrkräfte eingesetzt werden, an der Studie als Interviewpartner beteiligt. Alle drei waren zum Zeitpunkt der Datenerhebung Masterstudierende im Fach Deutsch. Sie sprechen Deutsch als Fremdsprache und haben über ihr literaturwissenschaftliches Studium hinaus ein deutliches Interesse an didaktisch/methodischen Fragestellungen. Kontakte gab es zudem zu weiteren Lernenden und Lehrenden, TAs und administrativ tätigen Personen.

2.1.2 Datenerhebung

Zur Datenerhebung wurde eine Kombination aus teilnehmender Beobachtung, qualitativen Interviews und Dokumentenanalyse eingesetzt.

2.1.2.1 Teilnehmende Beobachtung

Teilnehmende und nicht-teilnehmende Beobachtungen werden von Glesne & Peshkin (1992: 40f.) nicht dichotomisch, sondern als Endpunkte eines Kontinuums aufgefaßt. Je nach Forschungskontext, Erkenntnisinteresse, Fragestellung und in Abhängigkeit von ständig variierenden situationsspezifischen Faktoren ist zu entscheiden, inwieweit man sich in die Rolle eines Teilnehmers begibt oder eher von außen beobachtet. Während es sich z.B. in bestimmten Phasen eines beobachteten Unterrichts anbietet, aktiv zu partizipieren, nicht nur um Rapport zu ermöglichen und zu vertiefen, sondern insbesondere, um das Handeln der Forschungsteilnehmer besser aus deren Perspektiven verstehen zu können, wird es in anderen Situationen notwendig sein, eher die Beobachterperspektive zu betonen.

Das Beobachtete wird gewöhnlich in Form von „field notes” festgehalten (Glesne & Peshkin 1992: 45ff.). Nicht in jeder Situation ist es möglich, sinnvoll oder sozial angemessen, detaillierte Notizen anzufertigen. Oft muss es ausreichen, einige Worte niederzuschreiben oder sich beobachtetes Verhalten einfach nur mental zu merken, um es dann später auszuformulieren. Grundsätzlich lassen sich „beschreibende Notizen” (descriptive notes) von „analytischen Notizen” (analytic notes) unterscheiden (ebd.: 47ff). Während erstere einer möglichst bewertungsfreien und genauen Beschreibung dienen, wird über „analytische Notizen” interpretiert, reflektiert und spekuliert. „Analytische Notizen” sollen zudem zur Planung des weiteren Vorgehens, zu einer emotionalen Auseinandersetzung mit dem Beobachteten und zur Sammlung von Ideen eingesetzt werden (ebd.: 49f.).

Meine teilnehmende Beobachtung fand zwar primär in den oben kurz beschriebenen Deutschkursen statt, war aber keineswegs auf sie beschränkt. Vor allem in der Anfangsphase der Studie versuchte ich meinen Kontext über teilnehmende Beobachtungen in verschiedenen Bereichen zu erkunden. Ich hielt mich in den Gängen und Räumlichkeiten der Abteilung für europäische Sprachen auf, machte mich mit dem Campus vertraut, unterhielt mich mit den Studierenden, beobachtete, wer mit wem kommunizierte, wer welche Funktion einnahm, war bei vielen Gesprächen der Studierenden und Lehrenden untereinander und miteinander dabei, entdeckte wichtige Treffpunkte, wie z.B. die Cafeteria Hale Manoa im Fall der Studierenden oder bei den Lehrenden den Computerraum der deutschen Abteilung, wo fast immer Professoren und TAs zu finden waren. Ich hatte grundsätzlich Karteikärtchen dabei, um interessante Beobachtungen sofort festhalten zu können. Der Grad an Teilnahme schwankte dabei, zeitweise war ich voll in das Geschehnis involviert, gelegentlich aber auch nur reiner Beobachter. In den beiden Deutschkursen war ich ein eher marginaler, unauffälliger Teilnehmer. Auf Wunsch der Professoren habe ich mich vereinzelt an Partnerarbeitsaufgaben beteiligt und gelegentlich eine Frage über Deutschland oder die deutsche Sprache beantwortet. Ich saß mitten unter den Studierenden und war visuell voll in den Unterricht integriert.

Trotz meiner Teilnahme am Unterrichtsgeschehen blieben genug Freiräume und Zeit, um zu beobachten und „field notes” zu sammeln. Dabei bin ich folgendermaßen vorgegangen: In den ersten Tagen des Semesters habe ich frei beobachtet und noch keine „field notes” angefertigt, die Lehrenden und Lernenden sollten sich zuerst an meine Anwesenheit gewöhnen und ich wollte mich zuerst ungestört umsehen. Dann begann ich „field notes” über alles, was mir am Unterrichtsgeschehen und den beteiligten Personen auffiel, zu sammeln; im Laufe der Zeit konzentrierte ich mich zunehmend auf die entwickelten Fragestellungen und beobachtete im Sinne einer Handlungsvalidierung subjektiver Theorien, ob die in den Interviews geäußerten subjektiven Theorien sich im unterrichtlichen Vorgehen der Lehrenden widerspiegelten.

Deskriptive Notizen wurden zunehmend durch analytische ergänzt. Als „field log” fand eine 200-seitige DIN A4-Kladde Verwendung. Die einzelnen Unterrichtseinheiten wurden mit Datum und Kursnummer versehen; neben geschriebenen „field notes” habe ich auch einige Skizzen angefertigt. Besonders interessante Bemerkungen wurden versucht im Wortlaut festzuhalten, obwohl dies oft nicht möglich war. Gegen Ende des Semesters wurde der Unterricht für jeweils zwölf Sitzungen zusätzlich auf Tonband aufgezeichnet, insbesondere um den Unterrichtsablauf und damit bestimmte inhaltliche und methodische Schwerpunkte des Unterrichts ermitteln zu können, um die Häufigkeiten bestimmter unterrichtlicher Teilbereiche und Vorgehensweisen, die verwendeten Medien und weiteren Lehrmaterialien zu erfassen. Für die Fragestellungen der Arbeit direkt relevante Sequenzen des Unterrichts wurden detailliert transkribiert.

2.1.2.2 Interviews

Das verwendete Interviewverfahren basiert auf der Darstellung qualitativer Interviews in Glesne & Peshkin (1992: 63ff.). Es lässt sich charakterisieren

·       als strukturiert: bestimmte Fragen sind geplant und werden im Normalfall gestellt, es existiert ein Leitfaden.

·       als offen: man lässt sich vom Interviewprozess leiten, greift interessante Aspekte auf, ändert Reihenfolge und Inhalt der Fragen, falls dies dem Verlauf des Interviews entspricht, bzw. durch ihn bedingt wird.

·       als „depth-probing”: interessante Aspekte des Interviews werden intensiv und zielgerichtet weiterverfolgt, möglichst detaillierte Informationen elizitiert.

 

Die Forschungsteilnehmer wurden nicht nur in formalen Interviewsituationen befragt, sondern auch immer dann, wenn sich eine geeignete Situation dafür ergab. Die Anfangsphasen der Interviews dienten der Ermittlung von Hintergrundinformationen und dem Aufbauen von Vertrauen und Rapport. Umstrittene Themen wurden nicht zu Beginn der Interviews angesprochen, sondern erst sobald sich eine gewisse Vertrauensbasis zwischen Forscher und Forschungsteilnehmer entwickelt hatte. Bei der zeitlichen und örtlichen Durchführung der Interviews habe ich mich ganz nach den Forschungsteilnehmern gerichtet, und so fanden die Interviews zu unterschiedlichsten Tageszeiten an verschiedensten Lokalitäten des Campus statt, beispielsweise in einer Cafeteria, auf einer Wiese, im Büro eines Lehrenden oder auf einer Parkbank. Zumeist handelte es sich um ruhige und angenehme Umgebungen, die einen geeigneten Rahmen für die Durchführung eines qualitativen Interviews darstellten. Die Zeit vor und nach dem eigentlichen Interview, aber auch Phasen während der einzelnen Interviewsitzung habe ich dazu genutzt, mich mit meinen Gesprächspartnern über unterschiedlichste Themen, die größtenteils in keiner Beziehung zum Forschungsgegenstand standen, zu unterhalten, wodurch die Gesprächsatmosphäre deutlich positiv beEinflusst und das Vertrauen zwischen den Forschungsteilnehmern und dem Forscher vertieft werden konnte. Die Interviews wurden mit Hilfe eines Aufnahmegerätes auf Kassette aufgezeichnet und später transkribiert, alle Teilnehmer gaben ihr Einverständnis dazu. Die Teilnehmer wurden darüber aufgeklärt, dass sie das Interview jederzeit beenden konnten, auf unangenehme Fragen nicht zu antworten brauchten und Anonymität gewährt wird.

Insgesamt konnten 25 Studierende, 14 aus dem Wirtschaftsdeutschkurs Ger 204, 9 aus dem allgemeinsprachlichen Kurs Ger 201 interviewt werden. Die Interviews sollten einen Einblick in die Lerngewohnheiten, die Lernvorlieben, die subjektiven Theorien der Lernenden liefern. Dabei wurde zuerst sehr offen, über methodische Vorlieben im Allgemeinen, später dann immer spezifischer mit Blick auf die Grammatikarbeit gefragt. Die Interviews sollten eine weitere Perspektive auf den Unterricht liefern, so wie er von den Lernenden gesehen wird. Dadurch, dass ich von den Lernenden Informationen über das unterrichtliche Vorgehen von Lehrkräften, an deren Unterricht ich persönlich nicht teilnehmen konnte, im Allgemeinen und hinsichtlich der Rolle der Grammatik im Spezifischen erfragte, konnte ich zugleich meine eigenen Unterrichtsbeobachtungen ergänzen.

Die Lehrerinterviews mit insgesamt fünf Dozenten wurden stärker individualisiert durchgeführt als die zuvor beschriebenen Lernerinterviews. Sie unterschieden sich hinsichtlich der Anzahl und der thematischen Schwerpunkte der gestellten Fragen und auch bezüglich der verwendeten Sprache voneinander. Die wichtigsten Funktionen der Lehrerinterviews lassen sich wie folgt zusammenfassen. Sie sollten

·       für methodische Entscheidungen relevantes Kontextwissen ermitteln.

·       das unterrichtliche Vorgehen aus der Perspektive der Lehrenden beschreiben, Informationen über den curricularen Rahmen und die verwendeten Lehrmaterialien und Prüfungen in Erfahrung bringen.

·       die subjektiven Theorien der Lehrenden bezüglich des methodischen Vorgehens im Deutschunterricht unter besonderer Berücksichtigung der Grammatikarbeit ermitteln und kommunikativ validieren.

2.1.2.3 Dokumente

Das Aufspüren und Analysieren von so genannten Dokumenten ist ein charakteristischer Bestandteil des forschungsmethodischen Vorgehens in ethnographischen Studien (vgl. z.B. Ellis 1994: 568). Während man in archäologischer Forschung gezwungen ist (vgl. Glesne & Peshkin 1992: 52), seinen Forschungskontext allein über die Auswertung von Dokumenten zu rekonstruieren, stellen sie in der Ethnographie nur eine Datenquelle von vielen dar. Eine Dokumentenanalyse erfüllt laut Glesne & Peshkin (1992: 52) folgende Funktionen im Forschungsprozess:

Documents corroborate your observations and interviews and thus make your findings more trustworthy. Beyond corroboration, they may raise questions about your hunches and thereby shape new directions for observations and interviews. They also provide you with historical, demographic and sometimes personal information that is unavailable from other sources.

 

Welche Art von Dokumenten jeweils von Bedeutung sind, hängt vom konkreten Forschungsvorhaben und den verfolgten Erkenntnisinteressen ab. Glesne & Peshkin (1992: 52f.) bezeichnen „[d]iaries, letters, memoranda, graffiti, notes, memorials on tombstones, membership lists, newsletters, and newspapers” als potentiell nützliche Dokumente; Ellis (1994: 568) nennt für unterrichtsbezogene Forschung exemplarisch „teachers’ handouts and student’s homework”. Für diese Studie wurden verschiedene Dokumente erfasst und ausgewertet. Im Einzelnen waren dies:

·       Lehrmaterialien, Prüfungen, Seminarpläne (Syllabus), der von mir besuchten und von weiteren Deutschkursen und von Didaktikseminaren für die TAs an der Universität,

·       (Korrigierte) Hausaufgaben aus meinen Kursen,

·       Curricula des Staates Hawai’i für den Fremdsprachenunterricht (Schwerpunkt DaF) an Universität und „high school”, Reformvorschläge für den Fremdsprachenunterricht auf Ebene der Staaten und der Bundesregierung, von den Lehrerverbänden,

·       Informationen über die Universität, wie z.B. Einschreibestatistiken der Fremdsprachenfächer, der Universitätskatalog, Newsletter, Flyers,

·       Informationsmaterialien des Faches Deutsch, der Abteilung für Europäische Sprachen und weiterer relevanter Einrichtungen der Universität,

·       Ergebnisse eines umfassenden und jährlich wiederholten Surveys zur Lernmotivation, -zufriedenheit und -vorlieben der Fremdsprachenstudierenden im „language requirement” an der Universität Hawai’i.

2.1.3 Datenanalyse

Das ethnographisch orientierte Datenanalyseverfahren dieser Studie ist gekennzeichnet durch ein induktiv-integratives Vorgehen, d.h. die verschiedenen Datensätze wurden nicht strikt getrennt voneinander analysiert und dann miteinander verglichen, sondern eher als gemeinsames Ganzes angegangen und dementsprechend analysiert. Der Datenanalyseprozess lief dabei auf Grundlage der Überlegungen von Glesne & Peshkin (1992: 127ff.) in Ansätzen schon parallel zur Datenerhebung und begann nicht erst nach Abschluss der Datenerhebung. Neue Fragen konnten durch dieses Verfahren aufgeworfen, entstehende Hypothesen im ethnographischen Sinne ansatzweise überprüft und neue Sichtweisen wahrgenommen werden. Die Daten – Interviewsequenzen, „field notes”, Unterrichtsausschnitte, Dokumente usw. – wurden schrittweise vergleichend ausgewertet, dann weitere Daten erhoben und in die Analyse miteinbezogen.

Der Analyseprozess besteht vor allem aus einem Auswählen, Sortieren, Kodieren und Kategorisieren der verschiedenen Daten, aus einem Aufspüren von Zusammenhängen zwischen den (kategorisierten) Daten und aus ihrer Interpretation. Glesne & Peshkin (1992: 127) beschreiben das auch in dieser Arbeit praktizierte Verfahren folgendermaßen:

Data analysis involves organizing what you have seen, heard, and read so that you can make sense of what you have learned. Working with the data, you create explanations, pose hypotheses, develop theories, and link your stories to other stories. To do so, you must categorize, synthesize, search for patterns, and interpret the data you have collected.

 

Das folgende Zitat verdeutlicht den integrativen Charakter ethnographischer Datenanalyse am Beispiel der Kodierung der erhobenen Daten:

Coding is a progressive process of sorting and defining and defining and sorting those scraps of collected data (i.e., observation notes, interview transcripts, memos, documents, and notes from relevant literature) that are applicable to your research purpose. By putting like-minded pieces together into data clumps, we create an organizational framework. It is progressive in that we first develop, out of the data, major code clumps by which to sort the data. Then we code the contents of each major code clump, thereby breaking down the major code into numerous subcodes. Eventually, we can place the various data clumbs in a meaningful sequence that contributes to the chapters or sections of our manuscript. (Glesne & Peshkin 1992: 133)

 

Auf eine vergleichbare Art und Weise wurde auch hier vorgegangen. Als ein Gerüst für die Kodierung und Klassifizierung dienten jedoch die einzelnen Fragestellungen dieser Studie. Die Daten wurden zuerst danach kodiert, für welche Frage sie primär relevant erschienen, Subkategorien und auch übergreifende, verschiedene Fragestellungen tangierende Kategorien im weiteren Verlauf des Analyseprozesses entwickelt.

2.1.4 Weitere Prinzipien des forschungsmethodischen Vorgehens

Das Forschungsvorhaben ist durch eine Triangulation hinsichtlich der verwendeten Datenquellen (Lehrende, Lernende, Dokumente), Datenerhebungs- und ‑aufbereitungstechniken (teilnehmende Beobachtung, qualitative Interviews, Dokumentenanalyse) gekennzeichnet. Folgende, hier stichpunktartig angeführte Prinzipien und Annahmen qualitativ-ethnographischer Forschung wurden (vgl. insbesondere Davis 1995, Davis & Henze 1995 und Glesne & Peshkin 1992) u.a. berücksichtigt:

·       Realität ist konstruiert, es existieren mehrfache Realitäten. Kategorien und “frameworks” werden aus den erhobenen Daten entwickelt, jedoch ist jede Forschung bis zu einem gewissen Grad theoretisch motiviert. Die Subjektivität, die informellen, subjektiven Theorien des Forschenden und ihm/ihr vertraute wissenschaftliche Theorien beeinflussen den Forschungsprozess in all seinen Phasen

·       Grundsätzlich übernehmen Lehrende und Lernende in ethnographischer Forschung eine wesentlich aktivere Rolle als in den psychometrischen Varianten der L2 classroom research und werden daher auch als Forschungsteilnehmer statt als Probanden oder Versuchspersonen bezeichnet. Ethnographisch arbeitende Wissenschaftler hingegen definieren sich eher als Lernende denn als Forscher und Experten (vgl. Glesne & Peshkin 1992: 35f.) und profitieren von dem reichen Kontextwissen ihrer Forschungsteilnehmer. Die Betonung der Lernerrolle erfüllt laut Glesne & Peshkin (1992: 36) wichtige Funktionen im Forschungsprozess: Die Forschungsteilnehmer können offener und befreiter über sich, ihre Erfahrungen und Einstellungen berichten, sie werden von dem Druck befreit, mit einem ihnen vielleicht fachlich und intellektuell überlegenen Experten kommunizieren zu müssen (ebd.: 36). Zudem wird man selbst aus der Lernerperspektive eher bereit sein, über den gesamten Forschungsprozeß und die ermittelten Ergebnisse kritisch zu reflektieren (ebd.: 36).

·       Der freie Zugang zu den Datenquellen ist keine Selbstverständlichkeit und muss nicht nur im Vorfeld der Forschung mit den so genannten gatekeepers und weiteren relevanten Personen – wie den potentiellen Forschungsteilnehmern – ausgehandelt werden, sondern bedarf unablässiger, während des gesamten Forschungsprozesses fortgesetzter Bemühungen (vgl. Glesne & Peshkin 1992: 33ff., Davis 1995: 442f. und Duff & Early 1996: 25). Mit (Teil-)ablehnungen und negativen Reaktionen muss trotz größter Vorsicht immer gerechnet werden (vgl. Glesne & Peshkin 1992: 35). Es überrascht daher auch nicht, dass Rounds (1996: 58) Fremdsprachenforschern empfiehlt, ein Selbstverständnis des potentially unwelcome, unimportant, or unnecessary visitors to another society zu entwickeln. Der Zugang kann dadurch erleichtert werden, dass man Unterstützung von aus dem Zielkontext stammenden Vertrauenspersonen erhält (vgl. Glesne & Peshkin 1992: 34). Um Vertrauen und damit Zugang zu den Forschungsteilnehmern zu entwickeln und zugleich die Qualität der erhobenen Daten zu verbessern, empfehlen Glesne & Peshkin (1992: 34): [G]aining access to people within a site is best achieved by first logging time. Just being around, participating in activities, and talking informally with people gives them time to get used to you and learn that you are okay. This approach leads to better data than one in which a superior requests a subordinate to cooperate with you.

·       In ethnographischer Forschung wird versucht zu erreichen, dass die gewonnenen Interpretationen und Ergebnisse aus der Perspektive der untersuchten Personen glaubwürdig sind. Dies ist wichtig, da man von multiplen Möglichkeiten der Realitätswahrnehmung ausgeht (Davis & Henze 1995: 97f.). In quantitativer Forschung versucht man, der Wahrheit nahe zu kommen, indem man mögliche Einflussfaktoren kontrolliert oder randomisiert (Davis 1992: 605). In qualitativ-ethnographischen Ansätzen hingegen betont man die Wichtigkeit dieser Kontextfaktoren für die Realitätswahrnehmung und den Forschungsprozess (vgl. Nunan 1992: 69). Man versucht daher eine Innenperspektive im Forschungsprozess einzunehmen, d.h. emisch vorzugehen, was über the ethnographic procedures of prolonged engagement, persistent observation, and triangulation (Davis & Henze 1995: 98, vgl. auch Glesne & Peshkin 1992: 146f.), die für ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit maßgeblich sind, erleichtert werden soll. Die Glaubwürdigkeit einer Studie kann laut Glesne & Peshkin (1992: 146f.) zudem gestärkt werden, indem der Forschende sich mit seiner Subjektivität hinsichtlich des Forschungsgegenstandes und seiner Interpretationen auseinandersetzt, weitere Forscher und Forschungsteilnehmer in den Forschungsprozess miteinbezieht und die problematischen Aspekte seines methodischen Vorgehens und seiner Studie insgesamt offen legt.

·       Qualitativ-ethnographische Forschung ist longitudinal (Nunan 1992: 56), Ethnographen leben und engagieren sich über einen ausgedehnten Zeitraum – ein Semester wird von Watson-Gegeo (1988: 583) als Maßstab angegeben – in ihrem Forschungskontext. Nur so können die Zielkultur vertieft kennengelernt, Vertrauen mit den Forschungsteilnehmern aufgebaut, mögliche Fehlinformationen enttarnt (Davis 1992: 605f.) und die Glaubwürdigkeit der Studie erhöht werden. Vor blitzkrieg ethnography (Watson-Gegeo 1988: 576) wird gewarnt.

·       Ethnographische Forschung verfolgt gewöhnlich einen zyklischen Prozess der Hypothesenbildung und Überprüfung über Methodentriangulation (Davis 1995: 444, Davis/Henze 1995: 98). Auf diese Weise wird versucht, die Zuverlässigkeit der gewonnenen Ergebnisse zu überprüfen. Dementsprechend sollte eine während der Datenerhebung gewonnene Hypothese möglichst an weiteren Daten solange überprüft werden until redundancy is achieved, i.e., the researcher has sufficient repetition of communication patterns to feel a degree of confidence in the salience of these patterns for members of the community (Davis & Henze 1995: 98f).

·       Ergebnisse ethnographisch-qualitativer Studien sind auf „ähnliche Fälle transferierbar und nicht auf alle Fälle unabhängig von den Kontextvariablen generalisierbar. Je ähnlicher sich zwei Kontexte sind, desto eher können in dem einen Kontext ermittelte Ergebnisse auf den anderen transferiert werden (vgl. Davis 1992: 606).

Abschließend noch eine wichtige Anmerkung zum Verhältnis von Forschungsstand und konkreten Kontextdaten: Bei der Zusammenführung von Forschungsstand und aktuellen Kontextdaten wird man mit einigen Schwierigkeiten und Problemen konfrontiert. Zum einen ist der jeweilige Forschungsstand in vielen verschiedenen Untersuchungskontexten entstanden, die mehr oder weniger vergleichbar mit dem jeweils später untersuchten Kontext sind. Daher ist es etwas inkonsequent, im Prinzip nur Transferierbarkeit auf ähnliche Kontexte zuzulassen, zugleich aber einen Forschungsstand aus verschiedenen Kontexten in die Studie mit aufzunehmen. Auch stellt sich die Frage, welche Aspekte des Forschungsstands relevant sind und wie wichtig der Forschungsstand im Verhältnis zum konkreten Zielkontext ist; ein hohes Maß an Subjektivität fließt hier ein. Es ist notwendig, sich dieser Beschränkungen bewusst zu werden. Eine Konsequenz hieraus ist, dass zielgruppenorientierte Methodikforschung nicht mit eindeutigen Handlungsempfehlungen, sondern verschiedenen Handlungsalternativen, die mit Forschungsstand und Zielkontext vereinbar sind, arbeitet.

 

3. Zum Forschungsstand „Explizite Grammatikvermittlung im Fremdsprachenunterricht

Ein Großteil der didaktischen Fachliteratur im deutschsprachigen Raum setzt sich mit der unterrichtsmethodischen Vermittlung grammatischer Phänomene auseinander. Doch bevor man Überlegungen darüber anstellt, welche methodischen Vorgehensweisen sich für die Grammatikarbeit im Fremdsprachenunterricht am ehesten eignen, sollte man zuerst hinterfragen, ob explizites Unterrichten von Grammatik für den Spracherwerb überhaupt in irgendeiner Form förderlich ist.

Aus der Perspektive der Zweitsprachenerwerbsforschung ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung von explizitem und implizitem Wissen von Bedeutung (zur Diskussion der Begriffe vgl. Schlak 1999 und verschiedene Beiträge in Börner & Vogel 2002). Man geht weithin davon aus, dass in der Sprachverwendung in erster Linie implizites Wissen Anwendung findet[1] (de Graaff 1997: 249), während explizites Wissen eine deutlich untergeordnete Rolle spielt. Regelerklärungen und ähnliche Formen der Grammatikvermittlung führen zum Aufbau expliziter Wissensbestände und sind daher in der Sprachverwendung nur dann von entscheidendem Nutzen, wenn sie sich in implizite Wissensbestände umwandeln lassen. An der Frage, inwieweit dies möglich ist, hat sich eine heftige und langwierige Debatte entfacht. In Anlehnung an Ellis (1994: 709, 716) kann man zwei Grundpositionen gegeneinander abgrenzen: Anhänger der „non-interface”-Position halten explizite und implizite Wissenbestände für strikt getrennt voneinander und betrachten Grammatikvermittlung folglich als ein dem Spracherwerb wenig förderliches Übel. Die „interface”-Position charakterisiert Ellis so, dass „each knowledge type ‚leaks’, so that explicit knowledge can become implicit and vice-versa” (Ellis 1994: 709). Vertreter der „interface”-Position gehen dementsprechend davon aus, dass über Grammatikvermittlung eine verbesserte Sprachverwendung erreicht werden kann.

Es erscheint sinnvoll, einen detaillierteren Blick auf die gegenwärtige Forschungslage zu diesem Bereich zu werfen. Aufgrund des Umfangs der existierenden Forschung kann hier jedoch nicht der Versuch unternommen werden, sie in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Vielmehr ist eine Beschränkung auf einige wesentliche Aspekte der Diskussion unvermeidlich.

Begonnen werden soll mit einer Darstellung der insbesondere von Krashen vertretenen „non-interface”-Position. Krashen geht davon aus, dass „erlerntes”[2], explizites Wissen (z.B. im unterrichtlichen Kontext auswendig gelernte Grammatikregeln) nicht zu „erworbenem”, implizitem Wissen (in der Sprachproduktion bzw. -rezeption unbewusst eingesetztes Regelwissen) werden kann. Der Aufbau expliziter Wissensbestände und damit das explizite Unterrichten von Grammatik wird als sehr eingeschränkt nützlich erachtet, da dieses Wissen insbesondere in der mündlichen Sprachverwendung nicht zugänglich bzw. auf die Verwendung sehr einfacher Regularitäten beschränkt sei.

Daran schließt sich eine Diskussion spracherwerbstheoretischer Überlegungen und empirischer Studien an, die eher im Einklang mit der „interface”-Position stehen und deren Vertreter eine Umwandlung von explizitem Wissen in implizites Wissen für möglich halten, wodurch das Unterrichten expliziter Grammatik eine theoretische Begründung erfährt. Besprochen werden McLaughlins „information processing approach”, Pienemanns „teachability hypothesis” und Richard Schmidts „noticing hypothesis”. Zudem sollen empirische Studien zur Evaluation der zuvor diskutierten theoretischen Ansätze erörtert werden.

3.1 Die „non-interface”-Position

Als klassischer Vertreter der „non-interface”-Position ist zweifelsohne Krashen anzusehen. In zahlreichen Publikationen (vgl. exemplarisch Krashen 1981, 1985 oder 1992) hat Krashen im Laufe der Jahre seine einflussreiche Annahme dargelegt, dass sich explizit „erlerntes” Regelwissen nur explizit-bewusst und unter Inkaufnahme von verlangsamter Sprachproduktion in Form eines Monitors mit Editorfunktion abrufen lässt, jedoch nicht zu automatisch anwendbarem, unbewusst-implizitem Wissen umgewandelt werden kann. Der Einsatz des Monitors ist laut Krashen nur dann möglich, wenn der Lerner sich in der Interaktion auf die sprachliche Form (vs. Bedeutung) konzentriert, die relevante Regel kennt und ausreichend Zeit hat[3], sein erlerntes Wissen abzurufen, wozu in mündlicher Kommunikation offensichtlich wenig Gelegenheit bleibt. Zudem sind laut Krashen (vgl. auch Reber 1989, 1993) nur „leichte” Regeln „lernbar” und damit dem Monitor zugänglich, „schwierige” Regeln sind zu komplex, um bewusst „gelernt” zu werden und müssen daher „erworben” werden.                                                

In Krashens Terminologie heißt das zusammenfassend: „Lernen” und „Erwerben” sind strikt voneinander getrennt und „erlerntes” Wissen kann daher nicht zu „erworbenem” Wissen werden. Wenn „erlerntes” Wissen in der Sprachverwendung nur sehr begrenzt eingesetzt werden kann und sich darüber hinaus auch nicht in nutzbares implizites Wissen umwandeln lässt, verliert „learning” im Sinne von expliziter Grammatikvermittlung weitgehend seine Berechtigung. Die „acquisition-learning hypothesis” hat ebenso wie die von Krashen u.a. zu ihrer Überprüfung durchgeführten empirischen Untersuchungen heftige Kritik hervorgerufen (vgl. z.B. McLaughlin 1978, Gregg 1984)[4]. Als ein zentrales Problem der Position Krashens sieht McLaughlin (1987: 20ff.), dass keine genaue Definition der „acquisition-learning”-Unterscheidung gegeben wird und sie in Krashens empirischen Studien auf fragwürdige Weise operationalisiert wird. Gegen die Position Krashens sprechen zudem auch zahlreiche empirische Studien, die belegen können, dass formfokussierter Unterricht unter bestimmten Bedingungen zu Lernerfolgen führt und oft erfolgreicher ist als rein bedeutungsfokussierte Sprachvermittlung (vgl. zum Überblick Spada 1997, Ellis 1998, DeKeyser 2003 und die statistische Metaanalyse von Norris & Ortega 2000).

3.2 Die Interface-Position

Insbesondere seit den späten 70er-Jahren sind zahlreiche theoretische Überlegungen[5] zu verzeichnen, die gemeinsam haben, dass in ihnen explizites Lernen als relevant für den Spracherwerb angesehen und auf jedoch sehr unterschiedliche Art und Weise ein Interface zwischen explizitem und implizitem Wissen postuliert wird. Grundsätzlich kann man zwischen einer starken Interface-Position, im folgenden wird McLaughlin erörtert, und einer schwachen Interface-Position, besprochen werden Pienemann und Schmidt, differenzieren.

Anhänger der starken Interface-Position gehen davon aus, dass explizites Regelwissen durch Übung automatisiert werden kann und somit den Spracherwerb unterstützt (Ellis 1994: 654). Das Hauptaugenmerk soll hier auf McLaughlins kognitionspsychologischen Informationsverarbeitungsansatz gerichtet werden, den er seit den späten siebziger Jahren verfolgt und weiterentwickelt hat (McLaughlin 1978, 1987, McLaughlin & Heredia 1996). Kennzeichnend für kognitionspsychologische Ansätze (vgl. auch z.B. DeKeyser 1995, 1998, 2001 und Johnson 1996) ist die Auffassung, dass das Lernen von Sprachen sich nicht von sonstigen Lernaufgaben unterscheidet, d.h. man bedient sich der gleichen Prozesse, unabhängig davon, ob man Französisch, Schwimmen oder Klavier spielen lernt. Es wird von „general skill learning” gesprochen (Ellis 1994: 388).

Da davon ausgegangen wird, dass die menschliche Verarbeitungskapazität begrenzt ist (McLaughlin & Heredia 1996: 214), können nur bestimmte Teile einer Lernaufgabe gleichzeitig bearbeitet werden. Um ein so komplexes Lernproblem wie das Lernen einer Zweitsprache zu meistern, müssen die Teilaufgaben, so nimmt man an, schrittweise automatisiert werden. Automatisierte Prozesse beanspruchen keine Verarbeitungskapazitäten, wodurch diese wieder zur Bearbeitung weiterer Teilaufgaben frei werden (McLaughlin & Heredia 1996: 214).

Laut McLaughlin (1987: 134) lassen sich zwei grundlegende Informationsverarbeitungsprozesse unterscheiden, „automatisierte Verarbeitung” und „kontrollierte Verarbeitung”. Richard Schmidt (1992: 360) beschreibt ihre Charakteristika:

The most important properties of automatic processing are generally considered to be that it is (a) fast and efficient, (b) effortless, (c) not limited by short-term memory capacity, (d) not under voluntary control, (e) difficult to modify or inhibit, and (f) unavailable to introspection. Automatic processes typically occur in well-practiced tasks and are held to be responsible for skilled performance and most of the details of cognitive processing. In contrast, controlled processing is (a) slow and inefficient, (b) effortful, (c) limited by capacity of short-term memory, (d) largely under subject control, (e) flexible, and (f) at least partly accessible to introspection. Controlled processing serves such functions as maintaining goals in working memory and applying general procedures to new circumstances, and it typically occurs in novel and inconsistent processing tasks.

 

Es besteht sicher keine genaue Übereinstimmung zwischen den Unterscheidungen kontrolliert/automatisiert und explizit/implizit, die Gemeinsamkeiten sind aber auch nur schwerlich zu übersehen. Für unsere Fragestellung sind vor allem zwei weitere Annahmen McLaughlins (McLaughlin & Heredia 1996: 215) bedeutsam: Lernen beginnt immer mit „kontrollierter Verarbeitung” und über „practising” wird „kontrollierte Verarbeitung” automatisiert, bzw. in McLaughlins Terminologie „routinized”. Die frei werdenden Ressourcen erlauben dann die Durchführung übergeordneter Verarbeitungsprozesse. Im Unterschied zur klassischen Informationsverarbeitungstheorie von Shiffrin & Schneider (1977), auf der McLaughlins Überlegungen fußen, führt „practice” in seiner Konzeption nicht nur zur Automatisierung („routinization”) sondern auch zur Restrukturierung von Wissensbeständen. Mit „Restrukturierung” wird der Übergang von eher Beispiel-basierten zu stärker Regel-basierten Repräsentationen beschrieben (McLaughlin & Heredia 1996: 216).

Wenn Informationsverarbeitung immer zuerst „kontrolliert” sein muss und Automatisierung „practice” voraussetzt, dann sollte dies für den Einsatz von expliziter Grammatikvermittlung und -übung sprechen. Das Vermitteln expliziten Wissens stellt hier keinen Umweg oder sogar eine Sackgasse dar, sondern führt über „practice” zum eigentlichen Ziel, dem Aufbau automatisierten Sprachwissens. Man kann das Produkt des Unterrichtens von Grammatikregeln als „kontrollierte Verarbeitung” betrachten und „practice” mit traditionellen Strukturübungen gleichsetzen. Damit vertritt McLaughlin eine starke Interface-Position.

Zwar weisen einzelne Studien den Erfolg von „practice” nach (vgl. DeKeyser & Sokalski 1996, Allen 2000), problematisch für die starke Interface-Position bleibt aber die gut belegte und unabhängig von unterrichtlichen Einflüssen bestehende Invarianz von Erwerbssequenzen. In verschiedenen Studien wurde untersucht, inwieweit aus der Zweitsprachenerwerbsforschung bekannte „accuracy orders” und Entwicklungssequenzen durch Unterricht verändert werden können. Die einhellige Antwort von Ellis (1994, 2001) und Larsen-Freeman & Long (1991: 304ff., vgl. auch z.B. die sehr ambitionierte Studie von Diehl u.a. 2000 und Boss & Jansen 2003 für Deutsch als Fremdsprache) lautet, dass beide Formen eine hohe Resistenz gegenüber Instruktion aufweisen und sich ihre grundlegende Reihenfolge bzw. ihr Ablauf nicht verändern lässt[6].

Wenn man annimmt, dass sich explizites Wissen grundsätzlich in implizites Wissen umwandeln lässt, müsste es möglich sein, grammatische Phänomene in nahezu jeder beliebigen Reihenfolge erfolgreich zu unterrichten. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall und widerspricht der starken Interface-Position. Vielleicht könnte das in der gegenwärtigen Konzeption noch zu vage angelegte Konstrukt der „Restrukturierung” aber das Potential aufweisen, die Existenz und den Ablauf von Entwicklungssequenzen zu erklären. Dazu wäre zugegebenermaßen eine erhebliche Weiterentwicklung des existierenden Modells notwendig.

3.3 Die schwache Interface-Position – Pienemanns „teachability”-Hypothese

Pienemanns teachability”-Hypothese (vgl. Pienemann 1984, 1989 und zusammenfassend die wesentlich ausführlichere Darstellung in Schlak 2002) lässt sich als schwache Interface-Position charakterisieren. Sie besagt, dass die Lernenden keine Entwicklungsstufe überspringen können und Instruktion auf die jeweils nächste Entwicklungsstufe zielen muss, um einen positiven Effekt zu haben (Pienemann 1998: 250). Der Unterricht muss zeitlich auf die Interimsprache der Lernenden abgestimmt sein (Pienemann 1989: 60). Das unterrichtete Phänomen darf nicht zu weit über dem erreichten Entwicklungsstand der Lernenden liegen, sie müssen – wie Pienemann häufig sagt – psycholinguistisch „bereit” (ready) (vgl. z.B. Pienemann 1989: 61) sein, damit explizite Grammatikvermittlung zu einem Lernzuwachs führen kann. Erfüllt eine Lernende diese Voraussetzung, kann Unterricht gemäß Pienemanns empirischer Studien den Erwerb des jeweiligen Phänomens im Vergleich zum Erwerb in natürlichen Kontexten beschleunigen (Pienemann 1989: 61). Überfordert man Lernende jedoch mit dem Lehren von Sprachphänomenen, die weit über ihrer Entwicklungsstufe liegen, kann dies den Lernprozess negativ beeinflussen. So konnte Pienemann (1989: 72ff.) zeigen, dass Lernende vermutlich aus Frustration über ihre Unfähigkeit, das Unterrichtete anzuwenden, schon zuvor erworbene Entwicklungsstufen in ihrer Sprachproduktion zu vermeiden beginnen.

Die „teachability”-Hypothese basiert auf dem Multidimensionalen Modell der ZISA-Gruppe, die viel zitierte empirische Studien zum Zweitsprachenerwerb von Arbeitsmigranten in Deutschland durchgeführt haben (vgl. z.B. Meisel u.a. 1981, Clahsen u.a. 1983 und zusammenfassend Schlak 2002). Im Zentrum dieser Untersuchungen stand der Erwerb der deutschen Wortstellung, für den Clahsen et al. (1983) eine invariable Entwicklungssequenz feststellen konnten. Entscheidend für unser spezifisches Interesse ist die Zweiteilung des Modells in eine Entwicklungs- und eine Variationsachse. Die Entwicklung entlang der beiden Achsen verläuft unabhängig voneinander (Pienemann u.a. 1988: 222). Sprachliche Phänomene der Variationsachse sind prinzipiell jederzeit lehrbar, Phänomene der Entwicklungsachse hingegen nur, wenn Lernende in ihrer Sprachentwicklung weit genug fortgeschritten sind. Man kann von einem schwachen Interface sprechen, explizites Wissen lässt sich nur unter sehr bestimmten Voraussetzungen in implizites Wissen umwandeln.

Pienemann (1998) hat das „Multidimensionale Modell” mittlerweile erheblich überarbeitet und erweitert und spricht jetzt von „processability theory” (vgl. ausführlicher Schlak 1999, 2002 und Multhaup 2002). Obwohl die „teachability”-Hypothese über eine solide theoretische Basis verfügt und ihre praktische Anwendbarkeit durch die Entwicklung von „acquisition-based procedure(s) for second language assessment” (Pienemann u.a. 1988) erhöht wurde, ist auch sie nicht ohne, insbesondere auf ihre unterrichtliche Umsetzbarkeit bezogene Kritik geblieben (vgl. Schlak 1999 und 2002).

Pienemanns Hypothese ist in verschiedenen empirischen Arbeiten direkt oder indirekt überprüft worden. Empirisch gut belegt ist die Annahme, dass Entwicklungssequenzen sich auch im unterrichtlichen Spracherwerb behaupten und gegen die Progression des Unterrichts durchsetzen (vgl. zum Überblick Ellis 1994: 627ff. und die aktuellen Daten von Diehl u.a. 2000 und Boss & Jansen 2003). Auch die exakten Vorhersagen der „teachability”-Hypothese sind in verschiedenen Studien untersucht worden. Einige Arbeiten unterstützen im Wesentlichen die gemachten Annahmen (Pienemann 1984, 1989, Ellis 1989, Boss 1998), andere Ergebnisse stehen eher im Widerspruch zu bestimmten Vorhersagen der „teachability”-Hypothese (Spada & Lightbown 1999, Tschirner 1999, Klein-Gunnewieck 2000, Meerholz-Härle & Tschirner 2001). Insgesamt ist die empirische Basis noch zu schmal, um die „teachability”-Hypothese an sich und alle mit ihr im Zusammenhang stehenden Details endgültig bewerten zu können. Viel spricht jedoch dafür, dass nicht alles jederzeit lehrbar ist.

3.4 Die schwache Interface-Position – Schmidts „noticing”-Hypothese

Richard Schmidt versucht in seinen einflussreichen theoretischen Arbeiten zur „noticing”- Hypothese (Schmidt 1990, 1993, 1995, 2001) nachzuweisen, dass Lernen ohne einen gewissen Grad an Bewusstheit (consciousness) nicht möglich ist. Dies steht im deutlichen Gegensatz zu den Behauptungen von u.a. Krashen und Reber, unbewusstes Lernen in Form von „acquisition” bzw. implizitem Lernen sei nicht nur möglich, sondern die grundlegende und insbesondere für komplexe Lernaufgaben einzig Erfolg versprechende Lernform. Schmidt (1995: 4ff.) unterscheidet vier alltagssprachliche Bedeutungen des Wortes „consciousness”, die sich auch in der Fachdiskussion wiederfinden[7]: „Consciousness” als „intention”, „attention”, „noticing” und als „understanding”.

Darunter ist die Unterscheidung von „noticing”[8] und „understanding” für ihn von besonderer Bedeutung. Er beschreibt „noticing” und „understanding” wie folgt (ebd.: 29):

I use „noticing” to mean conscious registration of the occurrence of some event, whereas „understanding”, as I am using the term, implies recognition of a general principle, rule or pattern. Noticing refers to surface level phenomena and item learning, while understanding refers to deeper level of abstraction related to (semantic, syntactic, or communicative) meaning, system learning (Slobin, 1985).

 

Dies wird von Schmidt (1995: 30) u.a. am Beispiel der Syntax exemplifiziert:

In syntax, awareness that on some occasions speakers of Spanish omit subject pronouns is a matter of noticing. Being aware of that Spanish is a pro-drop language, which entails numerous syntactic consequences beyond such surface phenomena as the presence or absence of pronouns, is a matter of understanding.

 

„Noticing” ist also eher ein Oberflächenphänomen, ein zum Zeitpunkt des Lernens eintretendes, momentanes Wahrnehmen (awareness) nur knapp oberhalb der Wahrnehmungsgrenze, während „understanding” ein tieferes, regelbasiertes Verständnis impliziert. Auf Basis dieser Unterscheidung formuliert Schmidt seine „noticing”-Hypothese, die besagt, dass „what learners notice in input is what becomes intake for learning” (ebd.: 20). Schmidt (1995, 2001) unterscheidet zwischen einer starken und einer schwachen Version der „noticing”-Hypothese. In der starken Ausprägung wird davon ausgegangen, dass Lernen ohne Aufmerksamkeit nicht möglich ist, in der schwachen Variante, dass mehr Aufmerksamkeit zu mehr Lernen führt.

Die „noticing”-Hypothese stellt m.E. eine schwache Interface-Hypothese dar. Grundsätzlich wird nur „noticing” als unabdingbar für das Entstehen von Lernprozessen betrachtet, während „understanding” zwar auch als wichtig angesehen wird, in bestimmten Bereichen jedoch implizites Lernen nicht ersetzen können soll.

Die „noticing”-Hypothese wurde bisher vor allem von Truscott (1998), Carroll (1999) und Trenkic & Sharwood Smith (2001) kritisiert. Truscotts Kritik setzt u.a. an der kognitionspsychologischen Grundlage der „noticing”-Hypothese an. Hier muss man Truscott (1998: 105ff.) wohl u.a. in dem Punkt zustimmen, dass Begriffe wie „attention” und „awareness” unscharf und in der kognitionspsychologischen Grundlagenliteratur umstritten und noch unzureichend geklärt sind[9]. Für welche Begriffe gilt dies jedoch nicht? Wirklich problematisch für Schmidts Hypothese ist die Kritik Truscotts, dass „noticing” und „understanding” zum einen und „noticing” und „globale Aufmerksamkeit ohne spezifischen Fokus” zum anderen nur unzureichend voneinander abgegrenzt werden (vgl. Truscott 1998: 111 und zur Diskussion auch Schmidt 2001: 24f.). Es stellt sich die Frage, was genau die Lernenden am sprachlichen Input „bemerken” müssen (vgl. auch Trenkic & Sharwood Smith 2001)[10] und was es bedeutet, diese Aspekte wahrzunehmen (vgl. Truscott 1998: 110ff.). Ist globale Aufmerksamkeit auf den Input ausreichend, dann würde sich Schmidt kaum von der Position Krashens und anderer Befürworter unbewusst-impliziten Lernens unterscheiden. Sollten die Lernenden abstrakte Regeln bemerken müssen, wäre dies eher „understanding” als „noticing” (vgl. z.B. Truscott 1998: 113f.). Trenkic & Sharwood Smith (2001) sind der Auffassung, dass die „noticing”/”understanding”-Unterscheidung nicht kategorial ist, sondern ein Kontinuum darstellt, was ihre Operationalisierbarkeit zusätzlich erschwert. Sie stellen die wichtige Frage, „how do you measure noticing?”. Eine Frage, mit der sich die Fachdiskussion zunehmend häufiger auseinandersetzt (vgl. z.B. Hauser 1999, 2002, Leow 1999, Hegelheimer & Chapelle 2000, Robinson 2003), ohne bisher zu wirklich zufrieden stellenden Antworten gekommen zu sein. Auch Schmidt ist sich des Messproblems nur zu gut bewusst und diskutiert in einer neueren Arbeit (Schmidt 2001: 18ff.) verschiedene Arten der Operationalisierung von „noticing” und verwandter Begriffe.

Truscott (1998, vgl. auch Carroll 1999) hält es für notwendig, die „noticing”-Hypothese auf einer kohärenten linguistischen Theorie zu basieren und präzise Vorhersagen zu treffen, welche sprachlichen Aspekte die Lernenden auf welcher Abstraktionsstufe bemerken müssen (vgl. zusammenfassend Truscott 1998: 116). Schmidt (persönliches Gespräch September 1998, vgl. auch Schmidt 2001: 24) akzeptiert diese Forderungen partiell und gesteht ein, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine exakten Prädiktionen möglich sind. Long (Seminar, University of Hawai’i Dezember 1998) andererseits sieht in der Unterscheidung von grammatikalischen „Formen” und „Regeln” ggf. eine Möglichkeit, „noticing” zu charakterisieren. Die Lernenden müssen nur grammatikalische „Formen” „bemerken”, die sich hinter den „Formen” verbergenden „Regeln” brauchen sie nicht wahrzunehmen. Sie sind vermutlich ohnehin zu abstrakt, um „bemerkt” zu werden. Es ist aber fraglich, ob diese Differenzierung Kritiker wie Truscott zufrieden stellen würde. Truscott und Sharwood Smith propagieren derzeit Baars’ (1988, 1997) Aufmerksamkeitsmodell im Rahmen ihrer UGC-Spracherwerbstheorie (Sharwood Smith & Truscott 2001, Sharwood Smith 2002).

In jüngerer Zeit sind Studien entstanden, die sich um eine Prüfung der „noticing”-Hypothese bemühen und die oft Schmidts Position unterstützen (vgl. z.B. Alanen 1995, Robinson 1996, Kupferberg & Olshtain 1996, Leow 1997, 2000, Hauser 1999, 2000, Rosa & O’Neill 1999, Qi & Lapkin 2001), seltener ihr widersprechen (z.B. Schachter u.a. 1996, vgl. jedoch Schmidt 2001: 26, Izumi 2002). Truscott (1998: 116ff.) hingegen sieht in der Forschungsliteratur wenig Unterstützung für die Position Schmidts. Er wertet „focus on form”-Studien aus und kommt zu dem Schluss, dass der Spracherwerb über „focus on form” nicht gefördert wird. Diese Interpretation der „focus on form”-Forschung steht natürlich im völligen Widerspruch zur Bewertung dieser Forschungsrichtung durch z.B. Spada (1997), Doughty & Williams (1998a), Long & Robinson (1998) oder Norris & Ortega (2000). Letztlich sind „focus on form”-Studien nur dann relevant für Schmidts Annahmen, wenn in ihnen eine Messung von „noticing” bei den Lernenden vorgenommen wurde. Dies ist jedoch bisher noch nicht oft genug der Fall. Zudem bleibt das dargelegte Messproblem weitgehend ungelöst.

 

4. Explizite Grammatikvermittlung im Wirtschaftsdeutschunterricht an der University of Hawai’i?

Es wird m.E. deutlich, dass zum gegenwärtigen Forschungsstand eine endgültige Festlegung auf eine der diskutierten theoretischen Alternativen zum Interface-Problem empirisch nicht zu rechtfertigen ist. Pienemanns und Schmidts Hypothesen und die damit verbundenen Ideen der psycholinguistischen Lernbarkeit grammatischer Phänomene und der bedeutenden Rolle der Aufmerksamkeit für den Spracherwerb finden jedoch zumindest erste empirische Unterstützung.

Die in den Studien zur Überprüfung der verschiedenen Positionen verwendete Forschungsmethodologie weist indes nicht selten Schwächen auf und ist derart heterogen, dass zudem vor einer Überbewertung der ermittelten Ergebnisse zu warnen ist. So finden sich z.B. nur selten auf Zufallsstichproben basierende Experimente, der Entwicklungsstand der Lerner vor der Instruktion bleibt oft ebenso unbestimmt wie mögliche Langzeiteffekte von Unterricht und inwieweit Lernende unter den einzelnen experimentellen Bedingungen das unterrichtete Phänomen bewusst, im Sinne von „noticing”, wahrgenommen haben. Besonders schwer wiegt auch, dass man in nur wenigen der frühen Studien der Frage Beachtung geschenkt hat, wie, d.h. mit welcher Methodik, eigentlich unterrichtet wird (vgl. Edmondson & House 2000). Es sei eingestanden, dass Praktikabilitätsgründe oft ganz erheblich gegen eine Durchführung von „wahren” Experimenten, „delayed post tests”, „entwicklungsstandssensitiven” Tests usw. sprechen. Über wahre Experimente würde zudem die externe Validität[11] der Studien weiter verringert.

Für die Zweitsprachenerwerbsforschung eröffnet sich auch zukünftig ein weites Feld für theoretisch und praktisch relevante und interessante Forschung. Lehrende sollten beachten, dass die Faktoren der „Lehrbarkeit” (grammatischer Phänomene) und der „Aufmerksamkeit” (der Lernenden) voraussichtlich einen Einfluss auf das Gelingen des Unterrichts haben werden. Die Entscheidung, ob explizite Grammatik im Wirtschaftsdeutschunterricht an der University of Hawai’i unterrichtet werden sollte, muss dennoch primär auf Grundlage von Kontextfaktoren gefällt werden. Relevant für diese Fragestellung sind zum einen die Lernvorerfahrungen der Studierenden, die sich über einige Semester mit einem hochgradig grammatikfokussierten Unterricht auseinandersetzen haben müssen. Für viele Studierende ist dies die einzige unterrichtliche Fremdsprachenlernerfahrung. Die Bedeutung der Grammatikkomponente verdeutlichen schon allein die im Unterricht eingesetzten Lehrmaterialien: Deutsch Heute, das Lehrwerk für das erste Studienjahr, ist wie vergleichbare nordamerikanische Lehrwerkkonzepte in Progression, Aufbau und Fokus grammatikbezogen organisiert. Jedes Kapitel enthält eine umfassende Grammatiksektion mit zahlreichen Regelerklärungen und Übungen, die am Ende des Kapitels wiederum zusammengefasst werden.

Das in Ger 201 eingesetzte Lehrbuch trägt den bezeichnenden Titel Weiter! Grammatik und entspricht eher einem Grammatikübungsbuch mit integrierter Referenzgrammatik als einem vollständigen Lehrwerkkonzept. Meine Unterrichtsbeobachtungen in Ger 201 bestätigen dieses Bild: Die Grammatik dominiert den Kurs, ein Großteil der Unterrichtszeit wird auf sie verwendet. Ähnliches berichten die Studierenden über ihre Deutschkurse an der University of Hawai’i:

I:     how much grammar was there in the classes? um

S:    ... as a guess it was about [..] 70% grammar [.] in those three classes (Studierende 13)

S:    it was it was a lot of grammar, that was basically the main fo:cus of the classes was the grammar [..] for all 101, 102, 201, 201, 202 ... (Studierender 3)

 

Es ist nicht weiter überraschend, aber deswegen nicht weniger bedeutsam, dass in der Benotung der Studierenden grammatikalische Korrektheit eine wichtige Rolle spielt. In den ungefähr vierzehntägig administrierten Lektionstests wird in erster Linie grammatisches Wissen geprüft. Dies bestätigen Lehrende (Beispiele 1) ebenso wie Studierende (Beispiele 2):

I:     how much of the grade is determined by the grammar? [.] by the grammar knowledge of the students?

L:    uhh, well, it is a major:, oh yes, it is a major part, because if [.] if it is uh [.] even if they have the correct word, but if it is a nonsensical uh sentence, I mean I wouldnt give much points for that [.] so that is major [.] oh yes. (Lehrende 4)

 

I:     how much of the grade is determined by the grammar [.] in the classes?

S:    ...guess most of it, it’s all grammar. (Studierender 1)

 

Die Dominanz der Grammatik ist so stark, dass sich unter den Studierenden und Lehrenden der Begriff Grammatikkurs als Bezeichnung für die allgemeinsprachlichen Kurse eingebürgert hat. Sowohl Lehrende als auch Lernende referierten mit diesem Terminus mehrfach auf die Sprachkurse des ersten und zweiten Studienjahres. Einen deutlicheren Beleg für die Orientierung der sprachpraktischen Ausbildung kann es wohl kaum mehr geben.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Funktion des Wirtschaftsdeutschkurses, der als Alternative zu den grammatikfokussierten allgemeinsprachlichen Kursen offeriert wird. Im Wirtschaftsdeutschen liegt nach Auskunft des Lehrenden der Fokus auf Kommunikation, Lexik und Landeskunde. Fragen zur Grammatik sind erlaubt, stehen aber nicht im Zentrum. Dieser Ansatz wird weitgehend realisiert. Dennoch spielt die Grammatik unter der Oberfläche eine nicht unwesentliche Rolle. Sie ist zum einen relevant in der Benotung der Studierenden, die wöchentlich als Hausaufgabe kleine Essays schreiben müssen. Bei der Bewertung dieser Essays, von denen ich korrigierte Kopien einsehen konnte, wird großer Wert auf grammatische Korrektheit gelegt. Nach der ersten Durchsicht können die Lernenden ihre Essays wieder nach Hause mitnehmen, ihre Fehler korrigieren und dadurch eine bessere Note erreichen. Der Wirtschaftsdeutschlehrende beschreibt sein Korrekturverhalten wie folgt:

I:     Das ist an sich ne gute Frage [...] Erstmal korrigiere ich Grammatikfehler, indem ich nicht die richtige Version hinschreibe, wenn ich Papiere von denen kriege, das musst du schon gesehen haben, die sind voller Kringel [..] und die Kringel sind dort wo ich Grammatikfehler erwische, und dann ist es die Aufgabe in den „rewrites” die Sachen grammatisch auf ein sprachliches Niveau irgendwelcher Art, was akzeptabel ist, ähh hin zu bringen. Wenn es wenn es eine Sprachklasse wäre, würde ich von denen Erklärungen verlangen, Erklärungen [..] nicht nur was das für ein Grammatikfehler ist, den sie gemacht haben, sondern auch ähh warum warum ähh diese diese grammatische Funktion da hin gehört. Aber da es keine Sprachklasse ist [..] im zweiten Durchgang, wenn sie mir ihre „rewrite” geben, ihre Neuschrift, wo sie also versucht haben, die Sache zu verbessern, da [.] schreib ich dann auf meiner Korrektur die richtigen Formen und die richtigen grammatischen ähh Strukturen hin. Bloß ist es so schlimm, dass sie meine Schrift nicht lesen können, aber das ist deren Fehler.

I:     [Lachen] Also Sie versuchen so Selbstkorrekturen zu initiieren?

L:    Richtig! Das versuche, das ist gut gesagt, das hätte ich auch gleich so sagen können, ja. Ich versuche denen zur Selbstkorrektur, und mit der Hoffnung, dass Übung macht den Meister, dass sie selber darauf kommen, nicht wahr, hmm das Falsche zu entdecken. (Lehrender 1)

 

Auch die Lernenden betonen, dass die Benotung der Essays zu einem großen Teil von deren grammatikalischer Angemessenheit abhängt:

I:     to what extent do you think your knowledge of grammar affects or [.] influences the grade in class or how much of the grade is based on [.] on the knowledge of grammar? what do you think?

S:    I think a lot, a lot more than I would like [Lachen] because I think that [.] that [.] since we are not being tested on our on our ability to [.] to talk it’s it’s just rewrite the test, rewrite the answer rewrite this and that and that and so [..] the little mistakes are the ones that will catch up to you eventually, you know.

I:     all right so when you [.] get your papers back and usually: the grade is based on the mistakes you made not on the content so much

S:    exactly, like I get I I usually get „C’s” on all my papers when I turn them back [.] you know

I:     ohh, really

S:    yeah, because I don’t know I don’t know all these rules you know [.] and so there is all these little things that he circles and then there is twenty of them [.] and then there is like these other students that that [.] that can’t really you know they can’t really talk but they get back 85s or 90s [.] just because they know the rules and they spend [.] three hours writing the paper you know (Studierender 10)

S:    yeah, well before and I mean I think now that’s [.] probably [.] mostly what my grade is is being affected by is probably the grammar because:: [.] I mean [.] coming up with the ideas to get across isn’t too much of a problem it’s basically just writing it in German [.] with the right grammar because I mean, that’s: what [.] he marks basically [.] professor [Lehrender 1] is all the grammar mistakes (Studierender 3)

 

In bestimmten Situationen greift der Lehrende darüber hinaus grammatische Schwierigkeiten der Lernenden auf und bearbeitet sie mit der Klasse. Dabei ertappte er sich auf sehr humorvolle Art und Weise mehrfach selber dabei, doch Grammatik zu unterrichten:

I am teaching grammar!? I am not supposed to teach grammar (Lehrender 1; „field note” 10.2.97)

 

Insbesondere während Partnerarbeitsaufgaben kommt es öfter zu Formfokussierungen durch den Lehrenden. Er geht dann durch die Klasse, lauscht den Gesprächen der Lernenden, liest deren schriftliche Notizen und korrigiert grammatische Fehler oder erklärt Grammatikregeln, mit denen die Studierenden Schwierigkeiten haben. Verglichen mit den allgemeinsprachlichen Kursen spielt Grammatik im Wirtschaftsdeutschunterricht an der University of Hawai’i dennoch eine deutlich untergeordnete Rolle.

Die Lernvorerfahrungen der Lernenden stehen aller Voraussicht nach in einem engen Zusammenhang mit ihren subjektiven Theorien über das Fremdsprachenlernen. Daher sollte man annehmen, dass die Studierenden explizite Vermittlung von Grammatik im Fremdsprachenunterricht erwarten und sie für wichtig halten. Dies ist auch der Fall. Die große Mehrheit der Studierenden wünscht sich einen Unterricht, der eine starke Grammatikkomponente enthält:

I:     do you think grammar teaching like explaining the rules like uh practising is that important for learning German?

S:    ohh, that is important, yes it is [.] um you you have to know the rules [.] in order to be [.] to be able to speak the language, or [??] you be making up your own [Lachen] (Studierende 4)

S:    critical it’s it’s absolutely it’s the most important thing [.] really I mean second to vocabulary maybe [.] but vocabulary you can’t use it unless you know how to use the grammar (Studierender 10)

 

Die positive Bewertung der Grammatik wird selbstverständlich nicht von allen Studierenden geteilt:

S:    I’m not a big [.] I’m not a big fan [..] of grammar [Lachen].

I:     you don’t like it too much?

S:    yeah, I like the way [..] I like [.] learning more like we are about [..] the culture and how stuff works more than grammar (Studierender 1)

 

Auch unter den Lehrenden sind die meisten der Auffassung, dass explizite Grammatikvermittlung eine für den Fremdsprachenerwerb förderliche Funktion aufweist:

I:     uh, do you, how important do you think is is grammar teaching for learning [.] German [...] on different levels?

L:    oh, I think, I think grammar is important um. It’s [...] well, because mostly because when we learn a language as children [.] uh we learn it just by a trial-error method and we have several hours and nothing else on our minds [.] but as adults [.] grammar is really the shortcut [..] it’s the way we [.] it’s the way that we as people have [..] have analysed it and broken it down and found patterns that help us like a shortcut. (Lehrender 3)

 

Die Einstellungen der TAs zur Grammatikarbeit werden sicherlich davon beeinflusst, auf Grundlage welcher fremdsprachendidaktischen Konzepte das obligatorische Lehrmethodikseminar für TAs unterrichtet wird. Gegenwärtig ist dieses Seminar dem „proficiency”-Ansatz, der insbesondere auch „linguistische Genauigkeit” (Wildner-Bassett 1993: 284) betont, verpflichtet. Es wird hauptsächlich mit Omaggio (1986) gearbeitet. Dass alle TAs – wie ein Studierender anmerkt – einen vergleichbaren Unterrichtsstil bevorzugen, überrascht daher auch nicht weiter:

 

S:    I think it was about the same. They were TAs, they were all trained, you know, so to teach in the same way (Studierender 15)

 

Die Bewertung der Wichtigkeit von expliziter Grammatikarbeit verändert sich ein wenig, wenn man die Studierenden fragt, ob sie einen Unterschied zwischen allgemeinsprachlichen und Wirtschaftsdeutschkursen hinsichtlich dieser Fragestellung machen. Vermutlich induziert durch die zahlreichen Anmerkungen des Wirtschaftsdeutschlehrenden im Unterricht[12], Grammatik sei von geringer Relevanz im Wirtschaftsdeutschen, folgen einzelne Studierende hier seiner Position und merken an, dass Grammatik im allgemeinsprachlichen Unterricht mehr Beachtung finden sollte als im Wirtschaftsdeutschunterricht:

S:    I think that it’s important, but I think at this level we should all all [.] know the grammar already [.] um I mean we all make [.] I make tons of mistakes on my homework but [..] I think that’s mostly carelessness or [.] I mean most of the time I can figure it out. (Studierende 17)

 

Die meisten Studierenden sind jedoch anderer Auffassung, und viele sehen gerade im Wirtschaftsdeutschen die Notwendigkeit, intensiv an der Grammatik zu arbeiten:

I:     do you think like [.] grammar and vocabulary is uh [.] the importance is different for the Business German than for the regular [.] German class?

S:    probably, probably, I mean yeah because I mean [..] you have to [.] speak very formally, right?

I:     in in [.] Business German? so it would be [.] grammar would be even more important maybe?

S:    yeah, yeah, yeah, definitely [.] definitely [.] to show that you know how to actually speak correct too. (Studierender 12)

S:    well, uhh, I mean I guess in informal German it probably might [.] not be as important as in Business German, because I mean if your speaking to some [..] CEO of a German company you know trying to give him a proposal or something and you speaking slang and [.] you don’t have [Lachen] the right grammar it will probably [.] it it won’t turn out it won’t give you good impression (Studierender 3)

 

Wenn es stimmt, dass Erwachsene, die formale Operationen im Sinne Piagets beherrschen (vgl. z.B. Buggle 1993: 90ff.), in aller Regel kognitive Lernverfahren bevorzugen (Quetz 1995: 452), könnte das Alter und der Bildungsstand der Lernenden auch ein Argument für eine Berücksichtigung expliziter Grammatikvermittlung im Unterricht darstellen.

Auf eine besondere Rolle der Grammatikarbeit im hawaiianischen Kontext, die auch in Gesprächen mit anderen Lehrenden bestätigt wurde, verweist einer der zwei interviewten Professoren und unterstreicht damit ihre Bedeutung für die Studierenden. Grammatikvermittlung im Fremdsprachenunterricht soll das Bewusstsein der Studierenden bezüglich ihrer Muttersprache vergrößern. Die meisten Lernenden sind in ihrer Schullaufbahn nie mit Grammatik konfrontiert worden und verfügen daher über ein äußerst geringes Wissen in diesem Bereich. Die Grammatikarbeit soll daher eine Art „language awareness”-Funktion übernehmen, obgleich man natürlich damit ein sehr verkürztes „language awareness”-Konzept (zum Überblick und zur Kritik an der Gleichsetzung von traditioneller Grammatikvermittlung und „language awareness” vgl. z.B. Luchtenberg 1998 und Wolff 2002) vertritt:

I:     Ähm für ähm für wie wichtig halten sie das das explizite Unterrichten von Grammatik ähh zur produktiven und rezeptiven Beherrschung des Deutschen?

L:    Das ist doch sehr wichtig, vor allem auch deswegen, weil die Leute hier von Grammatik überhaupt keine Ahnung haben. Die:: also Grammatik wird in in der englischen Sprache praktisch gar nicht unterrichtet. Und die Studenten kommen zu uns und und und und können kaum ein Substantiv von einem Verb unterscheiden [..] Ich: mach das jetzt ein bisschen dramatisch, aber es ist es ist schon so.

I:     Das heißt, sie können nicht nur über deutsche Grammatik was lernen, sie können auch über ihre eigene Muttersprache

L:    Ja, wir sagen immer, das ist ein ganz wichtiger Punkt, [.] ähh [.] im Fremdsprachenunterricht, dass man dann auch die eigene Sprache danach besser spricht. (Lehrender 2)

 

Die gegebene Situation lässt sich wie folgt zusammenfassen: Grundsätzlich wird explizite Grammatikvermittlung von Seiten der Studierenden wie auch der Lehrenden aus verschiedenen, teilweise überraschenden Gründen (fehlende Sprachbewusstheit der Studierenden in der L1 Englisch; notwendig, da die Bewertung der Hausaufgaben und Prüfungen auf Basis grammatischer Kompetenz erfolgt) für wichtig empfunden und spielt in den Lehrmaterialien, im Unterricht und bei der Benotung eine entscheidende Rolle. Der Wirtschaftsdeutschunterricht macht hier eine gewisse Ausnahme, ist jedoch auch nicht völlig frei von grammatischen Aspekten, obwohl es der Wahrnehmung und dem Anspruch des Wirtschaftsdeutschlehrenden entspricht, auf Grammatik zu verzichten. Insbesondere die Art der Benotung der Studierenden, deren Alter und akademische Ausbildung eine kognitiv orientierte Unterrichtsmethodik durchaus zweckmäßig erscheinen lassen, erfolgt auch im Wirtschaftdeutschunterricht weiterhin auf Basis grammatikalischer Korrektheit. Zudem wünschen sich viele Studierende gerade im Wirtschaftsdeutschen mehr Grammatikarbeit, vor allem da sie für den Kontext der Wirtschaftskommunikation von einer großen Wichtigkeit sprachlicher Korrektheit ausgehen.

Welche Handlungsalternativen mit Blick auf die Rolle expliziter Grammatikarbeit lassen sich unter diesen Kontextbedingungen vertreten? Sicherlich könnte man im Wirtschaftsdeutschunterricht völlig auf explizite Grammatikvermittlung verzichten und damit versuchen, die drastische Überbetonung der Grammatikarbeit in den allgemeinsprachlichen Kursen auszugleichen. Dies wäre aber nur dann zu rechtfertigen, wenn auch in der Benotung der Studierenden, die übrigens für ihre akademische Laufbahn von großer Bedeutung ist, inhaltliche Aspekte ausschlaggebend wären. Zudem würde ein totaler Verzicht sowohl den Lernerfahrungen, -theorien und -stilen der Studierenden als auch neueren Forschungsergebnissen zum „interface”-Problem widersprechen. Schmidts ebenso wie Pienemanns Arbeiten deuten darauf hin, dass explizite Grammatikarbeit unter bestimmten Lernbedingungen erfolgreich sein kann, vor allem als Möglichkeit, die formbezogene Aufmerksamkeit bzw. die Geschwindigkeit des Spracherwerbs zu erhöhen. Folglich sollte man die explizite Grammatikarbeit vielleicht eher ausgeglichen auf vier Semester verteilt vermitteln oder Grammatik – wenn auch wohl mit einem geringeren Gewicht als in den allgemeinsprachlichen Kursen – zumindest anteilig explizit im Wirtschaftsdeutschunterricht unterrichten. Für ein solches Vorgehen sprechen auch Pienemanns Forschungsergebnisse, die Hinweise darauf liefern, dass Grammatik nicht jederzeit lehrbar ist und es gerade bei Anfängern leicht zu einer Überforderung im Bereich der Grammatik kommen kann.

Aus Platzgründen und aufgrund der fokussierten Fragestellung muss an dieser Stelle unbeantwortet bleiben, mit welchen methodischen Verfahren Grammatik unterrichtet werden könnte. Der interessierte Leser sei aber auf Schlak (2001, 2003) verwiesen, wo dieser Aspekte mit Blick auf die hier vorgestellte Zielgruppe ausführlich erörtert wird.

 

5. Abschließende Bemerkung

Selbstverständlich haben die gewonnenen Ergebnisse in erster Linie eine Relevanz für die untersuchte Zielgruppe und lassen sich nur auf vergleichbare Kontexte transferieren. Sie beanspruchen keine Allgemeingültigkeit. Was aber in fast jedem Unterrichtskontext Verwendung finden könnte, ist das vorgestellte Verfahren einer zielgruppenorientierten Methodikforschung. Wie Henrici (1999: 439) betont, handelt es sich dabei um eine „Praxis-Begleit-Forschung”, die m.E. auch gerade für forschungsinteressierte Lehrende attraktiv sein sollte.

 

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Biographische Angabe

Dr. Torsten Schlak. Studium der Fächer Deutsch als Fremdsprache, Sprachlehrforschung und ESL/Second Language Acquisition in Bielefeld, Bochum und Hawai’i. M.A. (1996); Dr. phil. (1999). 2000-2003 Hochschullehrer für Deutsch als Fremdsprache und Sprachlehrforschung an der Universität Osaka. Seit 2003 Juniorprofessor am Seminar für Sprachlehrforschung der Ruhr-Universität Bochum.



[1] Dies gilt insbesondere für die mündliche Kommunikation, in schriftlichen Kommunikationsformen ist der Zugriff auf explizites Wissen eher möglich (vgl. Tönshoff 1992: 64), da hier längere Sprachplanungszeiten zur Verfügung stehen. Darüber hinaus führt Tönshoff (1992: 64f.) an, dass in bestimmten, formalen und komplexen Kontexten mündlicher Kommunikation auf explizites Wissen zurückgreifende Sprachplanungsvorgänge notwendig und möglich seien.

[2] Die Begriffe „Lernen” und „Erwerben” bzw. „learning” und „acquisition” stehen wie bei Tönshoff (1992) in Anführungsstrichen, wenn sie im Sinne von Krashens Theorie verwendet werden. Ansonsten werden sie als weitgehende Synonyme betrachtet.

[3] In neueren Publikationen sieht Krashen den Faktor Zeit nicht mehr unbedingt als notwendige Voraussetzung für die Verwendung des Monitors (Tönshoff 1992: 44).

[4] Auf die Kritik an der Monitorhypothese kann aus Platzgründen hier nicht eingegangen werden. Der interessierte Lesende sei insbesondere auf Larsen-Freeman & Long (1991: 246ff.) verwiesen.

[5] Die Literatur in diesen Bereichen ist so umfassend, dass sie höchstens annäherungsweise in dieser Arbeit dargestellt werden kann.

[6] Geringfügige, über den Einfluss von Unterricht erklärbare Veränderungen der Erwerbsprozesse lassen sich aber nachweisen. So könnte sich das gesteuerte, unterrichtliche Lernen dadurch vom ungesteuerten, natürlichen Erwerb unterscheiden, dass die Tendenz, grammatikalische Morphologie bei gleichzeitiger Vermeidung von Pidginisierungsstrategien zu häufig zu verwenden (Larsen-Freeman & Long 1991: 311), nur für den Fremdsprachenunterricht kennzeichnend ist. Ein deutlicher Zugewinn ist bei der Schnelligkeit (rate), mit der Entwicklungssequenzen durchlaufen werden, zu verzeichnen (ebd.: 312ff.), sofern der Unterricht auf den Entwicklungsstand der Lernenden abgestimmt ist (ebd.: 308).

[7] Vgl. auch Tomlin & Villa (1994) und Simard & Wong (2001) für weitere Konzeptualisierungen verwandter Konstrukte im Bereich der Zweitsprachenerwerbsforschung.

[8] Vgl. auch Gass (1988), Tomlin & Villa (1994) und Robinson (1995) für verwandte, aber nicht identische Begriffe und Positionen.

[9] Schmidt bemüht sich in einer neueren Arbeit (Schmidt 2001) erneut um eine Klärung dieser Begriffe.

[10] „Bemerken” steht hier für „to notice” im Sinne Schmidts.

[11] Der Begriff „externe Validität” wird hier in der von Brown (1988: 40) verwendeten Bedeutung gebraucht.

[12] Sollten die Anmerkungen des Lehrenden wirklich zu einer Veränderung der Einstellungen der Lernenden geführt haben, könnte dies auf eine geringe Beständigkeit und eine leichte Beeinflussbarkeit der subjektiven Theorien der Lernenden hindeuten. Ein möglicher Zusammenhang, der erforschenswert sein sollte.