Blaue Blume (Englische Ausgabe)

 

Lea Tesarová, Monika Bovermann, Hubert Eichheim und Marion Hollerung (übersetzt von John Stevens)

 

Kursbuch: Ismaning: Max Hueber Verlag, 2002, 344 S., ISBN 3-19-101620-1, 17,50 Euro

Handbuch: Ismaning: Max Hueber Verlag, 2002, 160 S., ISBN 3-19-111620-6, 12,50 Euro

 

Rezensiert von Anna Maria Weiss, Cambridge

 

 

Die Blaue Blume ist ein zweisprachiges Lehrbuch, das in sechs unterschiedlichen Ausgangssprachen (hier Englisch) für sprachlich homogene Lerngruppen vorliegt. Die Zielgruppe besteht aus Erwachsenen und Jugendlichen ab 16 Jahren, die Deutsch als Fremdsprache an Institutionen der Weiter- und Fortbildung sowie explizit auch an der Universität lernen. Das Lehrwerk, das den gesamten Stoff der Grundstufe abdecken und etwa 300-400 Unterrichtsstunden erfordern soll, führt in einem Band zum Zertifikat Deutsch (Niveaustufe B1 des Referenzrahmens des Europarates). Der Kauf des dazu gehörigen Handbuchs, in dem das Glossar zum Lehrbuch, eine Grundgrammatik, die Ergebnisse der Aufgaben des Lehrbuchs und Transkriptionen der Hörverstehensaufgaben zu finden sind, ist nach Angaben des Verlags allerdings nicht obligatorisch. Weiterführende „Übungen zur Überprüfung des Wortschatzes“, auf die der Verlag im Lehrbuch verweist, sind in diesem Handbuch überraschenderweise nicht zu finden. Auch liegt kein Lehrerhandbuch vor. Zusätzlich werden aber drei Kassetten mit Hörverstehens- und Phonetikübungen angeboten.

Das Lehrbuch enthält 54 kurze Einheiten mit denen laut Verlagsprospekt alle vier Fertigkeiten geübt werden. Jedes Kapitel beginnt mit einer Seite, die auf Englisch auf das neue Thema vorbereitet und unterschiedliche Aspekte beinhaltet. Landeskundliche Informationen stehen im Vordergrund. Dazu kommen Sensibilisierungen hinsichtlich bestimmter sprachlicher Phänomene des Deutschen, die klar und kohärent aufgemacht sind, aber eine Grundkenntnis grammatischer Terminologie voraussetzen. Den Schluß bilden sehr differenzierte und ausgereifte Tipps zu Lerntechniken, die LernerInnen zu autonomen Lernstrategien verhelfen können. Die nachfolgenden Seiten beinhalten Realien, Grammatikerklärungen mit Übungen, Hörverstehensübungen und Aufgaben zur Sensibilisierung für Ausspracheregeln und die Satzmelodie des Deutschen.

Inhaltlich ist das vorliegende Lehrwerk sehr dicht, manchmal aber von der Themenwahl her fragwürdig, denn neben zeitgemäßen landeskundlichen Informationen gibt es Beiträge, die nur mit Vorsicht zu behandeln sind. Manche sind schlicht veraltet oder irreführend. So etwa die Beschreibung der “verreisenden Deutschen” auf S. 63, die allenfalls als Glosse zu verstehen, als solche allerdings nicht markiert ist, das Lied “Ich habe mein Herz in Heidelberg verloren”, das auf S. 100 als popular song bezeichnet wird, und die Darstellung eines “typischen Samstagabends in den 70ern”. Falsche Informationen liefert das Schaubild auf S. 81, in dem behauptet wird, dass die Schulpflicht in Deutschland erst mit 19 Jahren erlischt. Bedenklich ist die Definition von “Farbigen” auf S. 70, wo ein Farbiger als “Nicht-Weißer, bes. Neger oder Mulatte” bezeichnet wird. Der Begriff “Neger” wird in seiner Konnotation nicht erklärt. Im Kapitel über Österreich haben die Verfasser eine Karte abgedruckt, auf der alle Länder bis auf Österreich zu finden sind. Die Einbeziehung von Informationen über die Schweiz und Österreich ist sicher grundsätzlich positiv. Kritisch anzumerken bleibt allerdings, dass interkulturelles Lernen durch solche landeskundlichen Informationen zwar inspiriert aber nicht realisiert werden kann. Zudem dominiert eine einseitige Faktenvermittlung, die keinerlei Verbindungen zum englischsprachigen Ausland aufbaut und nur ein passives Aufnehmen von Seiten der Lerngruppe ermöglicht.

Innerhalb der Kapitel wird durchgehend ein Schwerpunkt auf die Vermittlung grammatischer Strukturen gelegt. So werden Originaltexte oder Comics als Einstiegsmedien genutzt, ohne dass diese ausführlich diskutiert würden. Solch ein Ansatz fördert eine unkritische Rezeption verschiedener Textsorten und verzichtet zugleich darauf, deren Potential zur Festigung kommunikativer Fähigkeiten zu nutzen. Desweiteren erhalten neue Worte selten eine visuelle Unterstützung, z.T. werden den Studierenden lediglich Wortlisten präsentiert, die selbst erarbeitet  werden müssen. Der Kauf des Handbuchs kann dieses Problem zwar reduzieren, doch brauchen die TeilnehmerInnen dringend zusätzlich ein Nachschlagewerk, um das oft nicht strukturiert eingeführte Vokabular verstehen zu können. Die Grammatikübungen sind weitgehend traditionell, d.h. neben Übersetzungs- und Zuordnungsübungen sind primär Einsetzaufgaben zu finden. Positiv ist die Behandlung grammatischer Komplexe, die zusätzlich zu der üblichen Progression zu finden sind: Partikel und Internationalismen werden genauso behandelt wie Negation und Wortbildungen. Insgesamt gibt es aber recht wenige Übungen hierzu und vor allem mangelt es an freieren schriftlichen Aufgaben, so dass eine zusätzliche Übungsgrammatik dringend anzuraten ist. Hörverstehensübungen werden zunächst oft undifferenziert gestellt: take notes. Sie werden aber zunehmend spezieller und trainieren dann unterschiedliche Fertigkeiten des Hörverstehens. Obwohl die Lernenden dabei auch die Aussprache der deutschen Sprache üben und vertiefen sollen, wurde stark an Aufgabenformen gespart: meist soll lediglich ein Text gehört und wiederholt werden, bzw. Intonationszeichen in einen Text eingefügt werden. Aufgaben zur Lautdiskriminierung (z.B. von Minimalpaaren) existieren nicht. Überraschend ist, dass die AutorInnen alle vier Fähigkeiten mit dem Buch üben möchten, denn freiere Sprechübungen sind nur sehr begrenzt zu finden.

Insgesamt sind die Kapitel zu oberflächlich und es zeigt sich keine Linie oder gar Storyline innerhalb der ausgesuchten Texte und Realien. Dadurch wirken die Kapitel trotz ihrer Kürze oft überladen, unübersichtlich und unvernetzt. Die Auswahl der Texte und Themen ist oft überraschend und zu kritisieren ist insbesondere der (weitgehend fehlende) Umgang mit der deutschen Geschichte jüngeren Datums: das Jahr 1989 wird in Kapitel 37 recht oberflächlich behandelt, ein kleiner zeitlicher Abriss ist alles, was die Lernenden bekommen, eine Deutschlandkarte ist nicht vorgesehen. Das Thema Arbeitslosigkeit wird oberflächlich angerissen, aktuelle Themen wie Umweltschutz, Europa, Alltagsleben oder junge Erwachsene in Deutschland werden nicht behandelt. Außerdem fehlt der Motivationsfaktor, den ein gutes Lehrwerk haben sollte. Eine Gruppenbeteiligung ist kaum vorgesehen, genauso wenig wie Übungstypen, in denen Varianten und Paraphrasen gesucht werden sollen. Methodisch wird wenig von den Lernenden und den Lehrenden verlangt, d.h. frontale Stunden scheinen die Aktionsform vorzugeben.

Negativ auffällig ist auch das Buchdesign. Das Lehrwerk wurde konsequent zweifarbig schwarz-blau auf weiß gedruckt. Dies ist einerseits kostensparend, andererseits ist das Layout des Buchs im Vergleich zu anderen Lehrwerken für die Grundstufe sehr einfach gehalten, was keinesfalls ansprechend wirkt. Das Gleiche gilt für die Auswahl an Fotos und Cartoons. Auch die Aufmachung der jeweiligen Einheiten kommt einem motivierenden Unterricht wenig entgegen: die lineare Gestaltung, fehlende Möglichkeiten, sich als LernerIn einzubringen und die vorherrschenden Patterndrillaufgaben bieten kaum Möglichkeiten für einen motivationellen Einstieg, Eigeninitiative oder Phantasie. All dies ist bei angelsächsischen Lerngruppen umso mehr zu bedauern als eine solch starre Grammatikvermittlung kaum an deren traditionell kommunikativen Unterricht der Schulzeit anzuknüpfen vermag. Das vorliegende Lehrwerk sollte aus all diesen Gründen nur mit Einschränkungen eingesetzt werden, da es von Seiten der Lehrenden viel methodisches Können, Wissen über Deutschland und Zusatzmaterial erfordert.