Auf neuen Wegen
Von Eva-Maria Willkop, Claudia
Wiemer, Evelyn Müller-Küppers, Dietrich Eggers
Ismaning: Max Hueber, 2003, ISBN: 3-19-001640-2. Kosten:
15,30€.
Lehrerhandbuch erscheint im Juni 2003, Audio-CDs: 25,90€,
Audio-Kassetten: 25,90€.
Rezensiert von Annette Baudzus, Nils
Göbel und Elisabeth Rettelbach, Mainz
Mit dem Lehrwerk Auf neuen Wegen ist ein bislang
Desiderat gebliebenes Buch für die Mittel- und Oberstufe im Max Hueber Verlag
erschienen, das in acht Lektionen den Weg für die Zentrale Mittelstufenprüfung (ZMP), die Zentrale Oberstufenprüfung (ZOP), die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang ausländischer
Studienbewerber (DSH) oder den TestDaF
ebnen soll. Es ist sowohl für Lernende im In- und Ausland, die sich im
weitesten Sinne mit der deutschen Kultur beschäftigen, als auch für angehende
ausländische Studierende geeignet und richtet sich an Lernende, die „[...] mit
einem sehr guten Zertifikat Deutsch abgeschlossen haben [...]“ (Vorwort).
Dementsprechend sind die authentischen Texte und Aufgabenstellungen bereits im
ersten Kapitel durchaus anspruchsvoll und für „lerngewohnte“ Kursteilnehmer
gedacht.
Das
Inhaltsverzeichnis gestattet einen profunden Überblick über Fertigkeiten,
Aktivitäten und Textsorten. Die Dominanz des Leseverstehens fällt hier schon
optisch ins Auge. Wünschenswert wäre ein besserer Überblick durch die Angabe
von Seitenzahlen. In den einzelnen Lektionen wiederum fehlt eine Kennzeichnung
der aktuellen Lektion - entweder durch Farbcodes oder zumindest durch einen
Verweis neben der Seitenzahl/am oberen Seitenrand. Als Visualisierungshilfe
bietet die Farbe Orange zudem in den Lektionen zwar wenig Abwechslung, doch viele Fotos, Tabellen und
graphische Statistiken erleichtern die Benutzung und lockern das recht
textlastige Buch optisch auf. Was hingegen fehlt, ist ein
Schlagwortverzeichnis bzw. Register, in dem man zum Beispiel einzelne
Grammatikkapitel im Werk lektionsunabhängig nachschlagen kann. Alle angemerkten
Orientierungshilfen würden die Arbeit mit dem Buch sowohl für KursleiterInnen
als auch für die KursteilnehmerInnen erleichtern. Im Folgenden wollen wir das
Lehrwerk anhand einiger exemplarischer Bereiche kurz vorstellen. Wir
konzentrieren uns auf Themenauswahl- und darbietung sowie Grammatikvermittlung
und den Strategieanhang.
Themenauswahl- und darbietung
Bei der
Themenauswahl verfährt das Lehrwerk eher unkonventionell. Es beginnt damit,
dass das Lehrerhandbuch Empfehlungen dafür gibt, wie man je nach Zielgruppe
bestimmte Teile des Lehrwerks auswählen oder gewichten kann. Die allgemeine
Zielgruppe (fortgeschrittene Lerner auf universitärem Niveau) wird hier grob in
zwei Interessensgruppen geteilt, nämlich “diejenigen, die sich auf ein Studium
an einer deutschen Uni vorbereiten, und diejenigen, die sich eher aus
kulturellen oder anderen Gründen mit den deutschsprachigen Ländern und ihrer
Kultur beschäftigen” (LHB, S 3). Für die erste Gruppe, deren Ziel die DSH oder
TestDaF-Prüfungen sind, empfiehlt das Autorenteam Lektionen mit relevanten
Themen wie “Menschen in Deutschland“, “Universität und Weiterbildung” oder
„D.A.CH in Europa“. Für die andere Gruppe, die sich auf ZMP/ZOP vorbereiten
will, werden Lektionen wie “Emotionen” oder “Wege zur Kunst” ausgewählt. Wenn
Grammatik, Wortschatz oder Strategievorschläge der weggelassenen Kapitel
wichtig sind, dann weist das Lehrerhandbuch zu Beginn einer jeden Lektion
darauf hin.
Ein wenig
enttäuschend ist Kapitel 7, das mit einem vielversprechenden Titelblatt die
„Wege zur Kunst“ zu ebnen versucht. Dort werden mit vielen (allerdings wie
immer schwarz-weißen) Fotos große Erwartungen zu allen erdenklichen Kunstformen
geweckt, u.a. zu Literatur, Theater, Medien, Musik, Architektur und Pantomime.
Thematisiert wird am Ende jedoch nur klassische Musik und Literatur und auf den
ersten Blick in Teil C dann auch Architektur. Auch der Unterschied zwischen
Volks- und Kunstlied wird im Vorübergehen angerissen (Lektion 7, Teil A1, S.
200: „Hören Sie das Lied „das Wandern“ in zwei verschiedenen Vertonungen: als
Volkslied und als Kunstlied in der Vertonung von Franz Schubert“), aber der
eigentliche Dreh- und Angelpunkt, scheint doch die Literatur zu sein: Der
gesamte Teil B (S. 205 –210) ist dem „Lebensweg eines Künstlers“, Johann
Wolfgang von Goethe, gewidmet, obwohl die Lernenden es sicherlich interessant
gefunden hätten, ergänzend oder auch statt dessen den Lebensweg eines modernen
und vielleicht weniger bekannten Künstlers mitverfolgen zu dürfen. Erst im
Vertiefungsteil wird dann mit einem Vergleich zwischen Goethes „Die Leiden des
jungen Werther“ und Plenzdorffs „Die neuen Leiden des jungen Werther“ ein Stück
20. Jahrhundert integriert. Im Teil C (ab S.211) wird noch auf Architektur
eingegangen, doch geht es eigentlich mehr um handfeste Stadtgeschichte
(Frankfurt) als um Kunst. Aufgaben wie C1 (S. 211), in der Fotos von
Frankfurter Häusern nach dem Alter der Gebäude geordnet werden sollen, sowie
ein (zugegebenermaßen interessanter) ausführlicher Text über die
Stadtbaugeschichte führen die „Wege zur Kunst“ am Oberthema vorbei. C 7 (S.
217) bietet mit der vorgeschlagenen Stadtrallye zwar ein sehr unterhaltsames
und lehrreiches Spiel, aber potentielle Fragen wie: „Welche Ausstellung findet
derzeit im Museum Y statt?“ oder „Was sieht man, wenn man vom Rathaus aus nach
links blickt?“ zeigen schon, dass dies mit Architektur als Kunstform wenig zu
tun hat. Darüber kann auch eine Pseudo-Architekturfrage wie: „Aus welchem
Material wurde das Gebäude X erbaut?“ nicht hinwegtäuschen. Insgesamt ein
leider enttäuschendes Kapitel, das einseitig bleibt, am Thema vorbei geht und
die Erwartungen der Leser nicht erfüllt.
Allerdings sind
auch positive Beispiele anzuführen, so z.B. in Lektion 6 „Universität und
Weiterbildung“ das Bewerbungsschreiben mit Lebenslauf, Checkliste und Analyse
der Erfolgschancen aus der Sicht der Personalabteilung (S. 91-94, VT1-6) oder
in Lektion 6 “Gesundheit” die Ergänzung der “ernsthaften” Informationen (wie
Versicherungen, alternative Medizin, Unfallbeschreibung) durch ein Beispiel der
trivialliterarischen Gattung des Arztromans mit kreativen Aufgaben wie
„Herzschmerz! Schreiben Sie an einem eigenen Arztroman. .(…) Bedienen Sie dabei
möglichst viele Klischeevorstellungen von Liebe, Reichtum und Moral.” (S.123,
VT4).
Behandelt werden
viele kleine Bereiche der Grammatik, wie Komposita, Partikel und Proformen,
aber auch übergreifende und allgemeine Gebiete wie Tempora oder Wortstellung.
Innerhalb der Kapitel finden sich üblicherweise Aufgabenstellungen, die die
Themen des angehängten Grammatikteils vorentlasten. Soll nun der Konjunktiv II
didaktisiert werden, so findet man nach einem für dieses Thema geeigneten Text
die Anweisung, alle Konjunktiv-II-Formen im Text heraus zu suchen (B11, S.210). Anschließend werden
Funktion und Bildung im Grammatikteil erklärt. Dabei wird auf die bereits
gestellte Aufgabe verwiesen. Insgesamt ist die Grammatikvermittlung plausibel
strukturiert und baut logisch aufeinander auf (so z.B. bei der langsamen
Komplettierung der Konnektoren). Außerdem sollen grammatische Regeln meist
induktiv von den Lernenden herausgearbeitet werden. So werden die Funktionen
der Tempora in Kapitel 2 verständlich gemacht. Generelle grammatische Details,
wie die Bildung des Perfekts, werden vorausgesetzt. Es ist daher zwischen einer
Vertiefungsgrammatik (bei bereits bekannten Themen) und einer Aufbaugrammatik
zu unterscheiden.
Leider werden
einige grammatische Termini extrem ausführlich erklärt. So ist fraglich, ob die
Kenntnis der Unterscheidungskriterien zwischen sehr speziellen Ergänzungen
tatsächlich lebens- und prüfungsrelevant ist. Darüber hinaus ist
unwahrscheinlich, dass Lernende die Wortstellung der Ergänzungen im Mittelfeld
mit Hilfe des komplexen zweiten Wortstellungsparagraphen im fünften Kapitel
quasi auswendig lernen. Auch die textlinguistischen Details, die unter dem
verharmlosenden Begriff Textgrammatik zusammengefasst sind, können den Ehrgeiz,
eine Fremdsprache zu erlernen, nicht erhöhen. Bisweilen sind grammatische
Aufgabenstellungen so kompliziert gestellt, dass selbst Muttersprachler
Schwierigkeiten haben, diese zu lösen. So sollen in der siebten Lektion sehr
komplexe erweiterte Partizipialattribute durch Relativsätze ersetzt werden (S.
216, C5). Leider gibt es auch nicht zu jeder Aufgabe eine Lösung, selbst wenn
diese recht schwer fallen kann (s. Aufgabe A7/2, S. 50).
Positiv zu werten
sind die zahlreichen Tabellen und Schaubilder, mit deren Hilfe grammatische
Regeln visualisiert werden. So wird die Wortstellung mit Satzbauplänen durch
eine Brücke veranschaulicht, in der die Verben die beiden Brückenpfeiler bilden
und das Mittelfeld umrahmen. Besonders unkonventionell und gelungen ist die
Behandlung von Gesprächspartikeln mit Hilfe eines Liedtextes der Gruppe Trio
sowie die Erarbeitung von Modalpartikeln aus einem Loriotsketch. Auf diese
Weise werden wichtige kulturelle Bereiche mit der Grammatik verknüpft,
und es wird deutlich, dass das Lernen von Grammatik mit viel Freude verbunden
sein kann.
Im Strategieanhang
findet der Lernende eine Zusammenfassung der wichtigsten Lernstrategien. Ziel
ist hier, die Lernenden mit verschiedenen Lernstrategien bekannt zu machen, so
dass sie am Ende in der Lage sind, selbstständig und ohne Kursleiter Deutsch zu
lernen. Unterschieden wird in Strategien zum Umgang mit Texten, Strategien
für die eigene Sprachproduktion und Strategien zum selbstständigen
Lernen. Dabei wird komprimiert alles zusammengefasst, was in Bezug auf
Lernertypen, Referate, Lesestile, Wortschatz- oder Grammatiklernen von
Bedeutung ist.
Im ersten Teil, Strategien
zum Umgang mit Texten, wird der Lerner an die Arbeit mit Lese- und
Hörtexten herangeführt. Es werden die Unterschiede zwischen globalem,
selektivem und detailliertem Lesen und Hören ausführlich erklärt und
veranschaulicht und dem Lerner wird erläutert, wann und für welchen Text welche
Strategie angemessen ist. Der zweite Teil, Strategien für die eigene
Sprachproduktion, beschäftigt sich mit dem Schreiben, dem Sprechen und dem
Vortrag/Referat. Beim Schreiben wird der Lerner zuerst darauf aufmerksam
gemacht, dass es verschiedene Schreibstile gibt, funktionales, kreatives und
kommunikatives Schreiben. Weiterhin wird erklärt, wie man sich, je nachdem
welcher Stil gewählt wird, auf das Schreiben vorbereitet; es werden Tipps zum
Anlegen einer Stoffsammlung gegeben, man findet Anregungen zum Ordnen und
Überarbeiten seiner Arbeit. Auch zum Sprechen findet sich ein ausführlicher
Teil. Dort wird erklärt, wie man Vorträge/Referate aufbaut, vorbereitet und
hält. Unter Strategien zum selbstständigen Lernen werden Tipps zur Wortschatzarbeit und
zur eigenständigen Materialbeschaffung gegeben.
Insgesamt ist der
Strategieanhang innovativ und nützlich. Die komprimierte Form am Ende des
Buches macht es dem Lerner leicht, genau das nachzuschlagen, was er in dem
Moment benötigt, denn durch Querverweise in den einzelnen Lektionen wird der
Lerner immer wieder auf die entsprechenden Abschnitte im Anhang verwiesen und
dazu angehalten, ihn durchzuarbeiten. Als Kursleiter sollte man unbedingt davon
Gebrauch machen und die Lerner so früh wie möglich damit vertraut machen.
Die fünf
Autoren/innen haben mit Auf neuen Wegen wirklich neue Wege
eingeschlagen. Es ist
ihnen überzeugend gelungen, anspruchsvolle Themen in originellem Gewand zu
präsentieren und wichtige Unterrichtsziele in Grammatik und Wortschatz durch
interessante Herangehensweisen motivierend darzustellen. Die Ziele, die ein Lerner im Unterricht erreichen
sollte, werden durch praxisrelevante Aufgabenstellungen vorgegeben, so dass
weder Befremdung noch Langeweile aufkommen dürften. Auch für die erwähnten
Prüfungen verspricht dieses Lehrwerk eine gute Vorbereitung.
Verbesserungswürdig wäre wohl das Buchdesign. Das eintönige Grau-Orange wirkt
wenig motivierend und das unübersichtliche Inhalts- sowie das fehlende
Schlagwortverzeichnis mag dem Betrachter auf den ersten Blick den Einstieg
erschweren. Das
Niveau ist insgesamt hoch, die Themen sowohl alltagsrelevant als auch
anspruchsvoll. Die drei
Audio-CDs bzw. Audiokassetten eröffnen eine Vielfalt an authentischen
Hörbeispielen, die von Szenen mit anderen Lernenden und deren kulturellen
Problemen bis hin zu Liederbeispielen von den Comedian Harmonists reichen. Ein
Lehrerhandbuch mit vielen hilfreichen Tipps und Tests (u.a. zum Umgang mit
Tabuthemen) erscheint noch in diesem Jahr.