Entwicklung, Einsatz und Evaluierung von Lernaufgaben –
Von der Fremdsprachenforschung zur Unterrichtspraxis
Obwohl Partnerarbeit
wie auch der Einsatz von Lernaufgaben zu den gängigen Steuerungs- und
Differenzierungsinstrumentarien der Fremdsprachendidaktik gehören, kann die
deutschsprachige Fremdsprachenforschung keine diesbezüglichen empirischen
Studien vorweisen. Vor diesem Hintergrund stellt der folgende Artikel eine
quasi-longitudinale Untersuchung aufgabenbasierter Lerner-Lerner-Interaktionen
im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht vor, die sowohl die
Interaktionsstrukturen als auch die damit verbundenen kognitiven Anforderungen
einer solchen Lernaktivität thematisiert. Mittels der Triangulation
qualitativer und quantitativer Daten verfolgt die Studie zwei Ziele: Erstens,
die Analyse der durch die Lerner-Lerner-Interaktionen hervorgerufenen
Lernprozesse und Lernpotenziale, und zweitens, die Erfassung des hieraus
resultierenden Zuwachses an explizitem grammatischen Wissen. Abschließend
werden auf der Grundlage dieser empirischen Ergebnisse die innerhalb der
Untersuchung entwickelten Lernaufgaben diskutiert und didaktische Empfehlungen
bezüglich ihres Einsatzes im Fremdsprachenunterricht formuliert.
1. Einleitung
Die
deutschsprachige empirische Fremdsprachenforschung ist in der Breite der von
ihr bearbeiteten Untersuchungsfelder noch immer sehr lückenhaft, so dass es
unschwer möglich ist, auf entsprechende Defizite hinzuweisen und hieraus
abgeleitet diesbezügliche Desiderata zu formulieren. Zwei solcher für die
Erforschung wie für die Praxis des Fremdsprachenlehrens und -lernens relevante
Forschungsdefizite betreffen 1. die empirische Erforschung von Gruppen- und
Partnerarbeit im Fremdsprachenunterricht sowie 2. eine empirische, prozess- und
produktorientierte Lernaufgabenforschung. Im Folgenden sollen diese
Forschungsdefizite dargelegt sowie eine Untersuchung vorgestellt werden, die
diese Lücken zu schließen versucht. Vor dem Hintergrund der in der
Fremdsprachenforschung und -lehre diskutierten Notwendigkeit zu kommunikativen
und explizit-metasprachlichen Unterrichtsphasen (z.B. Ellis 1994; Henrici 1998)
wurden im Rahmen einer empirischen Untersuchung im DaF-Unterricht kommunikativ
und sprachstrukturell orientierte dyadische Lernaufgaben entwickelt.
Diese werden als
eine didaktische Möglichkeit betrachtet, explizite verständnis- und produktionssichernde
Verfahren – eingebettet in den kooperativen Handlungsrahmen der
Lerner-Lerner-Interaktion – im Fremdsprachenunterricht zu realisieren. Diese
Lernaufgaben werden dahingehend analysiert und evaluiert, inwiefern sie die
Lerner zu einer zielsprachlichen, authentischen (weil zielgeleiteten, auf
tatsächlichen Lerninteressen und Lernschwierigkeiten beruhenden, s. Abschnitt
5) Kommunikation und zugleich zu einer metasprachlichen Reflexion und
Diskussion von L2-Aspekten anzuregen vermögen. Hierzu werden sowohl qualitative
(Diskursanalyse, Retrospektion) als auch, zur Bestimmung eines aus den
Interaktionen resultierenden Lernzuwachses, quantitative Verfahren
(unterschiedliche Testformate) entwickelt und eingesetzt. Im Anschluss hieran
werden didaktische Implikationen der Untersuchung aufgezeigt und hierbei für
eine systematische und prozessorientierte Aufgabenvor- und -nachbereitung im
Unterricht plädiert, die nicht nur den Lerngegenstand der Aufgabe, sondern auch
die individuellen Zugänge und Umgangsweisen der Lerner mit der Lernaufgabe
thematisiert.
2. Gruppen- und Partnerarbeit im Fremdsprachenunterricht – terra incognita?
Die aus der
allgemeinen Erziehungswissenschaft (Flanders 1970) bzw. Linguistik (Sinclair
& Coulthard 1975) stammenden Versuche, Unterrichtskommunikation als eine
Serie funktionaler Einheiten zu beschreiben und dabei ein Modell für den
strukturellen und funktionalen Aufbau eines Diskurses zu entwickeln, zeichneten
ein Bild der mutter- und fremdsprachlichen Unterrichtskommunikation, das schwer
mit dem kommunikativen Zeitgeist der 80er Jahre zu vereinbaren war. Der gängige
Frontalunterricht erschien als hierarchisch aufgebautes, kleinschrittig
strukturiertes und permanent von der Lehrkraft evaluiertes Unterrichtsgespräch.
Vor dem Hintergrund der „kommunikativen Wende“ wurde vehement Gruppen- und
Partnerarbeit als Alternative hierzu gefordert. Gruppenarbeit galt als
emanzipatorisch in dem Sinne, dass sie eine tendenziell herrschaftsfreie, nicht
repressive Kommunikation zwischen diskursiv Gleichberechtigten ermöglichte.
Zugleich wurde jedoch auch immer wieder Kritik an einem sich dergestalt selbst
begründenden pädagogischen Hochwert geübt und – z.B. von Diegritz &
Rosenbusch (1977) – darauf hingewiesen, dass keinerlei empirische Evidenz
darüber vorläge, welche Kommunikationsprozesse sich in Gruppenarbeit vollzögen.
Des weiteren stellen Diegritz & Rosenbusch (1977: 261) fest, dass
Gruppenarbeit „zumindest nicht in jedem Falle und für alle Schüler jenen pädagogischen
Wunschvorstellungen nahekommt, die allerorts kultiviert werden“. So würden
größere Gruppen zu sehr unterschiedlich ausgeprägter Partizipation führen und
sich auch in Schülergruppen repressive Kommunikations- und Sozialstrukturen
etablieren. Aus heutiger Sicht verwundern diese Ergebnisse wenig.
Es erscheint
offensichtlich, dass Gruppenunterricht an sich keinen pädagogischen Wert
darstellt und somit allein durch die Realisierung einer bestimmten Sozialform
ohne eine ihr zugrunde liegende Didaktik den die Einführung dieser Sozialform
motivierenden Defiziten nicht begegnet werden kann. Mittlerweile hat sich diese
Situation geändert, es liegt eine Vielzahl didaktischer und methodischer
Vorschläge vor, im Sinne einer Binnendifferenzierung des Fremdsprachenunterrichts
wechselnde Sozialformen in unterschiedliche Unterrichtsphasen zu integrieren.
Jedoch sind diese unterrichtspraktischen und -methodischen Vorschläge nicht von
entsprechenden empirischen, fremdsprachenunterrichtsspezifischen Untersuchungen
begleitet. Dies gilt ebenfalls für den Bereich Deutsch als Fremdsprache, auch
wenn dort relativ zahlreiche diskursanalytische Arbeiten zu verschiedenen
Aspekten der prototypischen Lehrer-Lerner-Interaktion vorliegen, in denen u.a.
Phänomene wie Semantisierung, mündliche Fehlerkorrektur, Bedeutungsaushandlung
und Interaktionsmodifizierung (zusammenfassend Henrici 1995) empirisch
untersucht wurden. Abschließend bleibt im deutschsprachigen Raum das
weitgehende Fehlen empirischer Befunde zu Lerner-Lerner-Interaktionen im
Fremdsprachenunterricht zu konstatieren, so dass, trotz der neueren Monographie
Inge Schwerdtfegers zu didaktischen und unterrichtspraktischen Aspekten von
Gruppen- und Partnerarbeit (Schwerdtfeger 2001), diese bezüglich ihrer
empirischen Grundlagen noch immer als terra incognita bezeichnet werden muss.
3. Lernaufgabenforschung – (k)ein Thema für die deutschsprachige Fremdsprachenforschung?
In der
deutschsprachigen Lehr-/Lernmaterialforschung wurde lange Zeit, anstatt von
einer Wechselwirkung zwischen dem angebotenen Sprachmaterial und dem Vorwissen
der Lerner, ihren Wahrnehmungen, Einstellungen und Lernzielen auszugehen, die
Aufgabe vielmehr als Material betrachtet, welches bei den Bearbeitenden
bestimmte, als lernfördernd angenommene Reaktionen auslösen sollte. Dieses
Material wurde mittels Typologien (z.B. Neuner, Krüger & Grewer 1981;
Segermann 1992) bezüglich seiner aufgabeninhärenten Merkmale beschrieben als
Sammlung von Übungen, die zu den ihnen zugeordneten Lernzielen hinführen
sollten. Erfasst und systematisiert wurde somit die gedruckte Fassung der
Aufgabe, nicht aber die tatsächlich beim einzelnen Lerner im Zuge der
Aufgabenbearbeitung erfolgte Lernaktivität.
Angesichts dieser
Forschungslücke darf gefragt werden, ob hier – trotz der vielzitierten und
altbekannten Forderung nach Lernerzentrierung und der Befähigung zum
tendenziell selbstgesteuerten Lernen – die Annahme nachwirkt, dass
Fremdsprachenlerner sich darauf beschränken (oder gar beschränken sollten?),
Lernaufgaben gemäß den in ihnen enthaltenen didaktischen Anweisungen
auszuführen. Dass eine solche behavoristisch anmutende Annahme der
Lerneraktivität als bedingter Folge der Aufgabenvorgabe und Aufgabenzielsetzung
nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt deutlich die anglophone task-based research (z.B. Skehan 1998).
Dort wird task als
psycholinguistisches Experiment betrachtet, wobei die mittels eines
Koordinatensystems aufgabeninhärenter Merkmale typologisierte Aufgabe als
unabhängige, die hierdurch herbeigeführte lernerseitige L2-Produktion oder
-Rezeption als abhängige Variable konzeptualisiert und von einer engen
Beziehung zwischen beiden ausgegangen wird (zur detaillierten Kritik an diesem
Konzept vgl. Eckerth 2003a; Eckerth & Riemer 2000).
Erfreulicherweise
ist in der deutschsprachigen Forschungslandschaft eine Lernaufgabenforschung
gerade im Entstehen begriffen, die weniger experimentell orientiert und
zugleich stärker unterrichtsbasiert vorgeht. Innerhalb dieser
prozessorientierten Lernaufgabenforschung wird der Lerner nicht nur als
Aufgabenausführender, sondern auch als Aufgabeninterpretierender angesehen. Im
Mittelpunkt der Forschungsbemühungen stehen die Lernerhandlungen bei der
Ausführung sprachstrukturell orientierter Lehrwerksaufgaben (Wendt 1997; Börner
1999). Neben einer Erfassung und Auswertung der gewählten Lernwege und
Lösungsstrategien wurden bisher jedoch die Lernprodukte, d.h. die
Zielsprachenkonformität der mündlichen oder schriftlichen Aufgabenlösungen
nicht berücksichtigt.
Beide der genannten
Desidarata – empirische Erforschung von Lerner-Lerner-Interaktionen sowie
lernerseitiger Umgang mit Lernmaterialien im Fremdsprachenunterricht
einschließlich der damit erzielten Lernerfolge und Lernzuwächse – verbindet der
Begriff der Interaktion. Interaktion, wie sie im vorliegenden Kontext
verstanden wird, umfasst sowohl die personelle Interaktion zwischen
Unterrichtsbeteiligten als auch die mentale (Quasi-)Interaktion zwischen
Lernaufgabe und Aufgabenbearbeitenden. Die letztgenannte Ausprägung des
Interaktionsbegriffs weist die o.g., innerhalb der task-based research vorherrschende Annahme der Lerneraktivität als
bedingte Folge der Aufgabenvorgabe und -zielsetzung zurück. Der Begriff der
(Quasi-)Interaktion zwischen Lernaufgabe und Aufgabenbearbeitenden impliziert
eine nichtdeterministische Konzeptualisierung des Lerners als eines
selbstreflexiven und kreativen Handelnden, der vor dem Hintergrund seiner
Lernerfahrungen und -ziele nicht nur auf die Aufgabenvorlage reagiert, sondern
diese auch interpretiert. Im Folgenden wird eine empirische und
unterrichtsbasierte Untersuchung vorgestellt, die diesen Interaktionsbegriff
umsetzt und die genannte Forschungslücken zu schließen versucht.
4. Fremdsprachenerwerb in aufgabenbasierten Interaktionen: Untersuchungsdesign, Datenerhebung und Ergebnisse
Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen aufgabenbasierte Lerner-Lerner-Interaktionen im regulären studienvorbereitenden DaF-Unterricht in zwei Mittelstufenkursen unterschiedlichen L2-Niveaus. Die Kurse bestanden aus jeweils 20 DaF-Lernern, die aufgrund ihrer bisherigen Kurserfahrung sowohl mit Gruppen- als auch mit Partnerarbeit vertraut waren. Dabei wurde bei den aufgabenbasierten, dyadischen Interaktionen auf eine systematische Zusammenstellung der Lernerpaare, z.B. nach der jeweiligen L1 oder nach dem L2-Niveau, bewusst verzichtet. Einerseits entspräche ein solches Vorgehen nicht den Bedingungen des regulären Fremdsprachenunterrichts und wäre damit praxisfern. Andererseits sollte vermieden werden, dass latente Wunschvorstellungen und Forschungsziele des Forschenden zur Zusammenstellung idealtypischer Lernerpaare führen würden. Aus diesem Grund stand es den Lernern frei, mit wem sie zusammenarbeiten wollten, in der Regel waren dies die jeweiligen Banknachbarn. Empirisch erfasst und evaluiert werden sowohl die bei der Bearbeitung der Lernaufgaben in Lernerpaaren involvierten Lernprozesse als auch die hieraus resultierenden Lernprodukte. Die Untersuchung umfasst folgende Teilkomponenten:
·
Entwicklung und Evaluierung von dyadischen Lernaufgaben innerhalb einer
Pilotstudie;
·
Durchführung dieser Lernaufgaben im Fremdsprachenunterricht;
·
Analyse der aus der Aufgabenbearbeitung resultierenden
Lerner-Lerner-Interaktionen;
·
Analyse der zu den Interaktionen retrospektiven Lernerinterviews;
·
Auswertung der vor und nach den Interaktionen durchgeführten Testverfahren.
Innerhalb des für
die Untersuchung entwickelten „explorativ-interpretativen und
quasiexperimentellen Mehr-Methoden-Ansatzes“ (zur detaillierten
methodologischen Begründung vgl. Eckerth 2003b) werden sieben unterschiedliche
Datensätze erhoben. Da sie mit klassifikatorischen Begriffen arbeiten und
nominale Daten darstellen, bilden die Datensätze 1-4 qualitative, Datensätze
5-7 hingegen, die metrische Begriffe und damit intervallskalierte Daten repräsentieren,
quantitative Daten (Grotjahn 1993: 225). Im Einzelnen handelt es sich um
folgende, im Fremdsprachenunterricht erhobene Daten:
Datensätze:
1. Aufgabenbasierte
Lerner-Lerner-Interaktionen
Interaktionsprotokolle von Lernern, die in Dyaden eigens entwickelte
Lernaufgaben ausführen.
2. Schriftliche
Aufgabenlösungen
Bei einem Teil der Aufgaben sollte die gemeinsam erarbeitete Aufgabenlösung von
den Lernerpaaren schriftlich festgehalten werden.
3. Retrospektive
Lernerinterviews
Einen Tag nach den Interaktionen mit den Lernerpaaren durchgeführte
retrospektive Interviews.
4. Lehrergespräche
Untersuchungsvorbereitende, -begleitende und -nachbereitende Gespräche mit den
Lehrkräften der untersuchten Kurse.
5. Aufgabenspezifische
Prä-, Post- und Folgetests
Unmittelbar vor und nach sowie eine Woche nach den Interaktionen durchgeführte
aufgabenspezifische Testverfahren.
6. Lernerdyadenspezifische
Folgetests
Eine Woche nach den Interaktionen durchgeführte lernerdyadenspezifische
Testverfahren.
7. C-Test
Vor Beginn und nach Abschluss des gesamten Untersuchungszeitraums erhobener
Sprachstandstest zur Überprüfung der Variablen „L2-Niveau“.
Die Datensätze 1-6 werden in der zeitlichen Abfolge „Prätest
® Aufgabenbasierte Interaktion ® Posttest ® Retrospektion ® Folgetest“ erhoben und bilden einen einwöchigen
Zyklus (Tag 1-8, vgl. Abb. 1). Dieser Zyklus wird fünfmal wiederholt (dreimal
mit sprachstrukturell orientierten Aufgaben, zweimal mit rein kommunikativ
orientierten Bedeutungsaushandlungsaufgaben) und jeweils in zwei Fremdsprachenkursen
durchgeführt. Abbildung 1 verdeutlicht die zeitliche Abfolge (gestrichelte
Zeitachse) der Datenerhebung:
Tag
1 Tag 1 Tag 2 Tag 8
|----------------|--------------------------|---------------------------|---------------------|------------------------------|
C-Test Prätest Posttest Retrospektive Folgetest C-Test
Interviews Teil 1: aufgabenspezif
Teil 2:
dyadenspezif.
Aufgabenbasierte
Lerner-Lerner-
Interaktionen
|____________________________________________________________|
Woche 1 von 5; in
jeweils 2 Kursen
Abb. 1: Datenerhebung
Sämtliche
Interaktionen werden transkribiert und unter Verwendung diskursanalytischer Verfahren
bezüglich Konzepten wie „Wissensressourcen“, „Lernwegen“ und „Lernpotenzial der
Interaktion“ qualitativ-interpretativ ausgewertet. Diese Transkriptionen bilden
auch die Grundlage für die am Folgetag durchgeführten retrospektiven
Lernerinterviews, mittels derer die subjektiven Sichtweisen, Haltungen und
Einstellungen der Lernenden sowie die den Interaktionen zugeschriebenen
Lernpotenziale ermittelt werden sollen.
Neben dieser
detaillierten qualitativen Auswertung werden quantitative Verfahren in Form
unterschiedlicher Testformate eingesetzt, die einen eventuell aus den
Interaktionen resultierenden kurz- wie mittelfristigen Lernzuwachs messen. Im
Folgenden werden die den Lerner-Lerner-Interaktionen zugrunde liegenden
Lernaufgaben (Abschnitt 4.1), sowie die bei deren qualitativen (4.2) wie
quantitativen (4.3) Auswertung erzielten Ergebnisse dargelegt und bewertet
werden.
4.1 Die Lernaufgaben
Die den
Interaktionen zugrunde liegenden Lernaufgaben umfassen referentiell orientierte
Kommunikationsaufgaben (Bedeutungsaushandlungsaufgaben, vgl. Eckerth 2003b) als
auch sprachstrukturell orientierte Aufgaben (Textreparaturaufgaben,
Textrekonstruktionsaufgaben). Im Folgenden wird lediglich auf eine Version des
sprachstrukturell orientierten Lernaufgabentyps „Textreparatur“ eingegangen:
Sprachstrukturell orientierte Aufgabe
„Textreparatur“:
Jedes Lernerpaar
erhält einen zusammenhängenden Text, aus dem grammatische Informationen
(Konjugation, Deklination, Funktionswörter) entfernt wurden. Der Text soll
gemeinsam umgeformt und zu einem grammatisch korrekten und inhaltlich
sinnvollen Text ergänzt und das Ergebnis schriftlich festgehalten werden.
Textreparaturaufgabe: Ein Abschiedsbrief
Lieber Martin,
ich mögen von du verabschieden.
Du haben in die letzten Jahre sehr verändern.
Früher du haben immer ärgern meine Ex-Freunde.
Heute du ausgehen oft andere Frauen und du kümmern kaum noch ich.
Früher ich haben nie beklagen dein Verhalten, aber jetzt ich genug haben.
Ich nicht mehr können du verlassen.
Deshalb ich entscheiden haben anderer Mann.
Irene
Den Lernaufgaben
diesen Typs liegt ein simpel anmutendes Prinzip zugrunde, das jedoch in keinem
Lehrwerk oder Forschungsbericht gefunden, sondern vielmehr eigens für die Zwecke
und Ziele der vorliegenden Untersuchung entwickelt wurde. Leitend bei ihrer
Entwicklung war das Ziel, nicht eine isolierte Regelanwendung herbeizuführen,
sondern vielmehr die Aktivierung und Integration satzinterner morphologischer,
syntaktischer und pragmatischer Wissensbestände zu fordern und zu fördern.
Zugleich sollten bei der Aufgabenbearbeitung auch satzübergreifende
Textzusammenhänge berücksichtigt und in die Überlegungen miteinbezogen werden
müssen, da das Aufgabenziel die Erstellung nicht eines nur grammatisch
korrekten, sondern auch inhaltlich bedeutungsvollen Textes vorgibt. Damit
bewegt sich die Lernaufgabe im mittleren Bereich zwischen den Polen Offenheit
und Steuerung: einerseits ist der Aufgabe ein eindeutiger grammatischer Fokus
eigen – im o.g. Beispiel Verben mit Präpositionalergänzung – zugleich muss
jedoch auch der gesamte sprachliche Kontext – d.h. der zu reparierende Text –
berücksichtigt werden.
Zur Bearbeitung und
Lösung der Aufgabe müssen demgemäß umfangreiche zielsprachliche Phänomene
berücksichtigt, Wissensquellen aktiviert und entsprechende Lern- und
Lösungsstrategien gewählt werden. Sowohl aus der Lehr-, wie auch aus der
Forschungsperspektive stellt sich diesbezüglich die Frage, ob Lerner in
gegenseitiger Interaktion hierzu fähig sind. Mit anderen Worten: Sind die
Lerner in der Lage, sich gegenseitig qualitativ hochwertiges Feedback zu
liefern oder bestätigen sie lediglich ihre fehlerhaften L2-Hypothesen? Diese
didaktische „Gretchenfrage der Gruppen- und Partnerarbeit“ soll im folgenden
anhand der qualitativen wie quantitativen Auswertung der
Lerner-Lerner-Interaktionen beantwortet werden.
4.2 Ergebnisse der qualitativen Auswertung
4.2.1 Lernerhypothesen und Wissensressourcen bei der Aufgabenbearbeitung
Transkript 1 zeigt
einen Ausschnitt aus der Bearbeitung der o.g. Textreparaturaufgabe. Das
Lernerpaar Svetlana und Baskhim ist mit der Diskussion des Aufgabensatzes
„Deshalb ich entscheiden haben anderer Mann“ beschäftigt.
Transkript 1, Svetlana & Baskhim[1]
Aufgabensatz: „Deshalb ich
entscheiden haben anderer Mann.“
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
1 S für ander/ anderen Mann ... deshalb
habe ich mich . für anderen Mann
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2 S entschieden ...
genau [schreibt und spricht dabei]
deshalb habe ich
B entschieden
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3 S mich für anderen Mann entschieden+
B
das bleibt entschieden am Ende?
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4 S nein das
ist äh starkes Verb guck mal entscheiden .
B . oder entschiedet?
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5 S und starkes Verb ä::h im Partizip zwei
.. ä::hm . wechselt seine ähm
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6 S Buchstaben in der Mitte .. im Stamm aber Endung bleibt
B ah
ja das weiß ich
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7 S e-n am Ende . zum Beispiel schreiben
schrieb
B entscheiden
entschieden
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8 S schreiben schrieb geschrieben
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Im Laufe der
Satzkonstruktion schlägt Baskhim die Form ‚entschieden‘ als Partizip II des
Verbs ‚entscheiden‘ vor, was von seiner Partnerin akzeptiert und als korrekt
(„entschieden ... genau“; Zeile 2) bewertet wird. Während diese damit
beschäftigt ist, die erzielte Lösung schriftlich festzuhalten, fragt Baskhim noch
einmal nach, ob das zuvor von ihm genannte Partizip anstatt ‚entschieden‘ nicht
‚entschiedet‘ lauten müsste (Zeile 3-4). Svetlana setzt daraufhin zu einer
umfassenden metasprachlichen Erklärung des fraglichen zielsprachlichen
Phänomens an. Dabei liefert sie ihrem Gegenüber nicht nur eine korrekte,
sondern überdies auch didaktisch angemessene metasprachliche Erklärung: Starke
Verben ändern ihren Stammvokal im Partizip II, behalten aber die Endung auf -en
bei (Zeile 4-7). Didaktisch ist diese Erklärung nicht nur bezüglich ihres
Inhalts, sondern auch bezüglich ihrer Formulierung. Schrittweise liefert
Svetlana ihrem Partner Informationen, die dieser als bekannt oder verstanden
ratifiziert („ah ja das weiß ich“; Zeile 6), wobei diese erste Teilinformation
Grundlage der im zweiten Schritt gelieferten gesamten Information ist. Nachdem
Baskhim signalisiert hat, dass er die von seiner Partnerin formulierte Regel
verstanden hat und auf den vorliegenden Fall anzuwenden vermag („entscheiden
entschieden“; Zeile 7), wird die Regel von Svetlana abschließend anhand eines
Beispiels („schreiben schrieb geschrieben“; Zeile 8) veranschaulicht. Damit ist
die „didaktische Sequenz“ abgeschlossen.
Diese Form der
stark kontextualisierten metasprachlichen Erklärung, welche unmittelbar aus der
Lerner-Lerner- sowie Lerner-Lernaufgabe-Interaktion erwächst und sich genau auf
ein dabei zu Tage getretenes Lernproblem – hier: eine auf unsicheren
Wissensbeständen beruhende normabweichende Hypothese über die L2 – bezieht,
kann als in höchstem Maße lernfördernd eingestuft werden. Auch wenn nicht alle
Aushandlungen so explizit ablaufen wie in Transkript 1, zeigt die Sequenz doch
viele für die untersuchten Lerner-Lerner-Interaktionen charakteristische
Merkmale. So verläuft die Aufgabenbearbeitung zunächst objektsprachlich und
wechselt erst auf eine metasprachliche Ebene, als kontroverse L2-Annahmen in
Form abweichender Lösungsvorschläge aufeinandertreffen. Die durch die
dialogische Aufgabenausführung herbeigeführte Notwendigkeit zur Artikulation und
teilweise zur Begründung eigener zielsprachlicher Annahmen kann hierbei zu
einer Sensibilisierung gegenüber eigenen Wissenslücken sowie mehr oder weniger
sicheren L2-Wissensbeständen führen. Zugleich bringt diese Artikulations- und
Begründungsnotwendigkeit eine starke Lernprozessorientierung
mit sich. Neben die Fokussierung des Lernprodukts, d.h. der Aufgabenlösung,
tritt der Lern- und Aufgabenbearbeitungsprozess. Dies ist bedeutsam v.a. im
Hinblick auf die eingangs genannte Lernaufgabenforschung (Börner 1999, 2000)
die belegt, dass viele Lerner (einschließlich erwachsener universitärer
Fremdsprachenlerner) bei der Aufgabenbearbeitung formale, schematische oder
mechanische, also wenig lernfördernde Lösungsstrategien einsetzen, um möglichst
mühelos zu einer zufriedenstellenden Aufgabenlösung zu gelangen. Solche
Reduktionsstrategien sind bei dem o.g. Aufgabentyp kaum möglich. Bei der
dialogischen Bearbeitung eines Aufgabentyps wie sie die genannte
Textreparaturaufgabe darstellt, tritt an die Stelle deduktiver
Grammatikvermittlung eine stärker induktiv orientierte, kontextualisierte und
problemorientierte L2-Wissenserschließung.[2] In Übereinstimmung mit
Fremdsprachenerwerbshypothesen, welche die Bedeutung lernerseitiger
L2-Hypothesenbildung und des Abgleichs dieser Hypothesen mit dem
fremdsprachlichen input betonen
(Ellis 1994; Schmidt 2001), dürfen Lerneraktivitäten, wie sie in Transkript 1
erkennbar werden, als in höchstem Maße sprachlernfördernd angenommen werden.
4.2.2 Vom Wort und Satz zum Text
Neben der Aktivierung
morphologischer (Transkript 1) und syntaktischer Wissensressourcen müssen bei
der Aufgabenbearbeitung auch satzübergreifende Textzusammenhänge in den
Lösungsprozess mit einbezogen werden. Ein Beispiel hierfür ist der Aufgabensatz
„Ich nicht mehr können du verlassen“, der auf dem Bedeutungsunterschied
zwischen dem transitiv verwendeten Verb ‚jdn. verlassen‘ und dem reflexiv
verwendeten ‚sich verlassen + auf‘ basiert. Während die vorgegebenen Wörter
sowohl syntaktisch als auch satzsemantisch beide Konstruktionen erlauben, ist
im satzübergreifenden Kontext – bei dem Text handelt es sich um einen
Abschiedsbrief, mittels dessen eine Frau ihrem Freund die Gründe der von ihr
beschlossenen Trennung erläutert – nur die reflexive Konstruktion möglich.
Transkript 2, Esin & Tamuna
Aufgabensatz: „Ich nicht mehr können
du verlassen.“
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
1 T [liest Aufgabensatz] ich nicht mehr
können du verlassen+ was? . sie möchte
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
2 T nicht oder sie möchte? ich versteh das
nicht .. und sie schreibt [liest folgenden
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
3 T Aufgabensatz] deshalb ich entscheiden
haben anderer Mann+ ..
E verlassen
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
4 T ich nicht mehr können du verlassen ...
E ja
aber das hat andere äh Bedeutung ..
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
5 T
a::::h so: .
E guck mal sich verlassen auf ist anders
. ich vertraue dir nicht
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
6 T sich auf ich kann nicht mehr .. auf dich verlassen . nein ich kann
E okay mich
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
7 T ich kann mich nicht mehr ja? auf dich
verlassen
E
ich kann mich nicht mehr
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Tamuna geht
zunächst von der lernersprachlich näher liegenden transitiven Konstruktion aus,
die sie jedoch nicht mit der von ihr wahrgenommenen Textaussage vereinbaren
kann. Um sich der Korrektheit ihrer Wahrnehmung zu vergewissern, beruft sie
sich nicht nur auf die vorangegangenen Sätze, sondern zieht auch den
nachfolgenden Aufgabensatz heran (Zeile 3). Erst mittels der Erklärung ihrer
Partnerin bezüglich des Bedeutungsunterschieds zwischen der transitiven und
reflexiven Verwendung des Verbs (Zeile 4-5) gelingt es ihr, die intendierte
Satzaussage nachzuvollziehen und die entsprechende Satzkonstruktion zu bilden
(Zeile 5-7). Entscheidend ist jedoch nicht nur, ob es den Lernern gelingt, eine
zielsprachenkonforme Lösung zu finden oder nicht. Bedeutsamer ist der Umstand,
dass der vorgegebene Satz nicht nur auf einer satzinternen Ebene
morphosyntaktisch wie semantisch bearbeitet wird, sondern auch satzübergreifende
Zusammenhänge berücksichtigt und herangezogen werden. Dies bezieht sich sowohl
auf der zu bearbeitenden Struktur vorausgehende als auch nachfolgende
Textteile. Die Verwendung, Reflexion und Manipulation der Zielsprache auf einer
satzinternen wie satzübergreifenden Ebene erfordert eine Steuerung und Lenkung
der Aufmerksamkeit der Lerner auf die Art, wie Form, Bedeutung und Kontext im
Sprachgebrauch interagieren, und darf aus diesem Grund als zuhöchst
lernfördernd angenommen werden.
4.2.3 Von der kognitiven zur sozial-affektiven Ebene
Einen Tag nach
Durchführung der Lerner-Lerner-Interaktionen im Unterricht wurden außerhalb des
Unterrichts retrospektive Lernerinterviews mit den Lernerpaaren des Vortags
erhoben. Diese Interviews waren aufgaben- und interaktionsbezogen, im
Mittelpunkt standen Lernerkognitionen und Lernprozesse. Zugleich wurden jedoch
auch soziale und affektive Aspekte der Partnerarbeit thematisiert. Neben vielen
sehr positiven Rückmeldungen zur Gruppen- und Partnerarbeit kam es dabei auch
zu einigen kritischen und differenzierten Einschätzungen:
Transkript 3, Elena & Çetin
1 JE zuerst mal eine ganz allgemeine Frage zu
der Aufgabe gestern
2 .
war das einfach oder schwierig?
3 E für mich das war zu schwer weil ich habe
Çetin eben erst kennen gelernt
4 .
er war für mich ganz neu
5 JE mhm
6 E ja aber ich fühle mich trotzdem wohl
Transkript 4, Nancy & Joanna
1 JE wie war das gestern? .. wie war euer
Eindruck von der Aufgabe?
2 J war interessant und hat Spaß gemacht nicht
langweilig
3 N beim zweiten Mal habe ich viel gelernt
wegen dem Vergleich und
4 beim
zweiten Mal habe ich gut gemacht das .....
5 aber
Gruppenarbeit ist immer schwer das Umgehen mit anderen Menschen
6 ist
immer schwer . manchmal es gibt impulsive Menschen die ihre oder
7 seine
Meinung so mach so . das lässt vielleicht jemand nicht auf Grammatik
8
konzentrieren
sondern über wie es ist in dieser Gruppe
Es ist
offensichtlich, dass Gruppen- und Partnerarbeit von der personenbezogenen
Konstellation abhängig ist; ob diese „funktioniert“, ist von einer Vielzahl
sozio-psychologischer Faktoren beeinflusst. Dies ist jedoch keine
grundsätzliche Eigenart der Lerner-Lerner-Interaktion, auch wenn im Plenum der
Lehrer mehr „Kontrolle“ über dominante Lerner hat. Ein anderer Aspekt erscheint
mir in diesem Zusammenhang wichtiger. In der Lerner-Lerner-Interaktion begegnen
sich nicht nur „neue“ (im Sinne von „unbekannte“, Transkript 3) oder
unterschiedlich „impulsive“ (Transkript 4) Lerner, sondern vor allem auch Lerner
mit unterschiedlichen Lernkulturen. Unter Lernkultur wird hierbei ein
subjektives Sprachlernkonzept verstanden, das kulturell, institutionell und
individuell geprägt ist und die persönliche Sprachlernbiographie widerspiegelt.
Die Auswertung der Lerner-Lerner-Interaktionen hinsichtlich unterschiedlicher
Lernkulturen weist über das ursprüngliche Erkenntnisinteresse der Untersuchung
hinaus und erfolgt im Rahmen einer Reanalyse der Interaktions- und
Retrospektionstranskripte. Lautete die Fragestellung der ursprünglichen
Untersuchung (Eckerth 2003b): Profitieren die Lerner in der aufgabenbasierten
Interaktion vom Austausch ihrer jeweils fragmentarischen L2-Wissensbestände?,
so lautet diese innerhalb der Reanalyse (Eckerth 2003c): Profitieren die Lerner
in der aufgabenbasierten Interaktion von der Begegnung mit anderen Lernkulturen
und vom Austausch unterschiedlicher Sprachlernkonzepte auf einer unmittelbar
handlungsbezogenen Ebene, d.h. bei der Bearbeitung der o.g. Lernaufgaben? Erste
in Form einer Fallstudie erzielte Ergebnisse weisen darauf hin, dass dies dann
der Fall sein kann, wenn die Lerner bemüht sind, sich auf die Lernpräferenzen
ihres Partners einzulassen. So beklagt sich die eher global orientierte
Lernerin Nazan zu Beginn ihrer Zusammenarbeit über die häufigen
metasprachlichen Nachfragen ihres sehr analytisch orientierten Lernpartners
Bakary und bemerkt, dass dies die Zusammenarbeit erschwere, da sie seine
expliziten grammatischen Nachfragen oft nicht beantworten könne („zuerst ich
dachte ich kann nicht mit ihm arbeiten weil äh . ich kann nicht so gut erklären
deutsche Grammatik“). Ihren Äußerungen in einem zwei Wochen später
durchgeführten retrospektiven Interview sind zu entnehmen, dass sie sich
inzwischen nicht nur an die analytische Lernorientierung ihres
Interaktionspartners gewöhnt hat, sondern dieser auch positive Aspekte für ihr
eigenes Lernverhalten abgewinnen kann („ich versuche jetzt ein bisschen zu
denken wie Bakary .. das ist schwer aber ich merke ist auch gut für mich weil
äh .. manchmal du hast Gefühl . Sprachgefühl aber manchmal ist Gefühl auch
nicht sicher“). Die Interaktion mit ihrem Lernpartner und die
Auseinandersetzung mit dessen Lernorientierung, einer von ihrer eigenen
Orientierung abweichenden, hat somit zu einer Bewusstwerdung und teilweisen
Ausweitung ihrer eigenen Lernpräferenzen sowie, um auf die Terminologie der
Lernstilforschung zurückzugreifen, zu einer Ausweitung ihrer „komfortablen
Zone“ (Scarcella & Oxford 1992: 63) geführt. Zugleich wirft die berichtete
Fallstudie die Frage auf, ob und wie Lerner mit unterschiedlichen Lernstilen
mittels der dyadischen Aufgabenbearbeitung systematisch zusammengeführt werden
sollten. Welcher Bedeutung hierbei wechselwirksamen situativen und
individuellen Faktoren zukommt, sollte verstärkt Gegenstand weiterer
empirischer Forschung werden.
4.3 Ergebnisse der quantitativen Auswertung
4.3.1 Aufgabenspezifische Testverfahren
Wurde das Konstrukt
Lernerfolg innerhalb des explorativ-interpretativen Untersuchungsteils mittels Erwerbsprozessen
wie der Aktivierung, Bearbeitung und Umstrukturierung vorhandenen sowie der
Generierung neuen Wissens gefasst, erfolgte dies innerhalb des
analytisch-nomologischen Teils mittels Wissensständen, verstanden als Zuwachs
an explizitem L2-Wissen bezüglich der von der Aufgabenstellung fokussierten
Zielstrukturen. Die aufgabenspezifischen Testverfahren, die diesen Lernzuwachs
messen, werden zu drei Zeitpunkten durchgeführt: unmittelbar vor den
Interaktionen (Prätest), direkt danach (Posttest) sowie eine Woche später
(Folgetest). Nicht auf der Lerner-Lerner-Interaktion beruhende Lernzuwächse wie
Praxis- und Sequenzierungseffekte werden als Kontrollvariable erfasst und
mittels eines gesonderten Testteils operationalisiert.[3] Gefragt wurde danach, ob und inwiefern die
aufgabenbasierte Lerner-Lerner-Interaktion zu einem kurz- wie mittelfristigen
Lerneffekt führt und welchen Einfluss das fremdsprachliche Ausgangsniveau dabei
hat.
Die zur
Beantwortung dieser beiden Forschungsfragen durchgeführte zweifaktorielle
Varianzanalyse mit Messwiederholung ergab sehr signifikante
Mittelwertsunterschiede und starke Effekte für den Faktor Zeit (F = 51,774,
p<0,001, h2 = 0,641) als auch für den Faktor Kursniveau (F =
20,872, p<0,001, h2
= 0,419).[4] Mittels einer Messung der Kontraste zwischen den Abstufungen des Faktors
Zeit konnte dieses Ergebnis präzisiert werden, als sehr signifikant erwiesen
sich die Unterschiede zwischen Prä- und Post- sowie zwischen Prä- und Folgetest
(FPrä-Post = 93,181, FPrä-Folge = 48,163, p<0,001),
nicht jedoch zwischen Post- und Folgetest. Diese Werte belegen damit einen
deutlichen kurz- wie mittelfristigen, kursniveauübergreifenden Lernzuwachs
infolge der aufgabenbasierten Lerner-Lerner-Interaktionen.
Einschränkend gilt
jedoch für herkömmliche Testverfahren wie das berichtete, dass sie lediglich
die als Lernziel und Testinhalt a priori festgelegten L2-Aspekte zu erfassen in
der Lage sind. Inwiefern in den aufgabenbasierten Lerner-Lerner-Interaktionen
weitere, außerhalb der von der Aufgabenstellung fokussierten Zielstrukturen
liegende L2-Aspekte thematisiert, ausgehandelt und gelernt wurden, konnte
anhand eines zweiten, eigens entwickelten dyadenspezifischen Testformats
erfasst werden.
4.3.2 Dyadenspezifische Testverfahren: Das Konstrukt Individuelle Lernerhypothesen
Sowohl der
integrative Charakter der Lernaufgaben als auch deren interaktive und
kooperative Bearbeitung in Lernerdyaden bieten eine Vielzahl über den engeren
morphosyntaktischen Fokus der Aufgaben hinausgehende L2-Lerngelegenheiten. Dies
verdeutlicht exemplarisch Transkript 1, der dort ausgehandelte L2-Aspekt gehört
nicht zum grammatischen Schwerpunkt der Lernaufgabe und wird somit nicht im
aufgabenspezifischen Test erfasst. Die solchen lernergenerierten und damit
unvorhersehbaren Lerngelegenheiten zugrunde liegenden, in der Interaktion
thematisierten und ausgehandelten L2-Phänomene können nicht prospektiv
antizipiert, sondern müssen anhand jedes einzelnen Interaktionstranskriptes
retrospektiv identifiziert und rekonstruiert werden.
Diese als
„Individuelle Lernerhypothesen“ bezeichneten L2-Aspekte werden im zweiten,
dyadenspezifischen Teil des Folgetests abgefragt, d.h., dieser Testteil ist für
jede Lernerdyade „maßgeschneidert“. Das
Konstrukt „Individuelle Lernerhypothesen“ wird hierbei wie folgt definiert:
1. Individuelle Lernerhypothesen stellen Lerneräußerungen dar, bei denen, über
die reine Wissensaffirmation hinausgehend, sprachstrukturelle L2-Aspekte
kontrovers diskutiert werden.
2. Sie sind nicht bereits im aufgabenspezifischen Prä-Post-Folgetest erfasst.
Um von einer
Äußerung möglichst unzweideutig auf die ihr zugrunde liegende L2-Hypothese zu
schließen, ist das Prädikat ‚kontrovers diskutiert‘ notwendig. Dies ist bei
rein affirmativen Interaktionssequenzen (Lerner A: Präteritum von denken äh dachte; Lerner B: mhm dachte) nicht oder nicht zweifelsfrei möglich. Nach deren
Identifikation in den Interaktionstranskripten wurde für jeden
konstruktkonformen L2-Aspekt eine entsprechende Testfrage für den eine Woche
nach der jeweiligen Interaktion durchgeführten dyadenspezifischen Folgetest
formuliert.
Bei der Auswertung
des Korpus von 127 Individuellen Lernerhypothesen wird zwischen drei
Analyseebenen unterschieden. Zunächst werden Lernprodukte fokussiert und
verglichen. Hierbei wird gefragt, inwiefern die gemeinsam erarbeiteten
schriftlichen Aufgabenlösungen mit den individuellen Lösungen des Folgetests
übereinstimmen (1., s.u.). In einem zweiten Schritt stehen die von den
einzelnen Lernpartnern in der Interaktion artikulierten Hypothesen, also
Lernprozesse, im Mittelpunkt. Hier wird der Frage nachgegangen, in welchem
Ausmaß die ursprünglich geäußerten Individuellen Lernerhypothesen im Folgetest
normgerecht bzw. normabweichend revidiert oder unverändert beibehalten wurden (2.).
Schließlich werden die Interaktionsbedingungen, die den normgerechten
Folgetestrevisionen vorausgingen, näher betrachtet und gefragt, inwiefern der
im Folgetest belegte Lernzuwachs unmittelbar oder mittelbar auf die
vorausgehende Interaktion zurückgeführt werden kann (3.). Diese Auswertung
ergab folgende, hier stark verkürzt dargestellten Ergebnisse:[5]
1.
Die Übereinstimmung zwischen korrekter Aufgabenlösung und korrekter
Testlösung (85%) liegt sehr viel höher als die zwischen inkorrekter
Aufgabenlösung und inkorrekter Testlösung (28%), da Letztere auf tendenziell
unsicheren und permeablen L2-Wissensbeständen beruhen.
2.
Die in der Interaktion artikulierten Individuellen Lernerhypothesen wurden
im dyadenspezifischen Folgetest a) nicht-zielsprachenkonform revidiert (1%), b)
nicht revidiert (61%) und c) zielsprachenkonform revidiert (38%).
3.
Diese zielsprachenkonformen Revisionen konnten in 78% aller Fälle auf
Lerngelegenheiten innerhalb, in 22% auf Lerngelegenheiten außerhalb der
Interaktion (Rückgriff auf externe Informationsquellen) zurückgeführt werden.
Zusammenfassend
kann gesagt werden, dass die dialogische Aufgabenbearbeitung in großem Maße
auch zur Formulierung, Begründung und Aushandlung von L2-Hypothesen führt, die
außerhalb des sprachlichen Schwerpunkts und eigentlichen Lernziels der Aufgabe
liegen. In mehr als einem Drittel dieser Aushandlungen werden ursprünglich
nicht-zielsprachenkonforme L2-Wissensbestände durch zielsprachenkonforme
ersetzt und mittelfristig internalisiert. Dort, wo beide Lerner L2-Wissenlücken
aufwiesen, hat die dialogische Aufgabenbearbeitung Lernaktivitäten außerhalb
der Interaktion bzw. des Unterrichts stimuliert.[6]
5. Didaktische Implikationen: Von der Forschungswerkstatt zurück ins Klassenzimmer
Wenn zu Zwecken
einer im Fremdsprachenunterricht angesiedelten Untersuchung Lernaufgaben
entwickelt und evaluiert werden, mag aus didaktischer Perspektive zunächst die
Frage im Vordergrund stehen, ob diese Aufgaben für den regulären Unterricht
empfohlen werden können. Auf der Grundlage der vorliegenden Ergebnisse möchte
ich diese Frage eindeutig positiv beantworten. Diese Bewertung steht überdies
im Einklang mit der durchweg sehr positiven Einschätzung der Aufgaben durch
alle Lehrkräfte, bei denen diese Aufgaben durchgeführt wurden. Die innerhalb
der Untersuchung entwickelten dyadischen, kommunikativ und sprachstrukturell
orientierten Lernaufgaben dürfen somit als unbedingt spracherwerbsfördernd
angesehen werden.
Dort, wo eine
empirische Lernaufgabenforschung der Frage nachgeht, wie Lerner Aufgaben
ausführen, kommt diese bisweilen zu ernüchternden Ergebnissen. So kommentieren
in Börners (2000: 329) Untersuchung zwei Lerner die bearbeiteten
Lehrwerksaufgaben (Ergänzungs- und Umformungsaufgaben zu Präpositionen und
Personalpronomen) mit den Worten „Tja, ich muss nicht wissen, was das bedeutet,
das ist schon mal gut. Ist ja immer so bei Grammatikaufgaben“ und „Is nämlich
so nett gemacht wie in vielen Workbooks, man kann einfach nach so’m Schema F
arbeiten“. Wie zuvor deutlich wurde, ist ein solchermaßen formales und
schematisches Bearbeiten und Lösen bei den Textreparaturaufgaben kaum möglich.
An die Stelle der isolierten Anwendung einzelner grammatischer Regeln – „Man äh
fängt an, denkt über die ersten drei drei vier Sätze nach und fängt dann irgendwie
an, mechanisch weiter auszufüllen“ (Börner 2000: 331) – tritt die Interaktion
und Integration vielfältiger Wissensquellen. Hierbei müssen zur erfolgreichen
Aufgabenlösung satzinterne wie satzübergreifende Bedeutungen und
Sinnzusammenhänge miteinbezogen werden. Der „kommunikative Anstrich“, den
inzwischen eine Vielzahl grammatischer Aufgaben vorweisen, wird so zum
essentiellen Bestandteil der Aufgabe selbst. Nur mittels der Berücksichtigung
der kommunikativen Funktion des zu bearbeitenden Textes können die einzelnen
grammatischen Formen und Strukturen adäquat umgeformt und zu einem sinn- und
bedeutungsvollen Text zusammengefügt werden. Das Einüben und Bewusstwerden
solcher Form-Funktionsbeziehungen mittels entdeckenden und experimentierenden
Lernens erscheint hierbei als eine der wesentlichen Eigenschaften der
entwickelten Aufgaben.
Die entwickelten
Aufgaben unterscheiden sich hinsichtlich der durch sie stimulierten
Lerner-Lerner-Interaktionen nicht nur von grammatikalischen Übungen, bei denen
die kommunikative Funktion des Textes oder der zu bearbeitenden Struktur zur
Aufgabenlösung nicht unbedingt berücksichtigt werden muss, sondern auch
deutlich von referentiellen Kommunikationsaufgaben
(Informationslückenaufgaben), die nicht auf das Unterrichtsgeschehen oder das
Fremdsprachenlernen selbst bezogen sind. Ausgehend von der Beschreibung einer
fiktiven Situation – plane crash
(Porter 1986), heart transplant (Pica
& Doughty 1985) oder nuclear war
(Plough & Gass 1993) – müssen hierbei Entscheidungen zur Problemlösung
getroffen werden.[7] Zu dieser Art der Interaktion bemerkt Wolff:
Eine authentische
Interaktion ist eine sinnhafte Interaktion. Sie ist möglich mit
Muttersprachlern der fremden Sprache, aber auch mit dem Lehrer und mit den
Mitschülern. (...) Wenn pseudoreale oder pseudofiktive Inhalte zum Gegenstand
der Kommunikation gemacht werden, dann ist sie nicht mehr authentisch. Es ist
sinnvoller, im Fremdsprachenunterricht in der fremden Sprache über das Lernen
von Vokabeln zu sprechen als über den Stadtplan einer fiktiven Stadt. (Wolff
1997: 177)
„Authentisch“
interpretiere ich hierbei als auf die Lern- und Verwendungskontexte bezogen,
innerhalb deren die fremde Sprache erworben und gebraucht wird. Verwendungskontexte werden
berücksichtigt wenn, wie es in den untersuchten studienvorbereitenden
DaF-Kursen oft der Fall ist, der eigene kulturelle Hintergrund sowie das
angestrebte Studienfach thematisiert werden. Lernkontexte hingegen werden dann berücksichtigt, wenn das Erlernen
der Fremdsprache selbst zum Unterrichtsgegenstand wird. Nicht nur sporadisch,
aus dem Unterrichtsgespräch erwachsend (vgl. die Analyse sprachbezogener
Lernerfragen, Eckerth 1998), sondern systematisch und auf ausgewählte
L2-Strukturen fokussiert, ermöglichen dies die für die vorliegende Untersuchung
entwickelten Textreparaturaufgaben. Authentisch und relevant ist die bei der
dialogischen Bearbeitung solcher sprachreflexiver Lernaufgaben entstehende
„Zielsprachliche Kommunikation über Grammatik im Fremdsprachenunterricht“
(Eckerth 2000) insofern, als dabei nicht – wie bei referentiellen
Kommunikationsaufgaben – über fiktive Ereignisse, sondern über reale
L2-Lerninteressen und -probleme gesprochen wird. Wie die Interaktionsprotokolle
zeigten, interagieren die Lerner hierbei in vielfältiger Weise: Neben
objektsprachlichen Aushandlungen stehen knappe metasprachliche Begründungen
sowie umfassendere Erklärungen. Dabei kann der erklärende Lerner vorübergehend
eine „didaktische“ Rolle einnehmen, indem er versucht, mit an das Lernproblem
und das Kenntnisniveau des Partners angepassten Erklärungen auf dessen
Lernschwierigkeit einzugehen. Ausgegangen werden kann somit von einem
Lernpotenzial sowohl für den (momentan) kompetenteren als auch den weniger
kompetenten Lerner.
Dem Adressaten der
Erklärung bieten solche Sequenzen die Möglichkeit, mittels didaktisch, d.h.
einfach und damit tendenziell vergessensresistent formulierter metasprachlicher
Regeln seine nicht zielsprachenkonformen, unsicheren oder lückenhaften
L2-Wissensbestände zu korrigieren, strukturieren, ergänzen und zu festigen.
Dabei müssen die im Vergleich zur Lehrkraft begrenzten zielsprachlichen
Fähigkeiten der Lerner bei der Formulierung einer solchen Regel nicht von
Nachteil sein. Im Gegenteil kann eine solche, den nicht muttersprachlichen
Hörverstehensfertigkeiten der Rezipienten entsprechende und somit angepasste
Kompetenz mitunter von Vorteil sein. Des Weiteren darf diese Form der stark
kontextualisierten metasprachlichen Erklärung, welche unmittelbar aus der
Lerner-Lerner-Interaktion erwächst und sich genau auf ein dabei zu Tage
getretenes Lernproblem bezieht, als in höchstem Maße lernfördernd eingestuft
werden.[8] Damit machen die Interaktionssequenzen aber auch
deutlich, dass es in sprachreflexiven Lerner-Lerner-Interaktionen nicht unbedingt
erforderlich ist, Lerner mit ähnlichem L2-Niveau oder vergleichbaren
metasprachlichen Fähigkeiten zusammenarbeiten zu lassen. Vielmehr können auch
dort Lerngelegenheiten für beide Lerner angenommen werden, wo Lerner
unterschiedlicher Kompetenzen aufeinander treffen. So kann in den genannten
Sequenzen nicht nur der jeweils schwächere Lerner von den metasprachlichen
Erklärungen des Partners profitieren. Auch dem kompetenteren der beiden Lerner
bieten solche Erklärungen die Möglichkeit, sein entsprechendes L2-Wissen zu
reflektieren und so auf etwaige Lücken, Vagheiten oder Unsicherheiten
aufmerksam zu werden. Zudem scheint die „didaktische“ Rolle, die der
kompetentere Lernpartner zuweilen einnimmt (Transkript 1), insofern
lernfördernd zu sein, als er sein L2-Wissen, das er für sich strukturiert und
internalisiert hat, nun didaktisieren, d.h. für seinen Lernpartner aufbereiten
muss und so einen sichereren und flexibleren Umgang mit dem Lernstoff
entwickeln kann.[9]
In Hinsicht auf die
metasprachliche Kommunikationsebene belegen diese Ergebnisse somit, dass Lerner
sehr wohl in der Lage sind, sich gegenseitig qualitativ angemessene
Rückmeldungen auf ihre Lösungsvorschläge und zielsprachlichen Annahmen zu
liefern. Selbstverständlich ist die Gültigkeit dieser Ergebnisse teilweise
begrenzt auf die lerner- und institutionsspezifischen Kontexte, innerhalb derer
sie erzielt wurden. Eine eingehendere Erforschung von
Lerner-Lerner-Interaktionen in anderen Ausprägungen des
Fremdsprachenunterrichts scheint daher dringend geboten.[10]
Wenn eine solche
Form der eigenständigen sprachreflexiven Partnerarbeit positiv bewertet wird,
darf zugleich nicht verkannt werden, dass die Lehrkraft damit weiterhin in
einer großen Verantwortung für das Unterrichts- und Lerngeschehen verbleibt. Dies
betrifft nicht nur die Phase der Aufgabennachbereitung, sondern auch deren
Planung, Vorbereitung und Einführung. Ziel dieser Aktivitäten ist dabei
hauptsächlich zweierlei: erstens, das Interesse und die Konzentration der
Lerner tendenziell weg vom Lernprodukt (der Aufgabenlösung) stärker auf den
Lernprozess (die Aufgabenbearbeitung) zu lenken, und zweitens, den Lernern das
Bewusstsein für ihre Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu vermitteln.
Dies ist möglich
mittels eines didaktischen Zyklus, bei dem nicht allein die
Aufgabendurchführung im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens steht und deren
Vor- und Nachbereitung eher beiläufig und auf einer Ad-hoc-Basis erfolgt,
sondern von vornherein geplant und strukturiert wird. Zu beachten ist dabei, dass
den Lernern nicht definierte Aufgabenstellungen, Arbeitsanweisungen und
Zielvorgaben zugewiesen werden, sondern dass sie bei der Auswahl, Gestaltung
und Evaluierung von Aufgaben eine möglichst aktive Rolle übernehmen. Dies
bedeutet z.B., dass im Anschluss an die Vorstellung einer bestimmten Aufgabe
ausgewählte Eigenschaften der Aufgabe – zielsprachliche Formen und Strukturen,
kommunikative Funktionen, Wege der Lösungsfindung, Lernziele etc. – im
Klassenverband oder in Partnerarbeit gemeinsam erarbeitet, reflektiert und, in
Hinsicht auf individuelle Lerninteressen und -gewohnheiten sowie
zielsprachliche Defizite, evaluiert werden. Ein mögliches (oder gar
wahrscheinliches) Ergebnis einer solchen Reflexion ist unter Umständen, dass
verschiedene Lerner verschiedene Zugänge zu einer Lernaufgabe gewinnen und
gemäß ihren zuvor festgestellten Lernstärken und -schwächen unterschiedliche
Schwerpunkte bei der Aufgabenbearbeitung setzen werden. Eine solche
aufgabenvorbereitende Diskussion hätte tendenziell den Charakter eines
Lernberatungsgesprächs, bei dem z.B. auch Elemente subjektiver
Sprachlernkonzepte (Eckerth 2003c) expliziert und zum Ausgangspunkt der
Aufgabenbearbeitung gemacht werden können.
Ebenso
prozessorientiert wie die Vor- kann auch die Nachbereitung der
Aufgabenbearbeitung erfolgen. Wenn die Aufgabenausführung, wie es bei den
vorliegenden Aufgaben der Fall ist, mittels kontrovers diskutierter
Lösungsvorschläge zu einer Destabilisierung bestimmter, vor allem unsicherer
oder vager lernersprachlicher Wissensbestände führt, ist eine unmittelbare
lehrerseitige Rückmeldung auf die L2-Annahmen von besonderer Bedeutung. Jedoch
haben die Untersuchungsergebnisse gezeigt, dass die Verweigerung eines solchen
unmittelbaren Feedbacks auch Neugier und damit Eigenlernaktivitäten der Lerner
in Form eines Weiterlernens über den Unterrichts hinaus herauszufordern vermag.
Aus diesem Grund wäre es ebenfalls denkbar, die Lerner nach der
Aufgabenbearbeitung aufzufordern, L2- und aufgabenbezogene Fragen, Vermutungen
und Unsicherheiten zu notieren, außerhalb des Unterrichts selbstständig zu
klären und erst am nächsten Tag mittels einer Plenumsbesprechung im Unterricht
zu evaluieren. Unabhängig davon, ob diese Evaluation unmittelbar oder zeitlich
verzögert stattfindet, sollte sie nicht von den korrekten, von der Lehrkraft
vorgegebenen Musterlösungen, sondern vielmehr von den während der
Aufgabenbearbeitung erarbeiteten Fragestellungen, Hypothesen und
Lösungsvorschlägen der Lerner ausgehen. Hierbei kann anhand der Argumentationen
und Lösungsbegründungen der Lerner, die zuvor in Partnerarbeit und nun im
Klassenverband artikuliert werden, die unterschiedliche Qualität bestimmter
Lösungswege aufgezeigt werden.[11]
Deutlich wird bei
all diesen Vorschlägen, Optionen und Handlungsempfehlungen, dass sich hier ein
reiches Betätigungsfeld auftut für Lehrkräfte, die im Sinne der
Handlungsforschung ihr eigenes Wirkungsfeld explorieren und optimieren möchten.
Über die engeren Ziele der Handlungsforschung hinaus können solche Bemühungen
nicht nur zu einer Verbesserung von Unterrichtsmaterialien und deren Anpassung
an bestimmte Zielgruppen führen, sie bieten auch wertvolle Ansatzpunkte und
Hinweise für eine systematische Lernaufgabenforschung. Ebenfalls involviert in
diesen Entwicklungs- und Evaluationsprozess sind Lehrwerkautoren, die, wie
Koenig (1999: 88) fordert, „Wissen über Sprachlernprozesse konsequenter in den
Materialien umsetzen“ sollten. Wie Koenig (ebd.) ebenfalls zeigt, ist die
stärkere aktive Einbeziehung der Lerner bei der Auswahl, Gestaltung und
Evaluierung von Unterrichtsmaterialien in einigen Lehrwerken, vor allem im
Bereich DaF, bereits ansatzweise realisiert, ohne dass dies jedoch, ebenso
wenig wie die zahlreichen didaktischen Vorschläge für einen handlungs- und
projektorientierten Fremdsprachenunterricht (z.B. Bach & Timm 1989; Legutke
& Thomas 1991; Bimmel et al. 1994)) von einer entsprechenden empirischen
Lernaufgabenforschung begleitet wäre. Eine unterrichtsbasierte, prozess- wie
produktorientierte Interaktions- und Lernaufgabenforschung könnte diese
Unterrichtsempfehlungen empirisch absichern, relativieren oder widerlegen. Sie
wäre zugleich geeignet, die Praxisrelevanz der Fremdsprachenforschung zu
befördern, die in der Fremdsprachenlehre Tätigen stärker in die
Forschungsbemühungen und -ergebnisse miteinzubeziehen und so die
partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Forschenden und Lehrenden zu
intensivieren.
Ein solches Ziel
erfordert u.a. auch eine stärkere Transparenz gegenüber den am
Forschungsprozess Beteiligten. Wenn Lehrende, wie dies in der Vergangenheit oft
der Fall war, innerhalb der Fremdsprachenforschung nicht nur als „eine Variable im ‚Faktorenkomplex
Fremdsprachenunterricht‘“ (Duxa 2000: 231) in den Blick genommen und mit
anderen Variablen korreliert werden, sondern anstatt in einer Objektrolle als
reflexiv handelnde Personen wahrgenommen werden sollen, dann ist zuallererst
mehr Transparenz gegenüber den in eine Untersuchung involvierten Lehrenden
anzustreben. Obwohl in der vorliegenden Untersuchung weniger Lehr- und Lehrerverhalten,
sondern vor allem Lerner-Lerner-Interaktionen im Zentrum des
Erkenntnisinteresses standen, gilt das Gütekriterium der Transparenz gegenüber
allen am Forschungsprozess Beteiligten (vgl. Aguado 2000) auch hier: Die
Notwendigkeit, Zwecke und Ziele des eigenen Handelns weitgehend aufzudecken,
gilt unabhängig von Untersuchungsgegenstand und Erkenntnisinteresse. Welchen
Stellenwert dies in der subjektiven Wahrnehmung der Beteiligten einnimmt, mögen
folgende Zitate belegen. So äußert eine der Lehrkräfte in einem die
Untersuchung begleitenden Gespräch: „Man kann alles mit den Studenten machen,
solange man ihnen gegenüber offen sagt, was man vorhat, und nicht versucht,
irgendwas hintenrum laufen zu lassen.“ Ihr eigenes Verhältnis zur
durchgeführten Untersuchung schildert diese DaF-Lehrerin nach Abschluss der
Untersuchung mit den Worten: „So habe ich mir die Sprachlehrforschung immer
vorgestellt. Das ermutigt mich, in Zukunft mit eigenen Fragen auf dich
zuzugehen, ob man dies oder das nicht genauer untersuchen könnte.“ Eine solche
Äußerung betrachte ich auch als Hinweis darauf, welche Augenscheinvalidität und
didaktische Plausibilität eine komplexe Untersuchungsanordnung mittels des
Bemühens um größere Transparenz bezüglich der eigenen Intentionen, Ziele und
Zwecke erreichen kann. Ich möchte sie zugleich als Aufforderung verstehen,
weiterhin und verstärkt eine enge Partnerschaft und Kooperation zwischen den in
der Fremdsprachenlehre und in der empirischen Fremdsprachenforschung Tätigen zu
suchen.
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Biographische Angaben
Johannes Eckerth,
Dr. phil ist nach Lehr- und Forschungstätigkeiten an den
sprachwissenschaftlichen Instituten der Universitäten Utrecht, Hamburg, Berlin
und Leipzig zur Zeit als wissenschaftlicher Assistent am Institut für
Allgemeine und Angewandte Sprachwissenschaft, Abteilung Sprachlehrforschung der
Universität Hamburg tätig. Schwerpunkte seiner Forschung und Lehre sind
kognitive und affektive Aspekte des Fremdsprachenerwerbs, methodologische
Probleme der Fremdsprachenforschung sowie Didaktik des
Deutsch-als-Fremdsprache-Unterrichts.
[1] Transkriptionskonventionen: S, B = Initialen der Interaktanten; . =
Sprechpause, ca 1 Sek. pro Punkt; ? = steigende Abschlussintonation; ander/
= Abbruch; ä::hm = vokalisches Zögern; [ ] = Kommentar zu nachfolgendem
Redebeitrag, aufgehoben durch +.
[2] Kontrastiert wird hier also deduktive mit induktiver Grammatikvermittlung,
unabhängig von der Sozialform, innerhalb derer diese stattfindet. Zu Stärken
und Schwächen induktiver vs. deduktiver Grammatikvermittlung vgl. Schlak
(2003).
[3] Dieser anhand eines t-Tests für abhängige Stichproben ausgewertete
Testteil ergab keine signifikanten Mittelwertunterschiede.
[4] Zwischen den beiden Faktoren Zeit und Kurs besteht keine signifikante
Wechselwirkung (F=0,415, p=0,662).
[5] Für eine detaillierte Diskussion der Definition, Operationalisierung
und Auswertung des Konstrukts der Individuellen Lernerhypothesen vgl. Eckerth
(2002).
[6] Vgl. hierzu auch Eckerth (2003d), wo auf der Basis empirischer Daten
ein kognitiv-diskursives Modell des Fremdsprachenerwerbs als Prozess der
lernerseitigen Hypothesenbildung und -überprüfung entwickelt wird.
[7] Nicht nur in der anglophonen Fremdsprachenforschung und -lehre, auch
im DaF- und Fremdsprachenunterricht im deutschsprachigen Raum sind solche
Informationslückenaufgaben sehr verbreitet, wie z.B. das populäre Unterrichtsmaterial
„Wechselspiel“ (Dreke & Lind 1989 für DaF, Parallelausgaben auch für
Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch) belegt.
[8] Wie in Abschnitt 4.3.2 dargelegt, sind lernerseitige Abweichungen von
ursprünglich zielsprachenkonformen zugunsten nicht-zielsprachenkonformer
L2-Hypothesen empirisch so gut wie nicht belegt (lediglich 1% aller „Individueller
Lernerhypothesen“); sie können damit methodologisch und didaktisch vernachlässigt
werden.
[9] Dabei bietet Partnerarbeit gegenüber Kleingruppenarbeit den Vorteil,
dass es einzelnen Lernern kaum möglich ist, sich weitgehend aus der Interaktion
zurückzuziehen. Vgl. hierzu z.B. Foster (1998), die Interaktionsstruktur
und Redeverteilung bei Kleingruppen- und Partnerarbeit vergleicht. Der Gebrauch
der L1 in Gruppen- und Partnerarbeit sowie weitere didaktische und unterrichtspraktische
Einwände gegen diese Sozialformen werden ausführlich von Schwerdtfeger (2001)
diskutiert.
[10] Auf dieses Desiderat hat unlängst Vollmer (2000: 266) in Hinblick auf
den bilingualen Sachfachunterricht hingewiesen.
[11] Vgl. die bei Rampillon (2000) formulierten unterrichtspraktischen Vorschläge,
bei denen die Funktion der Selbstevaluation als Auslöser für vielfältige
Lernprozesse und Einsichten in individuelle Lernwege betont wird.