Entwicklung, Einsatz und Evaluierung von Lernaufgaben –
Von der Fremdsprachenforschung zur Unterrichtspraxis

 

Johannes Eckerth, Hamburg

 

Obwohl Partnerarbeit wie auch der Einsatz von Lernaufgaben zu den gängigen Steuerungs- und Differenzierungsinstrumentarien der Fremdsprachendidaktik gehören, kann die deutschsprachige Fremdsprachenforschung keine diesbezüglichen empirischen Studien vorweisen. Vor diesem Hintergrund stellt der folgende Artikel eine quasi-longitudinale Untersuchung aufgabenbasierter Lerner-Lerner-Interaktionen im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht vor, die sowohl die Interaktionsstrukturen als auch die damit verbundenen kognitiven Anforderungen einer solchen Lernaktivität thematisiert. Mittels der Triangulation qualitativer und quantitativer Daten verfolgt die Studie zwei Ziele: Erstens, die Analyse der durch die Lerner-Lerner-Interaktionen hervorgerufenen Lernprozesse und Lernpotenziale, und zweitens, die Erfassung des hieraus resultierenden Zuwachses an explizitem grammatischen Wissen. Abschließend werden auf der Grundlage dieser empirischen Ergebnisse die innerhalb der Untersuchung entwickelten Lernaufgaben diskutiert und didaktische Empfehlungen bezüglich ihres Einsatzes im Fremdsprachenunterricht formuliert.

 

1. Einleitung

Die deutschsprachige empirische Fremdsprachenforschung ist in der Breite der von ihr bearbeiteten Untersuchungsfelder noch immer sehr lückenhaft, so dass es unschwer möglich ist, auf entsprechende Defizite hinzuweisen und hieraus abgeleitet diesbezügliche Desiderata zu formulieren. Zwei solcher für die Erforschung wie für die Praxis des Fremdsprachenlehrens und -lernens relevante Forschungsdefizite betreffen 1. die empirische Erforschung von Gruppen- und Partnerarbeit im Fremdsprachenunterricht sowie 2. eine empirische, prozess- und produktorientierte Lernaufgabenforschung. Im Folgenden sollen diese Forschungsdefizite dargelegt sowie eine Untersuchung vorgestellt werden, die diese Lücken zu schließen versucht. Vor dem Hintergrund der in der Fremdsprachenforschung und -lehre diskutierten Notwendigkeit zu kommunikativen und explizit-metasprachlichen Unterrichtsphasen (z.B. Ellis 1994; Henrici 1998) wurden im Rahmen einer empirischen Untersuchung im DaF-Unterricht kommunikativ und sprachstrukturell orientierte dyadische Lernaufgaben entwickelt.

Diese werden als eine didaktische Möglichkeit betrachtet, explizite verständnis- und produktionssichernde Verfahren – eingebettet in den kooperativen Handlungsrahmen der Lerner-Lerner-Interaktion – im Fremdsprachenunterricht zu realisieren. Diese Lernaufgaben werden dahingehend analysiert und evaluiert, inwiefern sie die Lerner zu einer zielsprachlichen, authentischen (weil zielgeleiteten, auf tatsächlichen Lerninteressen und Lernschwierigkeiten beruhenden, s. Abschnitt 5) Kommunikation und zugleich zu einer metasprachlichen Reflexion und Diskussion von L2-Aspekten anzuregen vermögen. Hierzu werden sowohl qualitative (Diskursanalyse, Retrospektion) als auch, zur Bestimmung eines aus den Interaktionen resultierenden Lernzuwachses, quantitative Verfahren (unterschiedliche Testformate) entwickelt und eingesetzt. Im Anschluss hieran werden didaktische Implikationen der Untersuchung aufgezeigt und hierbei für eine systematische und prozessorientierte Aufgabenvor- und -nachbereitung im Unterricht plädiert, die nicht nur den Lerngegenstand der Aufgabe, sondern auch die individuellen Zugänge und Umgangsweisen der Lerner mit der Lernaufgabe thematisiert.

 

2. Gruppen- und Partnerarbeit im Fremdsprachenunterricht – terra incognita?

Die aus der allgemeinen Erziehungswissenschaft (Flanders 1970) bzw. Linguistik (Sinclair & Coulthard 1975) stammenden Versuche, Unterrichtskommunikation als eine Serie funktionaler Einheiten zu beschreiben und dabei ein Modell für den strukturellen und funktionalen Aufbau eines Diskurses zu entwickeln, zeichneten ein Bild der mutter- und fremdsprachlichen Unterrichtskommunikation, das schwer mit dem kommunikativen Zeitgeist der 80er Jahre zu vereinbaren war. Der gängige Frontalunterricht erschien als hierarchisch aufgebautes, kleinschrittig strukturiertes und permanent von der Lehrkraft evaluiertes Unterrichtsgespräch. Vor dem Hintergrund der „kommunikativen Wende“ wurde vehement Gruppen- und Partnerarbeit als Alternative hierzu gefordert. Gruppenarbeit galt als emanzipatorisch in dem Sinne, dass sie eine tendenziell herrschaftsfreie, nicht repressive Kommunikation zwischen diskursiv Gleichberechtigten ermöglichte. Zugleich wurde jedoch auch immer wieder Kritik an einem sich dergestalt selbst begründenden pädagogischen Hochwert geübt und – z.B. von Diegritz & Rosenbusch (1977) – darauf hingewiesen, dass keinerlei empirische Evidenz darüber vorläge, welche Kommunikationsprozesse sich in Gruppenarbeit vollzögen. Des weiteren stellen Diegritz & Rosenbusch (1977: 261) fest, dass Gruppenarbeit „zumindest nicht in jedem Falle und für alle Schüler jenen pädagogischen Wunschvorstellungen nahekommt, die allerorts kultiviert werden“. So würden größere Gruppen zu sehr unterschiedlich ausgeprägter Partizipation führen und sich auch in Schülergruppen repressive Kommunikations- und Sozialstrukturen etablieren. Aus heutiger Sicht verwundern diese Ergebnisse wenig.

Es erscheint offensichtlich, dass Gruppenunterricht an sich keinen pädagogischen Wert darstellt und somit allein durch die Realisierung einer bestimmten Sozialform ohne eine ihr zugrunde liegende Didaktik den die Einführung dieser Sozialform motivierenden Defiziten nicht begegnet werden kann. Mittlerweile hat sich diese Situation geändert, es liegt eine Vielzahl didaktischer und methodischer Vorschläge vor, im Sinne einer Binnendifferenzierung des Fremdsprachenunterrichts wechselnde Sozialformen in unterschiedliche Unterrichtsphasen zu integrieren. Jedoch sind diese unterrichtspraktischen und -methodischen Vorschläge nicht von entsprechenden empirischen, fremdsprachenunterrichtsspezifischen Untersuchungen begleitet. Dies gilt ebenfalls für den Bereich Deutsch als Fremdsprache, auch wenn dort relativ zahlreiche diskursanalytische Arbeiten zu verschiedenen Aspekten der prototypischen Lehrer-Lerner-Interaktion vorliegen, in denen u.a. Phänomene wie Semantisierung, mündliche Fehlerkorrektur, Bedeutungsaushandlung und Interaktionsmodifizierung (zusammenfassend Henrici 1995) empirisch untersucht wurden. Abschließend bleibt im deutschsprachigen Raum das weitgehende Fehlen empirischer Befunde zu Lerner-Lerner-Interaktionen im Fremdsprachenunterricht zu konstatieren, so dass, trotz der neueren Monographie Inge Schwerdtfegers zu didaktischen und unterrichtspraktischen Aspekten von Gruppen- und Partnerarbeit (Schwerdtfeger 2001), diese bezüglich ihrer empirischen Grundlagen noch immer als terra incognita bezeichnet werden muss.

 

3. Lernaufgabenforschung – (k)ein Thema für die deutschsprachige Fremdsprachenforschung?

In der deutschsprachigen Lehr-/Lernmaterialforschung wurde lange Zeit, anstatt von einer Wechselwirkung zwischen dem angebotenen Sprachmaterial und dem Vorwissen der Lerner, ihren Wahrnehmungen, Einstellungen und Lernzielen auszugehen, die Aufgabe vielmehr als Material betrachtet, welches bei den Bearbeitenden bestimmte, als lernfördernd angenommene Reaktionen auslösen sollte. Dieses Material wurde mittels Typologien (z.B. Neuner, Krüger & Grewer 1981; Segermann 1992) bezüglich seiner aufgabeninhärenten Merkmale beschrieben als Sammlung von Übungen, die zu den ihnen zugeordneten Lernzielen hinführen sollten. Erfasst und systematisiert wurde somit die gedruckte Fassung der Aufgabe, nicht aber die tatsächlich beim einzelnen Lerner im Zuge der Aufgabenbearbeitung erfolgte Lernaktivität.

Angesichts dieser Forschungslücke darf gefragt werden, ob hier – trotz der vielzitierten und altbekannten Forderung nach Lernerzentrierung und der Befähigung zum tendenziell selbstgesteuerten Lernen – die Annahme nachwirkt, dass Fremdsprachenlerner sich darauf beschränken (oder gar beschränken sollten?), Lernaufgaben gemäß den in ihnen enthaltenen didaktischen Anweisungen auszuführen. Dass eine solche behavoristisch anmutende Annahme der Lerneraktivität als bedingter Folge der Aufgabenvorgabe und Aufgabenzielsetzung nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt deutlich die anglophone task-based research (z.B. Skehan 1998). Dort wird task als psycholinguistisches Experiment betrachtet, wobei die mittels eines Koordinatensystems aufgabeninhärenter Merkmale typologisierte Aufgabe als unabhängige, die hierdurch herbeigeführte lernerseitige L2-Produktion oder -Rezeption als abhängige Variable konzeptualisiert und von einer engen Beziehung zwischen beiden ausgegangen wird (zur detaillierten Kritik an diesem Konzept vgl. Eckerth 2003a; Eckerth & Riemer 2000).

Erfreulicherweise ist in der deutschsprachigen Forschungslandschaft eine Lernaufgabenforschung gerade im Entstehen begriffen, die weniger experimentell orientiert und zugleich stärker unterrichtsbasiert vorgeht. Innerhalb dieser prozessorientierten Lernaufgabenforschung wird der Lerner nicht nur als Aufgabenausführender, sondern auch als Aufgabeninterpretierender angesehen. Im Mittelpunkt der Forschungsbemühungen stehen die Lernerhandlungen bei der Ausführung sprachstrukturell orientierter Lehrwerksaufgaben (Wendt 1997; Börner 1999). Neben einer Erfassung und Auswertung der gewählten Lernwege und Lösungsstrategien wurden bisher jedoch die Lernprodukte, d.h. die Zielsprachenkonformität der mündlichen oder schriftlichen Aufgabenlösungen nicht berücksichtigt.

Beide der genannten Desidarata – empirische Erforschung von Lerner-Lerner-Interaktionen sowie lernerseitiger Umgang mit Lernmaterialien im Fremdsprachenunterricht einschließlich der damit erzielten Lernerfolge und Lernzuwächse – verbindet der Begriff der Interaktion. Interaktion, wie sie im vorliegenden Kontext verstanden wird, umfasst sowohl die personelle Interaktion zwischen Unterrichtsbeteiligten als auch die mentale (Quasi-)Interaktion zwischen Lernaufgabe und Aufgabenbearbeitenden. Die letztgenannte Ausprägung des Interaktionsbegriffs weist die o.g., innerhalb der task-based research vorherrschende Annahme der Lerneraktivität als bedingte Folge der Aufgabenvorgabe und -zielsetzung zurück. Der Begriff der (Quasi-)Interaktion zwischen Lernaufgabe und Aufgabenbearbeitenden impliziert eine nichtdetermi­nistische Konzeptualisierung des Lerners als eines selbstreflexiven und kreativen Handelnden, der vor dem Hintergrund seiner Lernerfahrungen und -ziele nicht nur auf die Aufgabenvorlage reagiert, sondern diese auch interpretiert. Im Folgenden wird eine empirische und unterrichtsbasierte Untersuchung vorgestellt, die diesen Interaktionsbegriff umsetzt und die genannte Forschungslücken zu schließen versucht.

 

4. Fremdsprachenerwerb in aufgabenbasierten Interaktionen: Untersuchungsdesign, Datenerhebung und Ergebnisse

Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen aufgabenbasierte Lerner-Lerner-Interaktionen im regulären studienvorbereitenden DaF-Unterricht in zwei Mittelstufenkursen unterschiedlichen L2-Niveaus. Die Kurse bestanden aus jeweils 20 DaF-Lernern, die aufgrund ihrer bisherigen Kurserfahrung sowohl mit Gruppen- als auch mit Partnerarbeit vertraut waren. Dabei wurde bei den aufgabenbasierten, dyadischen Interaktionen auf eine systematische Zusammenstellung der Lernerpaare, z.B. nach der jeweiligen L1 oder nach dem L2-Niveau, bewusst verzichtet. Einerseits entspräche ein solches Vorgehen nicht den Bedingungen des regulären Fremdsprachenunterrichts und wäre damit praxisfern. Andererseits sollte vermieden werden, dass latente Wunschvorstellungen und Forschungsziele des Forschenden zur Zusammenstellung idealtypischer Lernerpaare führen würden. Aus diesem Grund stand es den Lernern frei, mit wem sie zusammenarbeiten wollten, in der Regel waren dies die jeweiligen Banknachbarn. Empirisch erfasst und evaluiert werden sowohl die bei der Bearbeitung der Lernaufgaben in Lernerpaaren involvierten Lernprozesse als auch die hieraus resultierenden Lernprodukte. Die Untersuchung umfasst folgende Teilkomponenten:

·       Entwicklung und Evaluierung von dyadischen Lernaufgaben innerhalb einer Pilotstudie;

·       Durchführung dieser Lernaufgaben im Fremdsprachenunterricht;

·       Analyse der aus der Aufgabenbearbeitung resultierenden Lerner-Lerner-Interaktionen;

·       Analyse der zu den Interaktionen retrospektiven Lernerinterviews;

·       Auswertung der vor und nach den Interaktionen durchgeführten Testverfahren.

 

Innerhalb des für die Untersuchung entwickelten „explorativ-interpretativen und quasiexperimentellen Mehr-Methoden-Ansatzes“ (zur detaillierten methodologischen Begründung vgl. Eckerth 2003b) werden sieben unterschiedliche Datensätze erhoben. Da sie mit klassifikatorischen Begriffen arbeiten und nominale Daten darstellen, bilden die Datensätze 1-4 qualitative, Datensätze 5-7 hingegen, die metrische Begriffe und damit intervallskalierte Daten repräsentieren, quantitative Daten (Grotjahn 1993: 225). Im Einzelnen handelt es sich um folgende, im Fremdsprachenunterricht erhobene Daten:

 

Datensätze:

1.     Aufgabenbasierte Lerner-Lerner-Interaktionen
Interaktionsprotokolle von Lernern, die in Dyaden eigens entwickelte Lernaufgaben ausführen.

2.     Schriftliche Aufgabenlösungen
Bei einem Teil der Aufgaben sollte die gemeinsam erarbeitete Aufgabenlösung von den Lernerpaaren schriftlich festgehalten werden.

3.     Retrospektive Lernerinterviews
Einen Tag nach den Interaktionen mit den Lernerpaaren durchgeführte retrospektive Interviews.

4.     Lehrergespräche
Untersuchungsvorbereitende, -begleitende und -nachbereitende Gespräche mit den Lehrkräften der untersuchten Kurse.

5.     Aufgabenspezifische Prä-, Post- und Folgetests
Unmittelbar vor und nach sowie eine Woche nach den Interaktionen durchgeführte aufgabenspezifische Testverfahren.

6.     Lernerdyadenspezifische Folgetests
Eine Woche nach den Interaktionen durchgeführte lernerdyadenspezifische Testverfahren.

7.     C-Test
Vor Beginn und nach Abschluss des gesamten Untersuchungszeitraums erhobener Sprachstandstest zur Überprüfung der Variablen „L2-Niveau“.

 

Die Datensätze 1-6 werden in der zeitlichen Abfolge „Prätest ® Aufgabenbasierte Interaktion ® Posttest ® Retrospektion ® Folgetest“ erhoben und bilden einen einwöchigen Zyklus (Tag 1-8, vgl. Abb. 1). Dieser Zyklus wird fünfmal wiederholt (dreimal mit sprachstrukturell orientierten Aufgaben, zweimal mit rein kommunikativ orientierten Bedeutungsaushandlungsaufgaben) und jeweils in zwei Fremdsprachenkursen durchgeführt. Abbildung 1 verdeutlicht die zeitliche Abfolge (gestrichelte Zeitachse) der Datenerhebung:

 

                   Tag 1                              Tag 1                              Tag 2                     Tag 8

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C-Test                   Prätest                    Posttest                   Retrospektive               Folgetest                       C-Test

arrow forward                                                                                             Interviews                    Teil 1: aufgabenspezif

                                                                                                                                 Teil 2: dyadenspezif.

                         Aufgabenbasierte

                          Lerner-Lerner-

                           Interaktionen

                    |____________________________________________________________|

 

                                          Woche 1 von 5; in jeweils 2 Kursen

 

Abb. 1: Datenerhebung

 

Sämtliche Interaktionen werden transkribiert und unter Verwendung diskursanalytischer Verfahren bezüglich Konzepten wie „Wissensressourcen“, „Lernwegen“ und „Lernpotenzial der Interaktion“ qualitativ-interpretativ ausgewertet. Diese Transkriptionen bilden auch die Grundlage für die am Folgetag durchgeführten retrospektiven Lernerinterviews, mittels derer die subjektiven Sichtweisen, Haltungen und Einstellungen der Lernenden sowie die den Interaktionen zugeschriebenen Lernpotenziale ermittelt werden sollen.

Neben dieser detaillierten qualitativen Auswertung werden quantitative Verfahren in Form unterschiedlicher Testformate eingesetzt, die einen eventuell aus den Interaktionen resultierenden kurz- wie mittelfristigen Lernzuwachs messen. Im Folgenden werden die den Lerner-Lerner-Interaktionen zugrunde liegenden Lernaufgaben (Abschnitt 4.1), sowie die bei deren qualitativen (4.2) wie quantitativen (4.3) Auswertung erzielten Ergebnisse dargelegt und bewertet werden.

 

4.1 Die Lernaufgaben

Die den Interaktionen zugrunde liegenden Lernaufgaben umfassen referentiell orientierte Kommunikationsaufgaben (Bedeutungsaushandlungsaufgaben, vgl. Eckerth 2003b) als auch sprachstrukturell orientierte Aufgaben (Textreparaturaufgaben, Textrekonstruktionsaufgaben). Im Folgenden wird lediglich auf eine Version des sprachstrukturell orientierten Lernaufgabentyps „Textreparatur“ eingegangen:

Sprachstrukturell orientierte Aufgabe „Textreparatur“:

Jedes Lernerpaar erhält einen zusammenhängenden Text, aus dem grammatische Informationen (Konjugation, Deklination, Funktionswörter) entfernt wurden. Der Text soll gemeinsam umgeformt und zu einem grammatisch korrekten und inhaltlich sinnvollen Text ergänzt und das Ergebnis schriftlich festgehalten werden.

 

Textreparaturaufgabe: Ein Abschiedsbrief

 

Lieber Martin,

ich mögen von du verabschieden.

Du haben in die letzten Jahre sehr verändern.

Früher du haben immer ärgern meine Ex-Freunde.

Heute du ausgehen oft andere Frauen und du kümmern kaum noch ich.

Früher ich haben nie beklagen dein Verhalten, aber jetzt ich genug haben.

Ich nicht mehr können du verlassen.

Deshalb ich entscheiden haben anderer Mann.

Irene

 

Den Lernaufgaben diesen Typs liegt ein simpel anmutendes Prinzip zugrunde, das jedoch in keinem Lehrwerk oder Forschungsbericht gefunden, sondern vielmehr eigens für die Zwecke und Ziele der vorliegenden Untersuchung entwickelt wurde. Leitend bei ihrer Entwicklung war das Ziel, nicht eine isolierte Regelanwendung herbeizuführen, sondern vielmehr die Aktivierung und Integration satzinterner morphologischer, syntaktischer und pragmatischer Wissensbestände zu fordern und zu fördern. Zugleich sollten bei der Aufgabenbearbeitung auch satzübergreifende Textzusammenhänge berücksichtigt und in die Überlegungen miteinbezogen werden müssen, da das Aufgabenziel die Erstellung nicht eines nur grammatisch korrekten, sondern auch inhaltlich bedeutungsvollen Textes vorgibt. Damit bewegt sich die Lernaufgabe im mittleren Bereich zwischen den Polen Offenheit und Steuerung: einerseits ist der Aufgabe ein eindeutiger grammatischer Fokus eigen – im o.g. Beispiel Verben mit Präpositionalergänzung – zugleich muss jedoch auch der gesamte sprachliche Kontext – d.h. der zu reparierende Text – berücksichtigt werden.

Zur Bearbeitung und Lösung der Aufgabe müssen demgemäß umfangreiche zielsprachliche Phänomene berücksichtigt, Wissensquellen aktiviert und entsprechende Lern- und Lösungsstrategien gewählt werden. Sowohl aus der Lehr-, wie auch aus der Forschungsperspektive stellt sich diesbezüglich die Frage, ob Lerner in gegenseitiger Interaktion hierzu fähig sind. Mit anderen Worten: Sind die Lerner in der Lage, sich gegenseitig qualitativ hochwertiges Feedback zu liefern oder bestätigen sie lediglich ihre fehlerhaften L2-Hypothesen? Diese didaktische „Gretchenfrage der Gruppen- und Partnerarbeit“ soll im folgenden anhand der qualitativen wie quantitativen Auswertung der Lerner-Lerner-Interaktionen beantwortet werden.

 

4.2 Ergebnisse der qualitativen Auswertung

4.2.1 Lernerhypothesen und Wissensressourcen bei der Aufgabenbearbeitung

Transkript 1 zeigt einen Ausschnitt aus der Bearbeitung der o.g. Textreparaturaufgabe. Das Lernerpaar Svetlana und Baskhim ist mit der Diskussion des Aufgabensatzes „Deshalb ich entscheiden haben anderer Mann“ beschäftigt.

 

Transkript 1, Svetlana & Baskhim[1]

Aufgabensatz: „Deshalb ich entscheiden haben anderer Mann.“

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1          S          für ander/ anderen Mann ... deshalb habe ich mich . für anderen Mann

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2          S                             entschieden ... genau  [schreibt und spricht dabei] deshalb habe ich

B         entschieden

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3          S          mich für anderen Mann entschieden+

B                                                                    das bleibt entschieden am Ende?

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4          S                                        nein das ist äh starkes Verb guck mal entscheiden .

B         . oder entschiedet?

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5          S          und starkes Verb ä::h im Partizip zwei .. ä::hm . wechselt seine ähm

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6          S          Buchstaben in der Mitte .. im Stamm aber Endung bleibt

B                                                                    ah ja das weiß ich

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7          S          e-n am Ende . zum Beispiel schreiben schrieb

B                                                                                  entscheiden entschieden

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8          S          schreiben schrieb geschrieben

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Im Laufe der Satzkonstruktion schlägt Baskhim die Form ‚entschieden‘ als Partizip II des Verbs ‚entscheiden‘ vor, was von seiner Partnerin akzeptiert und als korrekt („entschieden ... genau“; Zeile 2) bewertet wird. Während diese damit beschäftigt ist, die erzielte Lösung schriftlich festzuhalten, fragt Baskhim noch einmal nach, ob das zuvor von ihm genannte Partizip anstatt ‚entschieden‘ nicht ‚entschiedet‘ lauten müsste (Zeile 3-4). Svetlana setzt daraufhin zu einer umfassenden metasprachlichen Erklärung des fraglichen zielsprachlichen Phänomens an. Dabei liefert sie ihrem Gegenüber nicht nur eine korrekte, sondern überdies auch didaktisch angemessene metasprachliche Erklärung: Starke Verben ändern ihren Stammvokal im Partizip II, behalten aber die Endung auf -en bei (Zeile 4-7). Didaktisch ist diese Erklärung nicht nur bezüglich ihres Inhalts, sondern auch bezüglich ihrer Formulierung. Schrittweise liefert Svetlana ihrem Partner Informationen, die dieser als bekannt oder verstanden ratifiziert („ah ja das weiß ich“; Zeile 6), wobei diese erste Teilinformation Grundlage der im zweiten Schritt gelieferten gesamten Information ist. Nachdem Baskhim signalisiert hat, dass er die von seiner Partnerin formulierte Regel verstanden hat und auf den vorliegenden Fall anzuwenden vermag („entscheiden entschieden“; Zeile 7), wird die Regel von Svetlana abschließend anhand eines Beispiels („schreiben schrieb geschrieben“; Zeile 8) veranschaulicht. Damit ist die „didaktische Sequenz“ abgeschlossen.

Diese Form der stark kontextualisierten metasprachlichen Erklärung, welche unmittelbar aus der Lerner-Lerner- sowie Lerner-Lernaufgabe-Interaktion erwächst und sich genau auf ein dabei zu Tage getretenes Lernproblem – hier: eine auf unsicheren Wissensbeständen beruhende normabweichende Hypothese über die L2 – bezieht, kann als in höchstem Maße lernfördernd eingestuft werden. Auch wenn nicht alle Aushandlungen so explizit ablaufen wie in Transkript 1, zeigt die Sequenz doch viele für die untersuchten Lerner-Lerner-Interaktionen charakteristische Merkmale. So verläuft die Aufgabenbearbeitung zunächst objektsprachlich und wechselt erst auf eine metasprachliche Ebene, als kontroverse L2-Annahmen in Form abweichender Lösungsvorschläge aufeinandertreffen. Die durch die dialogische Aufgabenausführung herbeigeführte Notwendigkeit zur Artikulation und teilweise zur Begründung eigener zielsprachlicher Annahmen kann hierbei zu einer Sensibilisierung gegenüber eigenen Wissenslücken sowie mehr oder weniger sicheren L2-Wissensbeständen führen. Zugleich bringt diese Artikulations- und Begründungsnotwendigkeit eine starke Lernprozessorientierung mit sich. Neben die Fokussierung des Lernprodukts, d.h. der Aufgabenlösung, tritt der Lern- und Aufgabenbearbeitungsprozess. Dies ist bedeutsam v.a. im Hinblick auf die eingangs genannte Lernaufgabenforschung (Börner 1999, 2000) die belegt, dass viele Lerner (einschließlich erwachsener universitärer Fremdsprachenlerner) bei der Aufgabenbearbeitung formale, schematische oder mechanische, also wenig lernfördernde Lösungsstrategien einsetzen, um möglichst mühelos zu einer zufriedenstellenden Aufgabenlösung zu gelangen. Solche Reduktionsstrategien sind bei dem o.g. Aufgabentyp kaum möglich. Bei der dialogischen Bearbeitung eines Aufgabentyps wie sie die genannte Textreparaturaufgabe darstellt, tritt an die Stelle deduktiver Grammatikvermittlung eine stärker induktiv orientierte, kontextualisierte und problemorientierte L2-Wissenserschließung.[2] In Übereinstimmung mit Fremdsprachenerwerbshypothesen, welche die Bedeutung lernerseitiger L2-Hypothesenbildung und des Abgleichs dieser Hypothesen mit dem fremdsprachlichen input betonen (Ellis 1994; Schmidt 2001), dürfen Lerneraktivitäten, wie sie in Transkript 1 erkennbar werden, als in höchstem Maße sprachlernfördernd angenommen werden.

 

4.2.2 Vom Wort und Satz zum Text

Neben der Aktivierung morphologischer (Transkript 1) und syntaktischer Wissensressourcen müssen bei der Aufgabenbearbeitung auch satzübergreifende Textzusammenhänge in den Lösungsprozess mit einbezogen werden. Ein Beispiel hierfür ist der Aufgabensatz „Ich nicht mehr können du verlassen“, der auf dem Bedeutungsunterschied zwischen dem transitiv verwendeten Verb ‚jdn. verlassen‘ und dem reflexiv verwendeten ‚sich verlassen + auf‘ basiert. Während die vorgegebenen Wörter sowohl syntaktisch als auch satzsemantisch beide Konstruktionen erlauben, ist im satzübergreifenden Kontext – bei dem Text handelt es sich um einen Abschiedsbrief, mittels dessen eine Frau ihrem Freund die Gründe der von ihr beschlossenen Trennung erläutert­ – nur die reflexive Konstruktion möglich.

 

Transkript 2, Esin & Tamuna

Aufgabensatz: „Ich nicht mehr können du verlassen.“

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1          T          [liest Aufgabensatz] ich nicht mehr können du verlassen+ was? . sie möchte

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2          T          nicht oder sie möchte? ich versteh das nicht .. und sie schreibt [liest folgenden

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3          T         Aufgabensatz] deshalb ich entscheiden haben anderer Mann+ ..

E                                                                                                                 verlassen

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4          T         ich nicht mehr können du verlassen ...

E                                                                       ja aber das hat andere äh Bedeutung ..

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5          T                                                                                                            a::::h so: .

E         guck mal sich verlassen auf ist anders . ich vertraue dir nicht

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6          T         sich auf           ich kann nicht mehr .. auf dich verlassen . nein ich kann

E                        okay                                                                                         mich

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7          T         ich kann mich nicht mehr ja?                                      auf dich verlassen

E                                                      ich kann mich nicht mehr

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Tamuna geht zunächst von der lernersprachlich näher liegenden transitiven Konstruktion aus, die sie jedoch nicht mit der von ihr wahrgenommenen Textaussage vereinbaren kann. Um sich der Korrektheit ihrer Wahrnehmung zu vergewissern, beruft sie sich nicht nur auf die vorangegangenen Sätze, sondern zieht auch den nachfolgenden Aufgabensatz heran (Zeile 3). Erst mittels der Erklärung ihrer Partnerin bezüglich des Bedeutungsunterschieds zwischen der transitiven und reflexiven Verwendung des Verbs (Zeile 4-5) gelingt es ihr, die intendierte Satzaussage nachzuvollziehen und die entsprechende Satzkonstruktion zu bilden (Zeile 5-7). Entscheidend ist jedoch nicht nur, ob es den Lernern gelingt, eine zielsprachenkonforme Lösung zu finden oder nicht. Bedeutsamer ist der Umstand, dass der vorgegebene Satz nicht nur auf einer satzinternen Ebene morphosyntaktisch wie semantisch bearbeitet wird, sondern auch satzübergreifende Zusammenhänge berücksichtigt und herangezogen werden. Dies bezieht sich sowohl auf der zu bearbeitenden Struktur vorausgehende als auch nachfolgende Textteile. Die Verwendung, Reflexion und Manipulation der Zielsprache auf einer satzinternen wie satzübergreifenden Ebene erfordert eine Steuerung und Lenkung der Aufmerksamkeit der Lerner auf die Art, wie Form, Bedeutung und Kontext im Sprachgebrauch interagieren, und darf aus diesem Grund als zuhöchst lernfördernd angenommen werden.

 

4.2.3 Von der kognitiven zur sozial-affektiven Ebene

Einen Tag nach Durchführung der Lerner-Lerner-Interaktionen im Unterricht wurden außerhalb des Unterrichts retrospektive Lernerinterviews mit den Lernerpaaren des Vortags erhoben. Diese Interviews waren aufgaben- und interaktionsbezogen, im Mittelpunkt standen Lernerkognitionen und Lernprozesse. Zugleich wurden jedoch auch soziale und affektive Aspekte der Partnerarbeit thematisiert. Neben vielen sehr positiven Rückmeldungen zur Gruppen- und Partnerarbeit kam es dabei auch zu einigen kritischen und differenzierten Einschätzungen:

 

Transkript 3, Elena & Çetin

1          JE        zuerst mal eine ganz allgemeine Frage zu der Aufgabe gestern

2                      . war das einfach oder schwierig?

3          E          für mich das war zu schwer weil ich habe Çetin eben erst kennen gelernt

4                      . er war für mich ganz neu

5          JE        mhm

6          E          ja aber ich fühle mich trotzdem wohl

 

Transkript 4, Nancy & Joanna

1          JE        wie war das gestern? .. wie war euer Eindruck von der Aufgabe?

2          J          war interessant und hat Spaß gemacht nicht langweilig

3          N         beim zweiten Mal habe ich viel gelernt wegen dem Vergleich und

4                      beim zweiten Mal habe ich gut gemacht das .....

5                      aber Gruppenarbeit ist immer schwer das Umgehen mit anderen Menschen

6                                  ist immer schwer . manchmal es gibt impulsive Menschen die ihre oder

7                      seine Meinung so mach so . das lässt vielleicht jemand nicht auf Grammatik

8                                     konzentrieren sondern über wie es ist in dieser Gruppe

 

 

Es ist offensichtlich, dass Gruppen- und Partnerarbeit von der personenbezogenen Konstellation abhängig ist; ob diese „funktioniert“, ist von einer Vielzahl sozio-psychologischer Faktoren beeinflusst. Dies ist jedoch keine grundsätzliche Eigenart der Lerner-Lerner-Interaktion, auch wenn im Plenum der Lehrer mehr „Kontrolle“ über dominante Lerner hat. Ein anderer Aspekt erscheint mir in diesem Zusammenhang wichtiger. In der Lerner-Lerner-Interaktion begegnen sich nicht nur „neue“ (im Sinne von „unbekannte“, Transkript 3) oder unterschiedlich „impulsive“ (Transkript 4) Lerner, sondern vor allem auch Lerner mit unterschiedlichen Lernkulturen. Unter Lernkultur wird hierbei ein subjektives Sprachlernkonzept verstanden, das kulturell, institutionell und individuell geprägt ist und die persönliche Sprachlernbiographie widerspiegelt. Die Auswertung der Lerner-Lerner-Interaktionen hinsichtlich unterschiedlicher Lernkulturen weist über das ursprüngliche Erkenntnisinteresse der Untersuchung hinaus und erfolgt im Rahmen einer Reanalyse der Interaktions- und Retrospektionstranskripte. Lautete die Fragestellung der ursprünglichen Untersuchung (Eckerth 2003b): Profitieren die Lerner in der aufgabenbasierten Interaktion vom Austausch ihrer jeweils fragmentarischen L2-Wissensbestände?, so lautet diese innerhalb der Reanalyse (Eckerth 2003c): Profitieren die Lerner in der aufgabenbasierten Interaktion von der Begegnung mit anderen Lernkulturen und vom Austausch unterschiedlicher Sprachlernkonzepte auf einer unmittelbar handlungsbezogenen Ebene, d.h. bei der Bearbeitung der o.g. Lernaufgaben? Erste in Form einer Fallstudie erzielte Ergebnisse weisen darauf hin, dass dies dann der Fall sein kann, wenn die Lerner bemüht sind, sich auf die Lernpräferenzen ihres Partners einzulassen. So beklagt sich die eher global orientierte Lernerin Nazan zu Beginn ihrer Zusammenarbeit über die häufigen metasprachlichen Nachfragen ihres sehr analytisch orientierten Lernpartners Bakary und bemerkt, dass dies die Zusammenarbeit erschwere, da sie seine expliziten grammatischen Nachfragen oft nicht beantworten könne („zuerst ich dachte ich kann nicht mit ihm arbeiten weil äh . ich kann nicht so gut erklären deutsche Grammatik“). Ihren Äußerungen in einem zwei Wochen später durchgeführten retrospektiven Interview sind zu entnehmen, dass sie sich inzwischen nicht nur an die analytische Lernorientierung ihres Interaktionspartners gewöhnt hat, sondern dieser auch positive Aspekte für ihr eigenes Lernverhalten abgewinnen kann („ich versuche jetzt ein bisschen zu denken wie Bakary .. das ist schwer aber ich merke ist auch gut für mich weil äh .. manchmal du hast Gefühl . Sprachgefühl aber manchmal ist Gefühl auch nicht sicher“). Die Interaktion mit ihrem Lernpartner und die Auseinandersetzung mit dessen Lernorientierung, einer von ihrer eigenen Orientierung abweichenden, hat somit zu einer Bewusstwerdung und teilweisen Ausweitung ihrer eigenen Lernpräferenzen sowie, um auf die Terminologie der Lernstilforschung zurückzugreifen, zu einer Ausweitung ihrer „komfortablen Zone“ (Scarcella & Oxford 1992: 63) geführt. Zugleich wirft die berichtete Fallstudie die Frage auf, ob und wie Lerner mit unterschiedlichen Lernstilen mittels der dyadischen Aufgabenbearbeitung systematisch zusammengeführt werden sollten. Welcher Bedeutung hierbei wechselwirksamen situativen und individuellen Faktoren zukommt, sollte verstärkt Gegenstand weiterer empirischer Forschung werden.

 

4.3     Ergebnisse der quantitativen Auswertung

4.3.1   Aufgabenspezifische Testverfahren

Wurde das Konstrukt Lernerfolg innerhalb des explorativ-interpretativen Untersuchungsteils mittels Erwerbsprozessen wie der Aktivierung, Bearbeitung und Umstrukturierung vorhandenen sowie der Generierung neuen Wissens gefasst, erfolgte dies innerhalb des analytisch-nomologischen Teils mittels Wissensständen, verstanden als Zuwachs an explizitem L2-Wissen bezüglich der von der Aufgabenstellung fokussierten Zielstrukturen. Die aufgabenspezifischen Testverfahren, die diesen Lernzuwachs messen, werden zu drei Zeitpunkten durchgeführt: unmittelbar vor den Interaktionen (Prätest), direkt danach (Posttest) sowie eine Woche später (Folgetest). Nicht auf der Lerner-Lerner-Interaktion beruhende Lernzuwächse wie Praxis- und Sequenzierungseffekte werden als Kontrollvariable erfasst und mittels eines gesonderten Testteils operationalisiert.[3] Gefragt wurde danach, ob und inwiefern die aufgabenbasierte Lerner-Lerner-Interaktion zu einem kurz- wie mittelfristigen Lerneffekt führt und welchen Einfluss das fremdsprachliche Ausgangsniveau dabei hat.

Die zur Beantwortung dieser beiden Forschungsfragen durchgeführte zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung ergab sehr signifikante Mittelwertsunterschiede und starke Effekte für den Faktor Zeit (F = 51,774, p<0,001, h2 = 0,641) als auch für den Faktor Kursniveau (F = 20,872, p<0,001, h2 = 0,419).[4] Mittels einer Messung der Kontraste zwischen den Abstufungen des Faktors Zeit konnte dieses Ergebnis präzisiert werden, als sehr signifikant erwiesen sich die Unterschiede zwischen Prä- und Post- sowie zwischen Prä- und Folgetest (FPrä-Post = 93,181, FPrä-Folge = 48,163, p<0,001), nicht jedoch zwischen Post- und Folgetest. Diese Werte belegen damit einen deutlichen kurz- wie mittelfristigen, kursniveauübergreifenden Lernzuwachs infolge der aufgabenbasierten Lerner-Lerner-Interaktionen.

Einschränkend gilt jedoch für herkömmliche Testverfahren wie das berichtete, dass sie lediglich die als Lernziel und Testinhalt a priori festgelegten L2-Aspekte zu erfassen in der Lage sind. Inwiefern in den aufgabenbasierten Lerner-Lerner-Interaktionen weitere, außerhalb der von der Aufgabenstellung fokussierten Zielstrukturen liegende L2-Aspekte thematisiert, ausgehandelt und gelernt wurden, konnte anhand eines zweiten, eigens entwickelten dyadenspezifischen Testformats erfasst werden.

 

4.3.2   Dyadenspezifische Testverfahren: Das Konstrukt Individuelle Lernerhypothesen

Sowohl der integrative Charakter der Lernaufgaben als auch deren interaktive und kooperative Bearbeitung in Lernerdyaden bieten eine Vielzahl über den engeren morphosyntaktischen Fokus der Aufgaben hinausgehende L2-Lerngelegenheiten. Dies verdeutlicht exemplarisch Transkript 1, der dort ausgehandelte L2-Aspekt gehört nicht zum grammatischen Schwerpunkt der Lernaufgabe und wird somit nicht im aufgabenspezifischen Test erfasst. Die solchen lernergenerierten und damit unvorhersehbaren Lerngelegenheiten zugrunde liegenden, in der Interaktion thematisierten und ausgehandelten L2-Phänomene können nicht prospektiv antizipiert, sondern müssen anhand jedes einzelnen Interaktionstranskriptes retrospektiv identifiziert und rekonstruiert werden.

Diese als „Individuelle Lernerhypothesen“ bezeichneten L2-Aspekte werden im zweiten, dyadenspezifischen Teil des Folgetests abgefragt, d.h., dieser Testteil ist für jede Lernerdyade „maßgeschneidert“. Das Konstrukt „Individuelle Lernerhypothesen“ wird hierbei wie folgt definiert:

1.    Individuelle Lernerhypothesen stellen Lerneräußerungen dar, bei denen, über die reine Wissensaffirmation hinausgehend, sprachstrukturelle L2-Aspekte kontrovers diskutiert werden.

2.    Sie sind nicht bereits im aufgabenspezifischen Prä-Post-Folgetest erfasst.

Um von einer Äußerung möglichst unzweideutig auf die ihr zugrunde liegende L2-Hypothese zu schließen, ist das Prädikat ‚kontrovers diskutiert‘ notwendig. Dies ist bei rein affirmativen Interaktionssequenzen (Lerner A: Präteritum von denken äh dachte; Lerner B: mhm dachte) nicht oder nicht zweifelsfrei möglich. Nach deren Identifikation in den Interaktionstranskripten wurde für jeden konstruktkonformen L2-Aspekt eine entsprechende Testfrage für den eine Woche nach der jeweiligen Interaktion durchgeführten dyadenspezifischen Folgetest formuliert.

Bei der Auswertung des Korpus von 127 Individuellen Lernerhypothesen wird zwischen drei Analyseebenen unterschieden. Zunächst werden Lernprodukte fokussiert und verglichen. Hierbei wird gefragt, inwiefern die gemeinsam erarbeiteten schriftlichen Aufgabenlösungen mit den individuellen Lösungen des Folgetests übereinstimmen (1., s.u.). In einem zweiten Schritt stehen die von den einzelnen Lernpartnern in der Interaktion artikulierten Hypothesen, also Lernprozesse, im Mittelpunkt. Hier wird der Frage nachgegangen, in welchem Ausmaß die ursprünglich geäußerten Individuellen Lernerhypothesen im Folgetest normgerecht bzw. normabweichend revidiert oder unverändert beibehalten wurden (2.). Schließlich werden die Interaktionsbedingungen, die den normgerechten Folgetestrevisionen vorausgingen, näher betrachtet und gefragt, inwiefern der im Folgetest belegte Lernzuwachs unmittelbar oder mittelbar auf die vorausgehende Interaktion zurückgeführt werden kann (3.). Diese Auswertung ergab folgende, hier stark verkürzt dargestellten Ergebnisse:[5]

1.     Die Übereinstimmung zwischen korrekter Aufgabenlösung und korrekter Testlösung (85%) liegt sehr viel höher als die zwischen inkorrekter Aufgabenlösung und inkorrekter Testlösung (28%), da Letztere auf tendenziell unsicheren und permeablen L2-Wissensbeständen beruhen.

2.     Die in der Interaktion artikulierten Individuellen Lernerhypothesen wurden im dyadenspezifischen Folgetest a) nicht-zielsprachenkonform revidiert (1%), b) nicht revidiert (61%) und c) zielsprachenkonform revidiert (38%).

3.     Diese zielsprachenkonformen Revisionen konnten in 78% aller Fälle auf Lerngelegenheiten innerhalb, in 22% auf Lerngelegenheiten außerhalb der Interaktion (Rückgriff auf externe Informationsquellen) zurückgeführt werden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die dialogische Aufgabenbearbeitung in großem Maße auch zur Formulierung, Begründung und Aushandlung von L2-Hypothesen führt, die außerhalb des sprachlichen Schwerpunkts und eigentlichen Lernziels der Aufgabe liegen. In mehr als einem Drittel dieser Aushandlungen werden ursprünglich nicht-zielsprachenkonforme L2-Wissensbestände durch zielsprachenkonforme ersetzt und mittelfristig internalisiert. Dort, wo beide Lerner L2-Wissenlücken aufwiesen, hat die dialogische Aufgabenbearbeitung Lernaktivitäten außerhalb der Interaktion bzw. des Unterrichts stimuliert.[6]

 

5. Didaktische Implikationen: Von der Forschungswerkstatt zurück ins Klassenzimmer

Wenn zu Zwecken einer im Fremdsprachenunterricht angesiedelten Untersuchung Lernaufgaben entwickelt und evaluiert werden, mag aus didaktischer Perspektive zunächst die Frage im Vordergrund stehen, ob diese Aufgaben für den regulären Unterricht empfohlen werden können. Auf der Grundlage der vorliegenden Ergebnisse möchte ich diese Frage eindeutig positiv beantworten. Diese Bewertung steht überdies im Einklang mit der durchweg sehr positiven Einschätzung der Aufgaben durch alle Lehrkräfte, bei denen diese Aufgaben durchgeführt wurden. Die innerhalb der Untersuchung entwickelten dyadischen, kommunikativ und sprachstrukturell orientierten Lernaufgaben dürfen somit als unbedingt spracherwerbsfördernd angesehen werden.

Dort, wo eine empirische Lernaufgabenforschung der Frage nachgeht, wie Lerner Aufgaben ausführen, kommt diese bisweilen zu ernüchternden Ergebnissen. So kommentieren in Börners (2000: 329) Untersuchung zwei Lerner die bearbeiteten Lehrwerksaufgaben (Ergänzungs- und Umformungsaufgaben zu Präpositionen und Personalpronomen) mit den Worten „Tja, ich muss nicht wissen, was das bedeutet, das ist schon mal gut. Ist ja immer so bei Grammatikaufgaben“ und „Is nämlich so nett gemacht wie in vielen Workbooks, man kann einfach nach so’m Schema F arbeiten“. Wie zuvor deutlich wurde, ist ein solchermaßen formales und schematisches Bearbeiten und Lösen bei den Textreparaturaufgaben kaum möglich. An die Stelle der isolierten Anwendung einzelner grammatischer Regeln – „Man äh fängt an, denkt über die ersten drei drei vier Sätze nach und fängt dann irgendwie an, mechanisch weiter auszufüllen“ (Börner 2000: 331) – tritt die Interaktion und Integration vielfältiger Wissensquellen. Hierbei müssen zur erfolgreichen Aufgabenlösung satzinterne wie satzübergreifende Bedeutungen und Sinnzusammenhänge miteinbezogen werden. Der „kommunikative Anstrich“, den inzwischen eine Vielzahl grammatischer Aufgaben vorweisen, wird so zum essentiellen Bestandteil der Aufgabe selbst. Nur mittels der Berücksichtigung der kommunikativen Funktion des zu bearbeitenden Textes können die einzelnen grammatischen Formen und Strukturen adäquat umgeformt und zu einem sinn- und bedeutungsvollen Text zusammengefügt werden. Das Einüben und Bewusstwerden solcher Form-Funktionsbeziehungen mittels entdeckenden und experimentierenden Lernens erscheint hierbei als eine der wesentlichen Eigenschaften der entwickelten Aufgaben.

Die entwickelten Aufgaben unterscheiden sich hinsichtlich der durch sie stimulierten Lerner-Lerner-Interaktionen nicht nur von grammatikalischen Übungen, bei denen die kommunikative Funktion des Textes oder der zu bearbeitenden Struktur zur Aufgabenlösung nicht unbedingt berücksichtigt werden muss, sondern auch deutlich von referentiellen Kommunikationsaufgaben (Informationslückenaufgaben), die nicht auf das Unterrichtsgeschehen oder das Fremdsprachenlernen selbst bezogen sind. Ausgehend von der Beschreibung einer fiktiven Situation – plane crash (Porter 1986), heart transplant (Pica & Doughty 1985) oder nuclear war (Plough & Gass 1993) – müssen hierbei Entscheidungen zur Problemlösung getroffen werden.[7] Zu dieser Art der Interaktion bemerkt Wolff:

Eine authentische Interaktion ist eine sinnhafte Interaktion. Sie ist möglich mit Muttersprachlern der fremden Sprache, aber auch mit dem Lehrer und mit den Mitschülern. (...) Wenn pseudoreale oder pseudofiktive Inhalte zum Gegenstand der Kommunikation gemacht werden, dann ist sie nicht mehr authentisch. Es ist sinnvoller, im Fremdsprachenunterricht in der fremden Sprache über das Lernen von Vokabeln zu sprechen als über den Stadtplan einer fiktiven Stadt. (Wolff 1997: 177)

„Authentisch“ interpretiere ich hierbei als auf die Lern- und Verwendungskontexte bezogen, innerhalb deren die fremde Sprache erworben und gebraucht wird. Verwendungskontexte werden berücksichtigt wenn, wie es in den untersuchten studienvorbereitenden DaF-Kursen oft der Fall ist, der eigene kulturelle Hintergrund sowie das angestrebte Studienfach thematisiert werden. Lernkontexte hingegen werden dann berücksichtigt, wenn das Erlernen der Fremdsprache selbst zum Unterrichtsgegenstand wird. Nicht nur sporadisch, aus dem Unterrichtsgespräch erwachsend (vgl. die Analyse sprachbezogener Lernerfragen, Eckerth 1998), sondern systematisch und auf ausgewählte L2-Strukturen fokussiert, ermöglichen dies die für die vorliegende Untersuchung entwickelten Textreparaturaufgaben. Authentisch und relevant ist die bei der dialogischen Bearbeitung solcher sprachreflexiver Lernaufgaben entstehende „Zielsprachliche Kommunikation über Grammatik im Fremdsprachenunterricht“ (Eckerth 2000) insofern, als dabei nicht – wie bei referentiellen Kommunikationsaufgaben – über fiktive Ereignisse, sondern über reale L2-Lerninteressen und -probleme gesprochen wird. Wie die Interaktionsprotokolle zeigten, interagieren die Lerner hierbei in vielfältiger Weise: Neben objektsprachlichen Aushandlungen stehen knappe metasprachliche Begründungen sowie umfassendere Erklärungen. Dabei kann der erklärende Lerner vorübergehend eine „didaktische“ Rolle einnehmen, indem er versucht, mit an das Lernproblem und das Kenntnisniveau des Partners angepassten Erklärungen auf dessen Lernschwierigkeit einzugehen. Ausgegangen werden kann somit von einem Lernpotenzial sowohl für den (momentan) kompetenteren als auch den weniger kompetenten Lerner.

Dem Adressaten der Erklärung bieten solche Sequenzen die Möglichkeit, mittels didaktisch, d.h. einfach und damit tendenziell vergessensresistent formulierter metasprachlicher Regeln seine nicht zielsprachenkonformen, unsicheren oder lückenhaften L2-Wissensbestände zu korrigieren, strukturieren, ergänzen und zu festigen. Dabei müssen die im Vergleich zur Lehrkraft begrenzten zielsprachlichen Fähigkeiten der Lerner bei der Formulierung einer solchen Regel nicht von Nachteil sein. Im Gegenteil kann eine solche, den nicht muttersprachlichen Hörverstehensfertigkeiten der Rezipienten entsprechende und somit angepasste Kompetenz mitunter von Vorteil sein. Des Weiteren darf diese Form der stark kontextualisierten metasprachlichen Erklärung, welche unmittelbar aus der Lerner-Lerner-Interaktion erwächst und sich genau auf ein dabei zu Tage getretenes Lernproblem bezieht, als in höchstem Maße lernfördernd eingestuft werden.[8] Damit machen die Interaktionssequenzen aber auch deutlich, dass es in sprachreflexiven Lerner-Lerner-Interaktionen nicht unbedingt erforderlich ist, Lerner mit ähnlichem L2-Niveau oder vergleichbaren metasprachlichen Fähigkeiten zusammenarbeiten zu lassen. Vielmehr können auch dort Lerngelegenheiten für beide Lerner angenommen werden, wo Lerner unterschiedlicher Kompetenzen aufeinander treffen. So kann in den genannten Sequenzen nicht nur der jeweils schwächere Lerner von den metasprachlichen Erklärungen des Partners profitieren. Auch dem kompetenteren der beiden Lerner bieten solche Erklärungen die Möglichkeit, sein entsprechendes L2-Wissen zu reflektieren und so auf etwaige Lücken, Vagheiten oder Unsicherheiten aufmerksam zu werden. Zudem scheint die „didaktische“ Rolle, die der kompetentere Lernpartner zuweilen einnimmt (Transkript 1), insofern lernfördernd zu sein, als er sein L2-Wissen, das er für sich strukturiert und internalisiert hat, nun didaktisieren, d.h. für seinen Lernpartner aufbereiten muss und so einen sichereren und flexibleren Umgang mit dem Lernstoff entwickeln kann.[9]

In Hinsicht auf die metasprachliche Kommunikationsebene belegen diese Ergebnisse somit, dass Lerner sehr wohl in der Lage sind, sich gegenseitig qualitativ angemessene Rückmeldungen auf ihre Lösungsvorschläge und zielsprachlichen Annahmen zu liefern. Selbstverständlich ist die Gültigkeit dieser Ergebnisse teilweise begrenzt auf die lerner- und institutionsspezifischen Kontexte, innerhalb derer sie erzielt wurden. Eine eingehendere Erforschung von Lerner-Lerner-Interaktionen in anderen Ausprägungen des Fremdsprachenunterrichts scheint daher dringend geboten.[10]

Wenn eine solche Form der eigenständigen sprachreflexiven Partnerarbeit positiv bewertet wird, darf zugleich nicht verkannt werden, dass die Lehrkraft damit weiterhin in einer großen Verantwortung für das Unterrichts- und Lerngeschehen verbleibt. Dies betrifft nicht nur die Phase der Aufgabennachbereitung, sondern auch deren Planung, Vorbereitung und Einführung. Ziel dieser Aktivitäten ist dabei hauptsächlich zweierlei: erstens, das Interesse und die Konzentration der Lerner tendenziell weg vom Lernprodukt (der Aufgabenlösung) stärker auf den Lernprozess (die Aufgabenbearbeitung) zu lenken, und zweitens, den Lernern das Bewusstsein für ihre Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu vermitteln.

Dies ist möglich mittels eines didaktischen Zyklus, bei dem nicht allein die Aufgabendurchführung im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens steht und deren Vor- und Nachbereitung eher beiläufig und auf einer Ad-hoc-Basis erfolgt, sondern von vornherein geplant und strukturiert wird. Zu beachten ist dabei, dass den Lernern nicht definierte Aufgabenstellungen, Arbeitsanweisungen und Zielvorgaben zugewiesen werden, sondern dass sie bei der Auswahl, Gestaltung und Evaluierung von Aufgaben eine möglichst aktive Rolle übernehmen. Dies bedeutet z.B., dass im Anschluss an die Vorstellung einer bestimmten Aufgabe ausgewählte Eigenschaften der Aufgabe – zielsprachliche Formen und Strukturen, kommunikative Funktionen, Wege der Lösungsfindung, Lernziele etc. – im Klassenverband oder in Partnerarbeit gemeinsam erarbeitet, reflektiert und, in Hinsicht auf individuelle Lerninteressen und -gewohnheiten sowie zielsprachliche Defizite, evaluiert werden. Ein mögliches (oder gar wahrscheinliches) Ergebnis einer solchen Reflexion ist unter Umständen, dass verschiedene Lerner verschiedene Zugänge zu einer Lernaufgabe gewinnen und gemäß ihren zuvor festgestellten Lernstärken und -schwächen unterschiedliche Schwerpunkte bei der Aufgabenbearbeitung setzen werden. Eine solche aufgabenvorbereitende Diskussion hätte tendenziell den Charakter eines Lernberatungsgesprächs, bei dem z.B. auch Elemente subjektiver Sprachlernkonzepte (Eckerth 2003c) expliziert und zum Ausgangspunkt der Aufgabenbearbeitung gemacht werden können.

Ebenso prozessorientiert wie die Vor- kann auch die Nachbereitung der Aufgabenbearbeitung erfolgen. Wenn die Aufgabenausführung, wie es bei den vorliegenden Aufgaben der Fall ist, mittels kontrovers diskutierter Lösungsvorschläge zu einer Destabilisierung bestimmter, vor allem unsicherer oder vager lernersprachlicher Wissensbestände führt, ist eine unmittelbare lehrerseitige Rückmeldung auf die L2-Annahmen von besonderer Bedeutung. Jedoch haben die Untersuchungsergebnisse gezeigt, dass die Verweigerung eines solchen unmittelbaren Feedbacks auch Neugier und damit Eigenlernaktivitäten der Lerner in Form eines Weiterlernens über den Unterrichts hinaus herauszufordern vermag. Aus diesem Grund wäre es ebenfalls denkbar, die Lerner nach der Aufgabenbearbeitung aufzufordern, L2- und aufgabenbezogene Fragen, Vermutungen und Unsicherheiten zu notieren, außerhalb des Unterrichts selbstständig zu klären und erst am nächsten Tag mittels einer Plenumsbesprechung im Unterricht zu evaluieren. Unabhängig davon, ob diese Evaluation unmittelbar oder zeitlich verzögert stattfindet, sollte sie nicht von den korrekten, von der Lehrkraft vorgegebenen Musterlösungen, sondern vielmehr von den während der Aufgabenbearbeitung erarbeiteten Fragestellungen, Hypothesen und Lösungsvorschlägen der Lerner ausgehen. Hierbei kann anhand der Argumentationen und Lösungsbegründungen der Lerner, die zuvor in Partnerarbeit und nun im Klassenverband artikuliert werden, die unterschiedliche Qualität bestimmter Lösungswege aufgezeigt werden.[11]

Deutlich wird bei all diesen Vorschlägen, Optionen und Handlungsempfehlungen, dass sich hier ein reiches Betätigungsfeld auftut für Lehrkräfte, die im Sinne der Handlungsforschung ihr eigenes Wirkungsfeld explorieren und optimieren möchten. Über die engeren Ziele der Handlungsforschung hinaus können solche Bemühungen nicht nur zu einer Verbesserung von Unterrichtsmaterialien und deren Anpassung an bestimmte Zielgruppen führen, sie bieten auch wertvolle Ansatzpunkte und Hinweise für eine systematische Lernaufgabenforschung. Ebenfalls involviert in diesen Entwicklungs- und Evaluationsprozess sind Lehrwerkautoren, die, wie Koenig (1999: 88) fordert, „Wissen über Sprachlernprozesse konsequenter in den Materialien umsetzen“ sollten. Wie Koenig (ebd.) ebenfalls zeigt, ist die stärkere aktive Einbeziehung der Lerner bei der Auswahl, Gestaltung und Evaluierung von Unterrichtsmaterialien in einigen Lehrwerken, vor allem im Bereich DaF, bereits ansatzweise realisiert, ohne dass dies jedoch, ebenso wenig wie die zahlreichen didaktischen Vorschläge für einen handlungs- und projektorientierten Fremdsprachenunterricht (z.B. Bach & Timm 1989; Legutke & Thomas 1991; Bimmel et al. 1994)) von einer entsprechenden empirischen Lernaufgabenforschung begleitet wäre. Eine unterrichtsbasierte, prozess- wie produktorientierte Interaktions- und Lernaufgabenforschung könnte diese Unterrichtsempfehlungen empirisch absichern, relativieren oder widerlegen. Sie wäre zugleich geeignet, die Praxisrelevanz der Fremdsprachenforschung zu befördern, die in der Fremdsprachenlehre Tätigen stärker in die Forschungsbemühungen und -ergebnisse miteinzubeziehen und so die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Forschenden und Lehrenden zu intensivieren.

Ein solches Ziel erfordert u.a. auch eine stärkere Transparenz gegenüber den am Forschungsprozess Beteiligten. Wenn Lehrende, wie dies in der Vergangenheit oft der Fall war, innerhalb der Fremdsprachenforschung nicht nur als „eine Variable im ‚Faktorenkomplex Fremdsprachenunterricht‘“ (Duxa 2000: 231) in den Blick genommen und mit anderen Variablen korreliert werden, sondern anstatt in einer Objektrolle als reflexiv handelnde Personen wahrgenommen werden sollen, dann ist zuallererst mehr Transparenz gegenüber den in eine Untersuchung involvierten Lehrenden anzustreben. Obwohl in der vorliegenden Untersuchung weniger Lehr- und Lehrerverhalten, sondern vor allem Lerner-Lerner-Interaktionen im Zentrum des Erkenntnisinteresses standen, gilt das Gütekriterium der Transparenz gegenüber allen am Forschungsprozess Beteiligten (vgl. Aguado 2000) auch hier: Die Notwendigkeit, Zwecke und Ziele des eigenen Handelns weitgehend aufzudecken, gilt unabhängig von Untersuchungsgegenstand und Erkenntnisinteresse. Welchen Stellenwert dies in der subjektiven Wahrnehmung der Beteiligten einnimmt, mögen folgende Zitate belegen. So äußert eine der Lehrkräfte in einem die Untersuchung begleitenden Gespräch: „Man kann alles mit den Studenten machen, solange man ihnen gegenüber offen sagt, was man vorhat, und nicht versucht, irgendwas hintenrum laufen zu lassen.“ Ihr eigenes Verhältnis zur durchgeführten Untersuchung schildert diese DaF-Lehrerin nach Abschluss der Untersuchung mit den Worten: „So habe ich mir die Sprachlehrforschung immer vorgestellt. Das ermutigt mich, in Zukunft mit eigenen Fragen auf dich zuzugehen, ob man dies oder das nicht genauer untersuchen könnte.“ Eine solche Äußerung betrachte ich auch als Hinweis darauf, welche Augenscheinvalidität und didaktische Plausibilität eine komplexe Untersuchungsanordnung mittels des Bemühens um größere Transparenz bezüglich der eigenen Intentionen, Ziele und Zwecke erreichen kann. Ich möchte sie zugleich als Aufforderung verstehen, weiterhin und verstärkt eine enge Partnerschaft und Kooperation zwischen den in der Fremdsprachenlehre und in der empirischen Fremdsprachenforschung Tätigen zu suchen.

 

Literatur

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Biographische Angaben

Johannes Eckerth, Dr. phil ist nach Lehr- und Forschungstätigkeiten an den sprachwissenschaftlichen Instituten der Universitäten Utrecht, Hamburg, Berlin und Leipzig zur Zeit als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Allgemeine und Angewandte Sprachwissenschaft, Abteilung Sprachlehrforschung der Universität Hamburg tätig. Schwerpunkte seiner Forschung und Lehre sind kognitive und affektive Aspekte des Fremdsprachenerwerbs, methodologische Probleme der Fremdsprachenforschung sowie Didaktik des Deutsch-als-Fremdsprache-Unterrichts.



[1] Transkriptionskonventionen: S, B = Initialen der Interaktanten; . = Sprechpause, ca 1 Sek. pro Punkt; ? = steigende Abschlussintonation; ander/ = Abbruch; ä::hm = vokalisches Zögern; [ ] = Kommentar zu nachfolgendem Redebeitrag, aufgehoben durch +.

[2] Kontrastiert wird hier also deduktive mit induktiver Grammatikvermittlung, unabhängig von der Sozialform, innerhalb derer diese stattfindet. Zu Stärken und Schwächen induktiver vs. deduktiver Grammatikvermittlung vgl. Schlak (2003).

[3] Dieser anhand eines t-Tests für abhängige Stichproben ausgewertete Testteil ergab keine signifikanten Mittelwertunterschiede.

[4] Zwischen den beiden Faktoren Zeit und Kurs besteht keine signifikante Wechselwirkung (F=0,415, p=0,662).

[5] Für eine detaillierte Diskussion der Definition, Operationalisierung und Auswertung des Konstrukts der Individuellen Lernerhypothesen vgl. Eckerth (2002).

[6] Vgl. hierzu auch Eckerth (2003d), wo auf der Basis empirischer Daten ein kognitiv-diskursives Modell des Fremdsprachenerwerbs als Prozess der lernerseitigen Hypothesenbildung und -überprüfung entwickelt wird.

[7] Nicht nur in der anglophonen Fremdsprachenforschung und -lehre, auch im DaF- und Fremdsprachenunterricht im deutschsprachigen Raum sind solche Informationslückenaufgaben sehr verbreitet, wie z.B. das populäre Unterrichtsmaterial „Wechselspiel“ (Dreke & Lind 1989 für DaF, Parallelausgaben auch für Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch) belegt.

[8] Wie in Abschnitt 4.3.2 dargelegt, sind lernerseitige Abweichungen von ursprünglich zielsprachenkonformen zugunsten nicht-zielsprachenkonformer L2-Hypothesen empirisch so gut wie nicht belegt (lediglich 1% aller „Individueller Lernerhypothesen“); sie können damit methodologisch und didaktisch vernachlässigt werden.

[9] Dabei bietet Partnerarbeit gegenüber Kleingruppenarbeit den Vorteil, dass es einzelnen Lernern kaum möglich ist, sich weitgehend aus der Interaktion zurückzuziehen. Vgl. hierzu z.B. Foster (1998), die Interaktionsstruktur und Redeverteilung bei Kleingruppen- und Partnerarbeit vergleicht. Der Gebrauch der L1 in Gruppen- und Partnerarbeit sowie weitere didaktische und unterrichtspraktische Einwände gegen diese Sozialformen werden ausführlich von Schwerdtfeger (2001) diskutiert.

[10] Auf dieses Desiderat hat unlängst Vollmer (2000: 266) in Hinblick auf den bilingualen Sachfachunterricht hingewiesen.

[11] Vgl. die bei Rampillon (2000) formulierten unterrichtspraktischen Vorschläge, bei denen die Funktion der Selbstevaluation als Auslöser für vielfältige Lernprozesse und Einsichten in individuelle Lernwege betont wird.