Vom Buch ins digitale Abenteuerland

 

 

Carol Rosa, Bern

 

 

Nichts schwieriger als das: Wer heute eine Fremdsprache lernt oder sich in ein neues Sach- und Fachgebiet einarbeiten will, benutzt selbstverständlich den Computer. Gute Lernsoftware zu finden, insbesondere für Kinder und Jugendliche, ist allerdings schon weniger selbstverständlich. Denn die Auswahl ist immens. Hunderte von Titeln kommen jedes Jahr auf den Markt. Wie verschafft man sich also einen Überblick? Indem man die verschiedenen Verlagsprogramme genauer unter die Lupe nimmt. Ein solides, jedoch eher traditionelles Lernsoftware-Programm bieten die drei deutschen CD-ROM-Verlage Ravensburger, Cornelsen Software und Heureka Klett. Erst in den letzten zwei Jahren finden sich in ihren Programmen vermehrt auch gut gemachte Edutainment-CD-ROMs.

Anders als bei herkömmlicher Lernsoftware steht beim CD-ROM-Genre ‘Edutainment’ der Spaß im Vordergrund. Die Software ist so konzipiert, dass Kinder auf unterhaltsame Weise etwas lernen können. Der bekannteste und renommierteste deutsche Verlag im Edutainment-Bereich heißt Tivola. Der Verlag hat sich in den letzten Jahren qualitativ zur Nummer eins unter den Produzenten von CD-ROMs für Kinder und Jugendliche entwickelt. Allein seine Bilderbuch-Adaptionen wurden mehrfach ausgezeichnet. Und seit kurzem gibt der Verlag auch eine Bilderbuchreihe heraus. Geschichten für Leseanfänger, ansprechend illustriert. Sie vermitteln ohne moralisierenden Zeigefinger humane Werte. Die Verbindung von CD-ROM und Buch überzeugt als Konzept und eröffnet Eltern, Erziehern und Lehrern wertvolle Möglichkeiten zur Medien- und Leseerziehung.

Eine vorbildliche Literatur-Adaption für Jugendliche hat der Tivola-Verlag außerdem soeben mit Der kleine Prinz herausgegeben. So wunderbar und überraschend wünscht man sich mehr Literatur-Adaptionen.

Tatsache ist aber, dass praktisch keine, und schon gar keine überzeugenden, Literatur-Adaptionen von deutschsprachigen Literaturwerken existieren. Und wenn, sind sie enttäuschend. Das könnte auch einer der Gründe sein, wieso sich die Literaturwissenschaft im deutschsprachigen Raum nur sehr zaghaft mit dem neuen Medium CD-ROM auseinandersetzt.

 

 

Eine futuristische Stadt in aufregenden Farben; durch die tiefen Straßenschluchten sausen undefinierbare Flugobjekte; unterlegt ist die Szenerie mit fetziger MTV-Musik, ganz wie’s den Kindern und Jugendlichen gefällt. In einer fliegenden Untertasse sitzt der Held der Geschichte, „Tim 7“, die Hauptfigur aus der gleichnamigen Lernsoftware von Klett-Heureka. Plötzlich verliert Tim die Herrschaft über seine Maschine, sie wird von unsichtbarer Hand aus der Stadt hinaus navigiert, rein ins erste Abenteuer: Aus der luftigen Perspektive eines Adlers stürzt der kleine Held mit seiner Maschine mitten in eine Inselgruppe. Und schließlich die rasche Fokussierung auf die kleinste der Inseln, dann auf eine Hütte, dann eine Tür – und schon ist man mitten drin: In der virtuellen Schulstube. Direkt nach diesem hollywoodschen Intro, das lebendiges, spannendes und auch ästhetisches Lernen verspricht, macht sich Tim an die erste Aufgabe: Rätsel knacken, eine Zeitvorgabe gibt es auch. Tim bleibt wenig Zeit, die Spannung steigt: Findet unser Held in der verrückten Werkstatt des Professors die richtige Schublade mit den geheimnisvollen Angaben, die ihm weiterhelfen können? Ja, Tim findet sie. Doch damit ist der schöne Traum vom spannenden Lernen auch schon wieder vorbei. Denn alles, der tolle Einstieg, die rasante Bildbewegung, kann nichts ausrichten gegen die Langeweile, die das ausströmt, was Tim in der Schublade findet. Grammatikregeln! Die Spannungselemente kommen in Sekundenbruchteilen zum Erliegen. Die Regeln müssen gepaukt werden, und wer es nicht begreift, kommt im Spiel nicht weiter. Keine Rede also von „spielend lernen“, eine Mischung von Education und Entertainment – im Fachjargon „Edutainment“.

„Das Tim-7-Programm richtet sich in erster Linie an Schüler, die höchst motiviert sind zu lernen“, lautet denn auch das Urteil des Schweizer Medienpädagogen und Software-Kritikers Manfred Roosens (er wird später näher vorgestellt).

 

1. Gute Kinder- und Lernsoftware ist immer noch keine Selbstverständlichkeit, obwohl sich auf dem deutschsprachigen Softwaremarkt in den letzten zehn Jahren viel getan hat

Ende der 80er Jahre, Anfang der 90er Jahre beherrschten nur gerade drei Genres den Softwarebereich: Spiele, Anwendersoftware und Lernsoftware. Alles auf Diskettenbasis. Erst als 1993/94 die CD-ROM mit ihren 650 MB (Mega Bytes) den deutschsprachigen Massenmarkt eroberte, wurde auch die Software für Kinder immer aufwändiger. Einer der ersten Titel, in Deutschland, der Schweiz und Oesterreich lange Zeit nur auf Englisch verfügbar, hieß „Just Grandma And Me“. Bei dieser Bildergeschichte wurde uns erstmals eine Software vorgeführt, die mit den Mitteln des Bilderbuchs und des Hörspiels arbeitete. Die Illustrationen kamen warmherzig und nicht sehr computerlastig herüber, die Musik mitreißend und die Sprecher exzellent. Bis zu diesem Produkt wäre niemand auf die Idee gekommen, Kinder im Vorschulalter bedenkenlos vor den Computer zu setzen. Zu dieser Zeit etablierten sich in Deutschland die Schulbuchverlage mit Software, die zum Schulbuch passte, allen voran der Klett-Verlag. Auch Schroedel und Cornelsen ließen ebenfalls nicht lange mit digitalen Produkten auf sich warten. Doch die Lerntitel waren recht einfach gestrickt und alles andere als benutzerfreundlich. Kurz nach der Einführung der CD ROM entdeckten immer mehr Hersteller die Kinder als neue Zielgruppe. Das heißt, eher die Eltern, denn Kinder kaufen keine Kindersoftware. Bis heute nicht. Wenn überhaupt investieren sie ihr Geld lieber in Playstation und Game-Boy-Spiele. Eltern wiederum suchen für ihre Sprösslinge nach Titeln, die pädagogisch sinnvoll und vor allem gewaltfrei sind. Neben den Schulbuchverlagen stiegen auch andere bekannte Publikums- und Kinderbuchverlage wie Bertelsmann und Ravensburger in den Softwaremarkt mit ein.

Viele brachten amerikanische Programme auf Deutsch heraus. Vor allem aber auch Software aus Frankreich machte sich mit Qualität und schickem Design einen Namen. Das französische Lernprogramm mit dem außerirdischen „Addy“ war die erste Lernsoftware im deutschsprachigen Raum, die nur für CD-ROM konzipiert war und als Lernsoftware-Reihe auf den Markt kam. (Zuerst gab es Addy nur für die untere Schulstufe. Neu gibt es jetzt „Addy Teens“, Deutsch- und Mathe-Programme bis zur achten Klasse.)

Der Außerirdische eroberte das Herz der Kinder und bot ihnen neben den Lernprogrammen auch vielerlei Spiele, zusätzliches Wissen und Unterhaltung. Bis heute hat sich „Addy“ von Havas im deutschsprachigen Raum über eine Million mal verkauft und ist damit auf dem deutschen Markt im Bereich Edutainment führend.

Auch andere Verlage, die sich speziell zur Eigenentwicklung von Kindersoftware gegründet haben, versuchten im scheinbar lukrativen Geschäft ihr Glück. Zum Beispiel der Berliner Tivola Verlag. Tivola setzte von Anfang an mit einem inhaltlich und ästhetisch profilierten Programm internationale Maßstäbe und gilt unter anderen mit seinen Serien „Max“ und „Oscar“ als einer der erfolgreichsten Newcomer der Branche. Beide Titel fallen auf mit einer sehr schönen Grafik, einfallsreichen Szenarien und der Eigenart der Langsamkeit. „Langsamkeit“ ist geradezu ein Schlagwort in der heutigen hektischen, schnellebigen Zeit geworden, das besonders unter Lehrern, Psychologen und Kulturschaffenden aller Sparten Hochkonjunktur hat. Tivola hat es geschafft, das Unvereinbare, den Computer und die ganz gemächliche Handlung auf eine Weise zusammenzuführen, die irgendwie funktioniert.

 

2. Wie sieht also der heutige „Nachmittagsmarkt“ aus?

Jährlich erscheinen über 300 bis 400 neue deutschsprachige Titel für den „Nachmittagsmarkt“, wie die Kindersoftware in Fachkreisen auch noch genannt wird. Die meisten Programme kommen von den zehn bedeutenden Verlagen der Szene. Der Markt teilt sich heute in folgendes Angebot:

· Erstes Klicken und Vorschule

· Spielgeschichten

· Krimi

· Mädchen

· Quiz, Knobeln und Geschicklichkeit

· Kreativität

· Sachthemen

· Schule

Ich möchte in der Folge auf ein paar Angebote näher eingehen: So zum Beispiel auf die sogenannten Spielgeschichten“. Sie gehören zu den spannendsten Feldern. Oft sind es schön illustrierte Geschichten, von Profi-Sprechern vorgetragen. Die Spielgeschichten bieten viele Möglichkeiten zum Interagieren und natürlich auch zum Spielen, wie der Name schon sagt.

Beliebt sind Bilderbuchadaptionen.

Der deutsche Terzio-Verlag, einer der renommiertesten, hat sich beispielsweise auf Michael-Ende-Geschichten spezialisiert und „Das Traumfresserchen“ wie auch „Der Teddy und die Tiere“ herausgebracht. Die Geschichten werden sprachlich vielfältig vom bekannten Schauspieler Rufus Beck, der alle Hörspielkassetten von Harry Potter auf Deutsch vertont hat, erzählt. Beck findet für jeden Charakter den richtigen Unterton. Allerdings vermögen beide CD-ROMs, nicht zu überzeugen. Warum? Der Umgang mit den Bildern ist zwar qualitativ hochstehend. Die Original-Illustrationen wurden eingescannt und dann am Computer animiert. Einzelne Sequenzen mussten nachgezeichnet werden, zum Teil traditionell am Brett oder dann direkt am Computer. Nur hat man das Gefühl, dass es sich um ein vertontes Bilderbuch handelt, mehr nicht. Von interaktiv kann keine Rede sein. Die interaktiven Möglichkeiten des Mediums wurden zu wenig ausgenutzt. Trotz der eingebauten Geschicklichkeitsspiele bleibt für die Kinder kaum etwas zu tun. Die Spiele auf der CD-ROM „Der Teddy und die Tiere“ bietet wenig Anreize. Ein Puzzle, ein Anziehspiel, ein Labyrinth. Ist ein Spiel geschafft, lockt weder eine Belohnung noch eine höhere Schwierigkeitsstufe. Beides sind passive Scheiben, die Kinder können genau so gut die Geschichte im Bilderbuch nachlesen. Kinder brauchen die aktive Herausforderung, sie brauchen Programme, die sie in ihrer Neugier bestärken, die Lust am Ausprobieren, am Spiel fördern.

Es gibt aber auch das Umgekehrte: Der Weltbestseller „Der Regenbogenfisch“ (der mit den glitzernden Schuppen). Das Bilderbuch des Schweizers Marcus Pfister verkauft sich zwar in ganz Europa und auch in Amerika in hohen Auflagen. Der Erfolg beruht jedoch weniger auf einer tiefgründigen Geschichte, als auf den auffällig schimmernden Schuppen. Das Bilderbuch ist alles andere als aufregend, die Bilder sind gleichförmig und langweilig, der moralinsaure Text eine Parabel über Eitelkeit. Ganz anders die CD-ROM zum Buch: Der Computer wird zum farbenfrohen Aquarium. Die Stimmung ist berauschend, die Atmosphäre sprudelnd leicht, die Musik beschwingt. Da macht es auch nichts, dass die Spieleinfälle nicht gerade der letzte Schrei sind: Tintenfischversenken, oder ein Musikspiel auf einer Meeresorgel. Und erst wenn die vorgegebene Melodie richtig gespielt wird, öffnet sich eine weitere Tür. Trotzdem: Bei der Regenbogenfisch-CD-ROM gilt ausnahmsweise: Vergessen Sie das Buch, die CD-ROM ist um Welten besser, was selten genug vorkommt.

Eine absolut gelungene Adaption ist ebenfalls „Alphabet – Das Spiel mit dem ABC“ nach einem Buch der vielfach prämierten tschechischen Illustratorin Kveta Pacovska. Die CD-ROM gewann 1998 an der Kinder- und Jugendbuchmesse in Bologna den ersten Preis im Bereich Multimedia. Wie bereits der Titel vermuten lässt, dreht sich alles um die 26 Buchstaben, die die Welt bedeuten. Intuition und Lust am Ausprobieren stehen im Vordergrund. Es gibt keinen Sprecher, der brav ins Programm einführt und auch keine Stimme, die fragt: Willst du wirklich da und da hin? Ja? Nein? Die Buchstaben segeln einfach jeder in einer anderen Gestalt herbei. Sie verwandeln sich, blasen Trompete und stellen allerhand Unfug an. Die Animationen und Bilder begeistern durch ihren Einfallsreichtum. Die Farben-und Formensprache ist überwältigend. Die Spielerin trudelt in eine bunte schräge Welt mit skurrilen Figuren. Der Cursor wird zum Halbmond, er frisst kleinere Buchstaben oder erzeugt Töne und Melodien am laufenden Band. Bleibt die Frage: Lernen die Kinder mit dieser CD-ROM das Buchstabieren? Darüber gibt es keine wissenschaftlichen Erhebungen. Auf jeden Fall dürften sich aber die dickbauchigen „B’s“ und die Trompete spielenden „E’s“ besser einprägen, als das, was in den herkömmlichen Lehrwerken so geboten wird.

Warum die Verlage die Zielgruppe „Mädchen“ aufs Korn nehmen, bleibt völlig schleierhaft. Es gibt schließlich auch keine Software für Jungs. Denn es ist statistisch erwiesen, dass mit Kinder-CD-ROMs Jungs und Mädchen etwa gleichermaßen stark spielen. (Bei den klassischen Ballerspielen allerdings gibt es markante Unterschiede: rund 90 Prozent macht der Anteil der männlichen User aus.) Ebenso hat man festgestellt, dass die Mädchen stärker als die Jungs kreative, strategisch herausfordernde Spiele bevorzugen. Die meisten CD-ROM-Angebote, die aber für Mädchen gedacht sind, unterfordern den Geist. Die Mädchen dürfen Puppen an- und ausziehen, Gesichter grell schminken, Geburstagspartys organisieren, ausgefallene virtuelle Speisen kreieren, und als verzweifelt herumirrende Prinzessinnen den Traumprinzen suchen.

Die Softwareangebote für Mädchen orientieren sich an der klassischen Rollenverteilung. Dazu kommt, dass sich das meiste erst noch auf einem technisch und konzeptionell blutleeren Niveau bewegt.

Es gibt aber auch da Ausnahmen: Ravensburger versucht in seiner Reihe „Girl Special“ die weiblichen Figuren aktiver und selbstbestimmter zu gestalten: In „Hanni und Nanni retten die Pferde“ (eine Adaption nach den berühmten Internats-Büchern von Enid Blyton) treten die Charaktere sogar stärker hervor als im Original. Bekanntlich hat sich die Engländerin nicht besonders um eine liebevolle Zeichnung ihrer Figuren gekümmert. Sie wirken stereotyp, in einem strikten Rollenschema verhaftet. In der Literatur-Adaption von Ravensburger fällt auf, dass einige Figuren eine Entwicklung durchmachen, ganz im Gegensatz zum Original. So entwickelt sich die schöne aber ein bisschen blöd-doofe Allie in „Hanni und Nanni retten die Pferde“ zu einem selbstbewussten Mädchen, das sich nicht nur mehr um sein Aussehen kümmert, sondern auch um seine schulischen Leistungen besorgt ist. Stolz erklärt Allie ihren Freundinnen, dass sie nun auch endlich gute Noten gekriegt habe. „Ich habe aber auch etwas dafür getan. Ich habe mich hingesetzt und gelernt.“ Diese Erfahrung hat Allies Selbstvertrauen in ihre intellektuellen Fähigkeiten gestärkt.

Bleiben wir noch einen Moment bei Enid Blyton und anderen Literaturadaptionen.

Die CD-ROM-Verlage picken sich „Millionenseller“ heraus: Beispielsweise Titel von Astrid Lindgren, Jostein Gaarder, Antoine de Saint-Exupéry. Vereinzelt werden auch Bücher von deutschsprachige Autorinnen und Autoren adaptiert, obwohl die wenigsten „Millionenseller“ sind. Ein Beispiel sind die Bücher von Michael Ende. Und jetzt meine ich nicht seine Bilderbücher, welche ich schon erwähnt habe, sondern seine Weltbestseller „Jim Knopf“, „Momo“ und „Die unendliche Geschichte“. Terzio brachte „Jim Knopf“ Herbst 2000 heraus und 2001 die anderen beiden Geschichten. Ob diese Kinder-und Jugendbuch-Adaptionen besser werden als die Bilderbuchadaptionen? Mal sehen. Der CD-ROM-Verlag vertritt grundsätzlich das Credo: „Je weiter man sich von der Originalgeschichte entfernt, um so besser“. Kathrin Hessing vom Terzio Verlag umschreibt das Vorgehen folgendermaßen: „Die Figuren und die Handlung dienen lediglich als Inspirationsquelle.“ Der Verlag kreiere eine eigene Geschichte, diese werde möglichst linear erzählt und schließlich würden alle möglichen Interaktionen eingeflochten.

„Eine unendliche Geschichte“ ohne Bastian und seine zauberhafte Prinzessin „Oglamar“ oder „Momo“ ohne die grauen Herren, diese Zeitfuchser, welche den Menschen die Zeit stehlen? So weit wird es wohl nicht kommen.

Außerdem müssen die Verlage auf ihre Lizenzparter Rücksicht nehmen. „So darf beispielsweise in Hanni und Nanni keine Kussszene vorkommen und es darf auch kein Pferd sterben. Das wäre einfach undenkbar“, verrät Projektleiterin Silke Holzaepfel von Ravensburger.

Es stellt sich also die grundsätzliche Frage: Was macht eine gelungene Multimediaproduktion aus? Sie braucht ein eigenständiges, dem Medium angemessenes Konzept. Es genügt natürlich nicht, den Inhalt eines Buches digitalisiert auf eine Silberscheibe zu brennen. Was wiederum nicht heißt, dass ein vorhandener Buchtitel nicht geeignet wäre, daraus eine multimedial und interaktiv gelungene CD-ROM zu produzieren. Die Realität sieht aber so aus, dass bis jetzt die wenigsten Literatur-Adaptionen zu überzeugen vermögen. Der bekannte österreichische Internet-Redakteur Gerald Jatzek (auch er wird später näher vorgestellt) bringt das Problem in Zusammenhang mit Literaturadaptionen auf den Punkt: Wir befinden uns in einem großen Experimentierfeld. Wie in der Frühzeit des Films steht die Technik im Vordergrund, dann kommt die Grafik und am Schluss erst spielt auch noch der Inhalt und die Dramaturgie eine gewisse Rolle.“

Auffällig ist denn auch bei fast allen Kinder-und Jugendbuchadaptionen, dass Aufbau und Erzählweise nur noch wenig mit den ursprünglichen Geschichten zu tun haben. Und jetzt komme ich noch einmal kurz auf Enid Blytons „Die fünf Freunde“ zurück, eine exemplarische Literatur-Adaption: Die Dialoge wurden modernisiert, mit dem heutigen Jugendjargon, „super“, „echt okay“, „spitze“, „null bock“, versetzt. „Wir sprechen von einer erlebten Sprache, sie soll für die Kinder leicht zugänglich sein“, so Hozaepfel. Die Zeichnung der handelnden Personen ist völlig unbefriedigend. Ihre psychologische Darstellung ist ohne jede Tiefe, Charaktere werden ersetzt durch Klischees und Rollenstereotype. Die weitgehend konturlosen Figuren können umstandslos mit den eigenen Wünschen, Vorstellungen, Schwächen und Begehrlichkeiten der kindlichen Betrachter und Zuhörer gefüllt werden und dienen so als willkommene Projektionsfläche.

Das Kalkül der CD-ROM-Verlage: Die Adaptionen können so noch einmal einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden.

Die einzige „Qualität“ vieler Literaturadaptionen sind, wenn man es dann so nennen mag, die zahlreichen mehr oder weniger knackigen Rätsel in verschiedenen Schwierigkeitsstufen und die verschiedenen virtuellen Welten, wo man sich umschauen kann und welche man teilweise sogar selber aktiv gestalten kann. Meistens fehlen auch nicht fundierte Biografien über die Schriftsteller. Und manchmal kann man sogar 1:1 den Originaltext nachlesen. Dabei gibt es nichts anstrengenderes als eine Geschichte auf dem Bildschirm zu lesen. Zur Auflockerung kann der User ab und an nette kleine Symbole anklicken, und so zum Klingen bringen oder sie visuell verändern. Das sind sicher keine Literatur-Adaptionen, wie man sie sich wünscht.

Das aufregendste Feld sind die „Sachthemen“: Wie bei den Büchern auch werden hier alle Themen abgegrast: Geographie, Geschichte, Sozialkunde, Religion, Philosophie, Musik, Physik etc. Allerdings: Gut gemachte CD-ROMs für Kinder ab 12 Jahren gibt es nur wenig. Die Gründe sind banal: Praktisch alle Kinder-CD-ROM-Verlage schreiben rote Zahlen. Die Produktion ist teuer, unter einer viertel Million Franken läuft nicht viel - wie eine Umfrage von mir bei Ravensburger, Terzio und Tivola ergeben hat. Und je älter die Kinder werden, um so höher ihre Ansprüche. Sie beginnen sich bei den Erwachsenen-Titel zu orientieren. Außerdem kommen die meisten Kinder mit 12 Jahren ins Game-Alter und interessieren sich auch da für Erwachsenen-Spiele. Mit solch hervorragend gemachten Programmen, durchschnittlich kostet sie eine Million Franken, können die Kinder-CD-ROM-Verlage finanziell nicht mehr mithalten.

Es gibt aber einige erfreuliche Beispiele hervorragend gemachter CD-ROMs für Jugendliche, welche erst kürzlich erschienen sind:

·       „Anne Frank Haus“ ist eine solche CD-ROM-Produktion: Ein virtueller Rundgang durch die Räume des Hauses in der Prinsengracht 263. Das Leben der Opfer wird anhand von Originaldokumenten rekonstruiert. Der behutsame Umgang mit dem Thema fällt auf, und die technische Umsetzung setzt Maßstäbe: Die rekonstruierten Zimmer können dank der hervorragenden digitalen Aufnahmen und der beispielhaften Navigation bis ins kleinste Detail betrachtet werden und geben durch die Verbindung mit zeitgenössischen Fotografien und persönlichen Gegenständen der Bewohner einen tiefen Einblick in das Leben im Untergrund. So entdeckt man bei einem Rundgang in das schmale Zimmer, in dem Anne Frank lebte, Bilder von Filmstars der Zeit. Ein Klick darauf zeigt uns einen Ausschnitt aus dem dazugehörigen Film und stellt Annes, im Tagebuch überlieferte, Bewunderung für die Schauspieler dar.

·       Die CD-ROM „Sigmund Freud“ ist optisch, grafisch, innovativ und künstlerisch ein Höhepunkt. Dieser CD-ROM gelingt, von was ein Filmregisseur nur träumen kann: Sie macht das Unterbewusste sichtbar, Traumsequenzen, Nervenfäden, Klecksbilder schaffen ein wunderbares, fast schon unheimliches Ambiente. Dabei geht die CD-ROM bis ins Detail auf das Leben und Werk Sigmund Freuds ein.

·       Und dann noch eine dritte Produktion „Knochen, Scherben, Grabbeigaben“: Bis jetzt hat sich noch niemand um das äußerst interessante Gebiet der Archäologie gekümmert. Diese CD-ROM ist vermutlich der erste Titel, der Kinder und Jugendlichen tatsächlich die Arbeit der Archäologie näher bringen will. Eine wirklich aufwändig gemachte CD-ROM. Konzeptionell ist sie so gut, dass selbst Lehrer davon nicht die Finger lassen können. Ausgangspunkt ist ein Museum. Nach einer kleinen Einführung gibt es die erste Aufgabe: Ein Feld muss abgesteckt werden, die Grabungen können beginnen. Mal mit einer Schaufel, mit einer Harke oder einer kleinen Bürste. Die Funde werden eingesammelt und bestimmt. Bei schwierigen Funden können beispielsweise Anthropologen befragt werden. Und immer werden alle Fremdwörter anschaulich erklärt. Doch Achtung: Das Spiel ist sehr komplex und die vielen Funktionen erschließen sich erst nach und nach.

Und zum Schluss noch zum Angebot „Schule“: Die „Addy“-Programme habe ich bereits kurz erwähnt. „Addy ist sehr animierend, eignet sich aber nicht für Kinder mit Konzentrationsschwierigkeiten“, gibt Manfred Roosens zu bedenken. Die Aufgaben sind anspruchsvoll und erfordern teilweise eine große Disziplin. Außerdem ist „Addy“ abgestimmt auf die Lehrpläne der deutschen Schulen, ein weiters Manko.

·       „Tim-7“ ist der zweite Klassiker im traditionellen Lernsoftware-Bereich. Die Reihe gibt es für Deutsch in verschiedenen Altersstufen, Französisch und Mathematik. Eine äußerst anspruchsvolle und nicht gerade berauschende Reihe. Denn: Die Kinder entwickeln kaum ein Interesse für ein Programm, wenn es offensichtlich auf Pauken getrimmt ist, auch wenn es noch so schön verpackt ist wie „Tim 7“.

·       Nebst den Klassikern „Addy“ und „Tim 7“ gibt es auch zahlreiche Intelligenz-Trainingsspiele für Kinder im Vorschulalter, wie auch für ältere Kinder. „Onkel Alberts geheimnisvolles Notizbuch“ von Tivola ist ein solches Beispiel und hat den Namen Edutainment redlich verdient. Ein interessantes und mit vielen Geheimnissen versehenes Spiel, zugleich aber auch eine virtuelle Reise um den Globus. Die Kinder erfahren von Onkel Albert beispielsweise, wie die Menschen auf Borneo leben und was es dort zu entdecken gibt.

·       Aber auch „Oscar, der Ballonfahrer“ bringt den Kindern zwischen 4 und 8 spielerisch die Natur und ihre Bewohner näher. Im neuesten Abenteuer fliegt Oscar in die Berge. Die CD-ROM fällt wiederum mit einem intelligenten Konzept auf: Die Kinder besuchen die Tiere in deren Umgebung und fragen sie zu ihren Lebensgewohnheiten, ihrer Nahrungsaufnahme und anderen Themen aus. Dabei kann jedes Mal die Jahreszeit gewechselt werden.

 

3. Lernsoftware macht aus schlechten Schülern keine kleinen Einsteins

Lernsoftware ist eine der spannendsten Möglichkeiten den Lernalltag zu erweitern. Kinder und Jugendliche entwickeln beim Spielen und Lernen am Computer Geschicklichkeit, Koordinationsfähigkeit, Kreativität und Problemlösungskompetenz. Gute Kindersoftware fördert strategisches und vorausschauendes Denken und Handeln, darüber sind sich praktisch alle Pädagogen und Psychologen einig, welche sich eingehend mit dem neuen Medium beschäftigen. Lernsoftware macht aber nicht automatisch aus schlechten Schülern super gute: „Lernsoftware richtet sich hauptsächlich an mittelmäßige Schüler. Schülern mit Lernproblemen kann auch die beste Lernsoftware nicht helfen. Lernsoftware kann motivieren. Mehr nicht. Lernen bleibt lernen“, sagt beispielsweise der Medienpädagoge Roosens.

Eine Meinung, welche auch der deutsche Psychologe Wolfgang Bergmann teilweise teilt (er hat kürzlich das Sachbuch „Computer machen Kinder schlau“ herausgegeben). Bergmann beschreibt, wie das Spielen und Arbeiten am Computer den Intellekt und die Gefühlswelt von Kindern und Jugendlichen positiv beeinflussen kann. Der Psychologe ist zu interessanten Ergebnissen gekommen: So sagt auch er: „Gute Spiele helfen lernen“. Es gebe außerdem ein wichtiges Motiv, das für Kinder zwischen vier und vierzehn Jahren ganz zentral sei, wenn sie vor dem Computer säßen: „Jede Lösung, die gelingt, jede Aufgabe, die korrekt erledigt wird, eröffnet sogleich einen neuen Bildraum, einen anderen Erlebnisraum. In der Schule hingegen endet die Aufgabe mit der Lösung. Am Ende der Aufgabenbewältigung steht jedes Mal eine Kontrolle, jedes Mal ist ein Kind auf dem Prüfstand. Im Computerspiel eröffnet sich hingegen jedes Mal eine neue Welt.“ Bergmann belegt also, dass Computerspiele komplexes Denken fördern: Die pädagogisch sinnvollen Computerspiele haben immer mehr als einen Weg der zum Ziel führt. Auch die einzelnen Aufgaben sind meist so gestellt, dass verschiedene Lösungen möglich sind. Wo es in der Schule meist nur eine richtige Antwort gibt, da bieten Computerspiele Möglichkeiten für das Denken in Alternativen.

Er stellt außerdem die äußerst interessante These auf, dass Computerspiele, er spricht in diesem Zusammenhang von Detektivspielen, die emotionale Intelligenz fördern. Wahrnehmung und Einfühlungsvermögen würden bei diesen Spielen geschult. Um beispielsweise herauszufinden, ob ein Zeuge lügt, müssen sich die Kinder nicht nur in ihn hineinversetzen, sie müssen auch seine Mimik deuten können. Aber auch die Stimme, deren Lautstärke, ein kurzes Zögern oder ein Räuspern im falschem Moment, kann verraten, ob das virtuelle Gegenüber die Wahrheit sagt oder eben nicht.

 

4. Kindersoftware kann also die intellektuelle und emotionale Intelligenz fördern. Entscheidend ist allerdings die Auswahl. Woran erkennt man die Qualität?

Das Kindersoftware-Angebot ist unübersichtlich und die Auswahl guter Titel schwierig. Die umfangreichste Orientierungshilfe bietet der „Große Kinder-Software-Ratgeber“ des deutschen Computerjournalisten Thomas Feibel. Die „Software-Bibel“, wie sie in Fachhandel oft genannt wird, ist als Buch erhältlich oder auch als CD-ROM mit Demoversionen aller besprochenen Titel. Feibel lebt und arbeitet in Berlin. Er leitet dort das „Büro für Kindermedien“ (die online-Adresse: http://www.feibel.de).[1]

Das schweizerische Pendant zur Feibel-Bibel ist die Broschüre „Die Welt ist keine Scheibe“, herausgegeben von Manfred Roosens, ich habe ihn eingangs des Beitrags kurz erwähnt: Sein Nachschlagewerk bietet eine Auswahl von 200 Spielen und Lernsoftware, die von Pädagogen, welche zugleich selber auch Eltern sind, erstellt wurde (die online-Adresse: http://www.medienrat.ch[2]

Und einer der bekanntesten Internet-Redakteure in Oesterreich heißt Gerald Jatzek. Er schreibt regelmäßig unter der Rubrik „Multimedia“ für „1001 Buch“, ein Magazin für Kinder- und Jugendliteratur. Von mir ausgesehen die momentan beste deutschsprachige Fachzeitschrift. Jatzek schreibt auch für die NZZ und etliche PC-Zeitschriften. In der Wienerzeitung rezensiert er außerdem regelmäßig neu erschienene CD-ROMs für Kinder und Jugendliche (zu finden unter der Adresse: http://www.wienerzeitung.at/). Jatzek ist eine vielseitig begabte Persönlichkeit. Nebst seiner journalistischen Tätigkeit ist er auch Liedermacher und Autor von Kinderbüchern. 1999 erhielt er einer der Kinder- und Jugendbuchpreise der Stadt Wien. Er ist Mitautor des Buches „Von Gutenberg zum World Wide Web“, erschienen im Dachs Verlag.

Hat man einmal eine Auswahl getroffen, ist es wichtig, dass man die Programme auch am Bildschirm testen kann. Demoversionen vermitteln einen Eindruck zu wichtigen Kriterien wie der Qualität von Grafik, Sound und Sprechern. Ueber Schwierigkeitsgrad und Benutzerführung geben die Demos allerdings wenig Auskunft. Mein Tipp: kurz die Originalversion einer Software aufstarten. „Muss eine Software erst mühsam, womöglich nach Anleitung im Handbuch, installiert werden, ist meistens auch die Bedienung kompliziert“, erklärt auch Roosens.

Ein Hinweis auf Qualität können Auszeichnungen und Gütesiegel sein. Commputerjournalist Feibel verleiht in seinem Kinderratgeber beispielsweise Mäuse. Die höchste Wertung sind sechs Mäuse. Doch nicht jede CD-ROM mit einer hohen Mäuse-Auszeichnung ist auch gut. Roosens dazu: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ohne eine Spezialisierung eine durchgehende Qualität überhaupt möglich ist."

Bleibt noch das Renommee der Verlage. An vorderster Stelle nennt der Fachhandel Tivola, Terzio und Ravensburger. Bei der Lernsoftware heißen sie Westermann und Cornelsen. „Man kann sich aber nicht immer auf den guten Ruf eines Verlags verlassen“, betont Roosens. Der Software-Kritiker rät den Erwachsenen grundsätzlich, Verkaufsprospekte und Websites genau unter die Lupe zu nehmen. „Der Auftritt eines Verlags verrät viel über den Inhalt.“

Eine wichtige Visitenkarte ist, ob der Verlag eine Hotline betreibt. Die Schulbuchverlage Cornelsen und Klett-Heureka betreiben beispielsweise einen Internet-Service für Schüler, wo man sich Lerntipps abholen oder Nachhilfe organisieren kann.

Spezifisch gilt noch bei der Lernsoftware. Wichtig ist die Motivation. Da genügt oft schon eine spannende Rahmenhandlung oder ein vielfältiges Spielangebot, das den Kinder auch angenehme und unterhaltsame Pausen zugesteht. Das Aufgabenziel sollte klar und verständlich sein. Die Kinder sollten den Schwerpunkt der Lernstufe selbst bestimmen können. Auf keinen Fall sollte ein Lernprogramm die Kinder unter Druck setzen. Eine maßvolle Belohnungsstruktur ist okay, aber nicht so, dass man beispielsweise nach jeder Aufgabe im Weltraum auf Müll schießen kann. Wichtig ist auch, ob das Vorwissen abgefragt wird, ob es unterschiedliche Schwierigkeitsstufen gibt. Die Erläuterungen bei Fehlern sollten nachvollziehbar sein und nicht einfach aus abzulesenden Tafeln (richtig falsch, ja nein) bestehen.

 

5. Ein neuer Trend ist auszumachen: die Rückkehr von der CD-ROM zum Buch

Tivola gibt neu eine Sachbilderbuch-Reihe und Bilderbücher heraus. Aus der Edutainment-Reihe „Oscar“ entstanden Oscar-Sachbilderbücher, in denen Oscar seinem Freund Balthasar via Briefwechsel über die Lebensgewohnheiten verschiedener Haustiere berichtet. Eine witzig gestaltete Buchadaption nach einer CD-ROM-Vorlage, gedacht als Ergänzung zur CD-ROM.

Außerdem gibt der Verlag neu auch eine Bilderbuchreihe für die ganz kleinen heraus. Ansprechend illustriert vermitteln sie ohne moralisierenden Zeigefinger humane Werte.

Ein Bilderbuch aus diesem Programm heißt „Fünf Kinder hatte Mama Maus“. Es geht um das Anderssein und darüber, die eigenen Stärken zu entdecken. Die Reim-Geschichte ist von Werner Holzwarth, dem Autor des Klassikers „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“, das übrigens von niemand geringerem als Wolf Erlbruch illustriert wurde. Das Bilderbuch ist soeben in der 26. Auflage herausgekommen.)

Tivola stellt auch mit seinen Büchern die hohe pädagogische und medientechnische Kompetenz unter Beweis. Die Verbindung von CD-ROM und Buch ist eine interessante Erscheinung. Sie überzeugt als Konzept und eröffnet Eltern, Erziehern und Grundschullehrern wertvolle Möglichkeiten zur Medien-und Leseerziehung. Auf die Frage: Warum gibt es bei Tivola neuerdings auch Bücher? heißt es beim Tivola-Verlag: Weil ein Buch Geschichten anders erzähle als eine CD-ROM und weil die CD-ROM Macherinnen und Macher einfach Spass an Büchern hätten. Hinter diesem Spass stecken jedoch auch geschäftliche Interessen. Bereits vor Jahren erklärte Jürgen Thierig, einer der Gründer von Tivola: „Auf die Dauer können auf einem derart beschränkten Markt nur Verlage mithalten, die in mehreren Medien zu Hause sind. Man sollte deshalb von Anfang an in mehreren Kategorien denken. Die Inhalte einer CD-ROM können auch für ein Buch oder einen Film interessant sein, die Geschichten müssen dann nur noch ihrem eigenen Medium entsprechend erzählt werden.“

Und somit wären wir wieder am Anfang angelangt: Der Ausflug ins digitale Abenteuerland führt zurück zum Buch: Wer hätte das gedacht.

Eine Schweizer Nationalfond-Studie von Andrea Bertschi-Kaufmann mit dem Titel „Lesen und Schreiben in einer Medienumgebung“ – sie wurde übrigens erst vor ein paar Monaten veröffentlicht - hat ergeben, dass Multimedia aktiv das Lesen fördern kann: Zwischen 1997 und 1999 wurde in 20 Schulklassen eine vielseitige Bibliothek eingerichtet und mit multimedialen Anlagen ergänzt, die den Kindern den Umgang mit ausgewählten CD-ROMs ermöglichten. Dieses kombinierte Angebot haben die Klassen unter Anleitung und Betreuung der Lehrperson während acht Monaten mindestens während einer Schulstunde pro Woche zum freien Lesen im weitesten Sinne genutzt. Ihre Erfahrungen und Erlebnisse hielten die 8- bis 12-Jährigen in Lesetagebüchern fest, die der Studie für eine inhaltsanalytische Auswertung zur Verfügung standen. Als Vergleichswerte konnten Lesetagebücher aus einer früheren Versuchsanlage (1994-1996) ausgewertet werden, in deren Rahmen die Kinder nur gedruckte Bücher zu Auswahl hatten.

Um Repräsentativ zu gewährleisten, wurden Schulen in Land-, Stadt- und Agglomerationsgemeinden berücksichtigt, es wurde auf eine Ausgewogenheit der Geschlechter bei Kindern und Lehrpersonen geachtet, und bei der Zusammenstellung der Bibliothekt wurde mit verschiedensten literarischen Genres (auch Comics) auf unterschiedliche Leseaktivität und –kompetenz der zu Beobachtenden Rücksicht genommen. Bei der Auswahl der CD-ROM legte man Wert auf eine Verbindung zum klassischen Buch; elektronische Versionen von Kinderbuchklassikern, fiktionale Spiele, in welchen das Buch ein wichtiges Inhalts-und Gestaltungselement ist, sowie sachorientierte CD-ROM, die als Nachschlagewerk funktionieren.

Und das überraschendste Ergebnis der Studie:

Insbesondere Knaben, welche im traditionellen Leseunterricht häufig als Sorgenkinder gelten, weil sie längere Lektüren verweigern und für das Medium Buch häufig viel schwerer zu gewinnen sind als die Mädchen, wagen sich aufgrund ihrer Erfahrungen am Computer häufiger an sprachlich und literarisch anspruchsvollere gedruckte Bücher.

 

Literatur

Literaturadaptionen von Kinder- und Jugendbüchern auf CD-ROM

Der kleine Prinz (1999) nach Antoine de Saint-Exupéry, Tivola-Verlag.

Der kleine Vampir (2000) nach Angela Sommer-Bodenburg, Ravensburger.

Hanni und Nanni retten die Pferde (2000) nach Enid Blyton, Ravensburger.

Ronja Räubertochter (2000) nach dem gleichnamigen Buch von Astrid Lindgren, Verlag Friedrich Oetinger.

Sofies Welt (1999) von Jostein Gaarder, Navigo.

 

Bilderbuch-Adaptionen

Alphabet — Das Spiel mit dem ABC (2001) nach den Büchern von Kveta Pacovska, Tivola.

Als die Raben noch bunt waren (2000) nach Edith Schreiber-Wicke/Carola Holland, Kiribati.

Das Traumfresserchen (1999) nach Michael Ende/Annegret Fuchshuber, Terzio Verlag.

Der Regenbogenfisch (2000) nach Marcus Pfister, Tivola Junior.

Der Teddy und die Tiere (2000) nach Michael Ende/Bernhard Oberdieck, Terzio Verlag.

 

Kinderbuch-Krimi-Adaptionen

Die Knickerbockerbande: Das Phantom in der U-Bahn (2000) nach Thomas Brezina, Ravensburger.

Fünf Freunde und das Geheimnis um den silbernen Turm (2000) nach Enid Blyton, Ravensburger.

Kommissar Kugelblitz: Vermisst am Mississippi (2000) nach Ursula Scheffer, Terzio.

 

Fach- und Sachthemen für Kinder und Jugendliche

Addy-Reihe, Havas Interactive ((Mathe, Deutsch, Französisch, Englisch) nach deutschem Lehrplan.

Anne Frank Haus (2000) Geschichte, Mattel Interactive.

Belser Lexikon der Kunst- und Stilgeschichte (2000) United Soft Media.

Kindler Neues Literaturlexikon (2000) United Soft Media.

Knochen, Scherben, Grabbeigaben (2000) Archäologie, Terzio.

Lexikon der Musik (2000) United Soft Media.

Milli Methas Abenteuerreise in den Baum (2000) Tier, Natur und Umwelt, Tivola.

Oscar der Ballonfahrer fliegt in die Berge (2000) Tier, Natur und Umwelt, Tivola.

Schnittstelle Gutenberg (2000) Medienentwicklung, Hermann Schmidt.

Sigmund Freud (2000) Psychoanalyse, United Soft Media.

Tell me more (Deutsch als Fremdsprache!, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch), Cornelsen.

Tim 7-Reihe, Heureka-Klett (Mathe, Deutsch, Französisch, Englisch) nach deutschem Lehrplan.

 

Adaptionen von bekannten deutschen TV-Kindersendungen

Die CD mit der Maus (2000) ZDF, Tivola.

Löwenzahn 5: Geschichten aus Natur, Umwelt und Technik (2001) ZDF, Terzio.

Papyris — Der Fluch des Seth (2000) Super RTL, Ubi Soft.

Siebenstein: Rudi und die Rettung der Goldfischzwerge (1999) ZDF, Terzio.

 

Sachbücher

Computer machen Kinder schlau von Wolfgang Bergmann (mit zahlreichen Rezensionen) Munich, Beust-Verlag.

Grosser Kinder-Software-Ratgeber 2001 von Thomas Feibel (Rezensionen von 400 Programmen), Markt + Technik Verlag.

 

Die Internet-Adressen der ersähnten CD-ROM Verlage

http://www.cornelsen.de

http://www.klett-verlag.de/heureka

http://www.ravensburger.de

http://www.terzio.de

http://www.tivola.de

http://www.westermann.de

 

Biographische Angaben

Carol Rosa, Jahrgang 1966, studierte an der Höheren Fachschule für Journalismus Luzern (MAZ). Bereits während ihrer Ausbildung arbeitete sie als Radiojournalistin und schrieb Artikel für verschiedene Schweizer Zeitungen. Seit vier Jahren ist sie beim drittgrößten Schweizer Printmedium, der Berner Zeitung, als Kulturredaktorin angestellt. Sie ist dort die verantwortliche Redaktorin für die Kinder- und Jugendbuchseite, welche monatlich erscheint. Ihre Spezialgebiete sind Kinder- und Jugendbücher, Literatur-Adaptionen auf CD-ROM und Edutainment–Software für Kinder. Daneben bespricht sie auch regelmäßig Kinder- und Jugendfilme. Carol Rosa ist Mutter einer 10-jährigen Tochter. Im Moment arbeitet sie gerade an ihrem ersten Bilderbuch, das im Fischer Media Verlag herauskommen wird.



[1] Unter anderem schreibt er für Focus und Spiegel regelmässig Rezensionen und Hintergrundsartikel. Zum Thema Kinder- und Lernsoftware hält er regelmässig zahlreiche Vorträge und Seminare. Seit 1996 gibt er jährlich einen „Grossen Kinder-Software-Ratgeber“ heraus, die Software-Bibel, wie sie im Fachhandel oft gennat wird. Seit kurzem gibt er auch den Lernsoftware-Ratgeber und den Internet-ratgeber beim Verlag Markt + Technik heraus.

[2] Der „medien-Rat“ befasst sich mit Beratung und Schulung von Dienstleistungen im Bereich Neue Medien sowie Realisation diesbezüglicher Projekte mit technischen oder pädagogischen Schwerpunkten. Im Auftrag von Fachzeitschriften und interaktiven Medien beurteilt Roosens Software nach pädagogischen Kriterien.