Von der Selbsteinschätzung zur Fremdbeurteilung:

Zur Vermittlung einer grundlegenden Beurteilungskompetenz mündlicher Kommunikationsfähigkeit im DaF-Studium

 

Sylwia Adamczak-Krysztofowicz, Poznań, und Antje Stork, Marburg

 

Die Beurteilung und Bewertung der mündlichen Kommunikationsfähigkeit stellt eine der erforderlichen Kernkompetenzen von Deutsch als Fremdsprache-Lehrern dar. In dem Beitrag wird auf die Möglichkeit einer Integrierung der Ausbildung dieser Kompetenz in der Auslandsgermanistik eingegangen. Nach einigen grundsätzlichen Überlegungen zur Beurteilung mündlicher Kommunikationsfähigkeit wird eine Unterrichtssequenz vorgestellt, die in sprachpraktischen Übungen für angehende Deutschlehrer an der Universität Poznań (Polen) durchgeführt worden ist und folgende Sequenzen umfasst: Gemeinsame Erarbeitung wichtiger Charakteristika der Textsorte Referat, Selbsteinschätzung, Entwicklung von Beurteilungskriterien, Fremdbeurteilungen monologischen Sprechens. Abschließend werden aus den Erfahrungen mit den Deutsch als Fremdsprache-Studierenden Schlussfolgerungen gezogen und ein kurzer Ausblick gegeben.

 

1. Einführung

Die Entwicklung der mündlichen Kommunikationsfähigkeit ist eines der zentralen Ziele des modernen Fremdsprachenunterrichts. Besonders komplex wird diese Aufgabe dadurch, dass zur mündlichen Kommunikationsfähigkeit nicht nur linguistische Kompetenzen erforderlich sind, verstanden als „Kenntnis der formalen Mittel, aus denen wohlgeformte, sinnvolle Mitteilungen zusammengesetzt und formuliert werden können, und als die Fähigkeit, diese Mittel auch zu verwenden“ (Trim et al. 2001: 110), sondern auch soziolinguistische und pragmatische Kompetenzen. Dazu gehören beispielsweise die Fähigkeit, sich auf die jeweilige Kommunikationssituation und auf den Kommunikationspartner einzustellen sowie die Fähigkeit, eine Kommunikationsabsicht zu entwickeln und einen Kommunikationsplan zu deren Erreichung zu erstellen (vgl. Schreiter 1996: 54f.; Trim et al. 2001: 109-130). Die Stimulation von mündlicher Kommunikation im Unterricht ist dazu auf allen Niveaustufen des Fremdsprachenlernens wichtig, wobei im Anfangsunterricht eher das situationsbezogene dialogische Sprechen sowie (in geringerem Ausmaß) das situationsbezogene monologische Sprechen gefördert wird, im Fortgeschrittenenunterricht jedoch zunehmend das monologische und dialogische Sprechen über Themen fokussiert wird (vgl. dazu sowie zu den verschiedenen didaktischen Möglichkeiten im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht Storch 1999: 220-248).

Eine Kernkompetenz von Deutsch als Fremdsprache-Lehrern ist die Fähigkeit, die mündliche Kommunikationsfähigkeit von Deutschlernern beurteilen und bewerten zu können. In nahezu allen institutionellen Unterrichtsformen ist dies erforderlich. Um nur einige Situationen zu nennen: im Sekundarschulunterricht im nicht-deutschsprachigen Raum zur Benotung von mündlichen Unterrichtsleistungen, in Deutsch als Zweitsprachekursen im deutschsprachigen Raum bei standardisierten Prüfungen wie z.B. Zertifikat Deutsch, in Sprachschulen zur Einstufung von Teilnehmern. Diese Kompetenz kann im Deutsch als Fremdsprache-Studium in unterschiedlichen Kontexten erworben werden:

·        in Seminaren zum Bewerten und Prüfen: In solchen Veranstaltungen oder Studienmodulen kann ausführlich auf Bewertungs- und Testkriterien, Entwicklung von Tests und Prüfungen und ähnliche Fragestellungen eingegangen werden. Da sich Bewerten und Prüfen aber auf unterschiedliche Teilbereiche beziehen können (z.B. Leseverstehen, Hörverstehen, schriftlicher Ausdruck, Wortschatz, grammatische Strukturen), ist möglicherweise nicht immer eine Anbindung an die jeweilige zu bewertende Fertigkeit gegeben.

·        in Seminaren zur Sprechfertigkeit: Hier besteht die Möglichkeit, nicht nur die Entwicklung der Sprechfertigkeit (z.B. Stufen der mündlichen Sprachbeherrschung, monologisches und dialogisches Sprechen, Übungen und Lerntechniken zum Sprechen) zu thematisieren, sondern auch die Bewertung und Beurteilung mündlicher Kommunikationsfähigkeit.

·        in sprachpraktischen Übungen des Deutsch als Fremdsprache-Studiums: Insbesondere in der Ausbildung von Deutschlehrern außerhalb des deutschsprachigen Raums steht für die didaktisch-methodische Ausbildung infolge der Notwendigkeit zum Ausbau der Deutschkenntnisse weniger Zeit zur Verfügung. Hier bietet sich die Möglichkeit, kleinere Sequenzen zur Ausbildung einer grundlegenden Kompetenz zur Bewertung und Beurteilung mündlicher Kommunikationsfähigkeit zu integrieren.

In unserem Beitrag möchten wir auf die Möglichkeit einer Integrierung der Ausbildung dieser Kompetenz in sprachpraktische Übungen näher eingehen. Dabei zielen unsere Ausführungen nicht darauf, Deutsch als Fremdsprache-Studierende zu Prüfern auszubilden. Uns liegt vielmehr daran, die Studierenden im Zuge ihrer Auseinandersetzung mit der Fertigkeit Sprechen in grundlegende Bewertungskriterien einzuführen und sie diese beispielhaft anwenden zu lassen, so dass sie eine grundlegende Bewertungskompetenz erwerben. Diese scheint uns unbedingt erforderlich zu sein, um im Berufsalltag als Fremdsprachenlehrer bzw. Fremdsprachenlehrerin unterschiedliche Bewertungsformen mündlicher Kommunikationsfähigkeit kompetent und flexibel auswählen, beurteilen und/oder umsetzen zu können. Nach einigen grundsätzlichen Überlegungen zur Beurteilung mündlicher Kommunikationsfähigkeit (Abschnitt 2) wird eine Unterrichtssequenz vorgestellt, die im Wintersemester 2005/2006 in sprachpraktischen Übungen für angehende Deutschlehrer an der Universität Poznań (Polen) durchgeführt wurde (Abschnitte 3-4). Im abschließenden Abschnitt 5 werden aus den Erfahrungen mit den Deutsch als Fremdsprache-Studierenden Schlussfolgerungen gezogen und ein kurzer Ausblick gegeben.

 

2. Beurteilung mündlicher Kommunikationsfähigkeit

Die Beurteilung fremdsprachlicher Sprachverwendung ist eine sehr komplexe Aufgabe, bei der eine Vielzahl von Entscheidungen getroffen werden muss. Trim et al. (2001: 178) zeigen anhand einer Tabelle (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) eine Reihe wichtiger Unterscheidungen in Bezug auf Beurteilung und Bewertung auf (vgl. Tabelle 1):

Sprachstandstest

(achievement assessment)

Qualifikationsprüfung

(proficiency assessment)

Normorientierte Bewertung

Kriteriumsorientierte Bewertung

Kriteriumsorientierte Bewertung bei ziel­erreichendem Lernen (mastery learning)

Kriteriumsorientierte Bewertung auf einem Kontinuum

Kontinuierliche Beurteilung

Punktuelle Beurteilung

Formative Beurteilung

Summative Beurteilung

Direkte Beurteilung

Indirekte Beurteilung

Beurteilung der Performanz

Beurteilung von Kenntnissen

Subjektive Beurteilung

Objektive Beurteilung

Einstufung auf einer Skala

Einstufung anhand einer Checkliste

Beurteilung aufgrund eines Eindrucks

Gelenktes Urteil

Ganzheitliche Beurteilung

Analytische Beurteilung

Beurteilung anhand einer Kategorie

Beurteilung anhand mehrerer Kategorien

Fremdbeurteilung

Selbstbeurteilung

Tabelle 1: Beurteilungsarten nach Trim et al. (2001: 178)

Für eine kompetente und sachgerechte Beurteilung und Bewertung mündlicher Kommunikationsfähigkeit ist die Beherrschung verschiedener Teilkompetenzen notwendig. In Bezug auf die Ausbildung einer grundlegenden Kompetenz im Rahmen von sprachpraktischen Übungen erscheinen uns folgende Teilkompetenzen – im Sinne von Mindestanforderungen zum Erreichen einer Basiskompetenz – erforderlich zu sein:

(a)   Kenntnis der sprachlichen Anforderungen auf verschiedenen Kompetenzniveaus (bspw. Niveaus des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens)

(b)  Kenntnis und kritische Reflexion einiger möglicher Beurteilungskriterien

(c)  Ansätze zur Entwicklung einer objektiven, sicheren und schnellen Beurteilung/Bewertung

Ad a) Kenntnis der sprachlichen Anforderungen auf verschiedenen Kompetenzniveaus (bspw. Niveaus des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens)

Als Bezugspunkt für die Bewertung von Sprachkompetenz hat der Gemeinsame europäische Referenzrahmen (GER) als „wichtigstes bildungspolitisches Dokument der letzten Jahre“ (Vogt 2004: 48) eine große Bedeutung gewonnen (vgl. Trim et al. 2001 sowie zur Diskussion des Referenzrahmens z.B. Bausch et al. 2003). Er bietet – in der vertikalen Dimension – sechs Niveaustufen von A1 bis C2 sowie – in der horizontalen Dimension – ein System deskriptiver Skalen. Inzwischen basieren die neueren Lehrpläne und Curricula von Schulen, Universitäten, Sprachenschulen und sonstigen Institutionen sowie die neueren Lehrwerke (viele sind dazu in einer überarbeiteten Fassung erschienen, z.B. Eurolingua Deutsch. Neue Ausgabe, Themen aktuell, Tangram aktuell) auf diesen Niveaustufen und Kompetenzbeschreibungen. Eine genaue Kenntnis dieses Systems ist somit für künftige Deutsch als Fremdsprache-Lehrer unerlässlich, da sie bei der Bewertung von Sprachkompetenz, wie beispielsweise der mündlichen Kommunikationsfähigkeit, sich aller Wahrscheinlichkeit nach darauf werden beziehen müssen.

Ad b) Kenntnis und kritische Reflexion einiger möglicher Beurteilungskriterien

Zur Beurteilung und Bewertung können unterschiedliche Kriterien herangezogen werden. An dieser Stelle sollen drei Systeme von Bewertungskriterien vorgestellt werden:

Kara (2002: 25) hat zur Bewertung mündlicher Kommunikation im DaF-Unterricht eine Beurteilungsskala mit sechs Kriterien ausgearbeitet:

·         Aussprache

·         Wortschatz

·         Grammatik

·         Flüssigkeit 

·         Gesprächsbeherrschung

·         Angemessenheit der Sprache zur Situation

Jung (1997: 75-78) nennt dagegen für mündliche Sprachprüfungen folgende Beurteilungskriterien:

·         GFL Liste

·         Verstehen und Verständnis

·         Reaktion

·         Behandlung der Aufgabe

·         Ausdrucksfähigkeit

·         Morphologie/Syntax

·         Aussprache

Die Beurteilung der mündlichen Prüfung im Zertifikat Deutsch erfolgt nach vier Kriterien (vgl. Weiterbildungs-Testsysteme et al. 1999: 392):

·         Ausdrucksfähigkeit

·         Aufgabenbewältigung

·         Formale Richtigkeit

·         Aussprache und Intonation

Der Knackpunkt der Beurteilungssysteme besteht hauptsächlich darin, welcher Stellenwert den bei Reisener (1992: 34) beschriebenen Leistungsbereichen zukommt: 1. formale Ebene, 2. intentionale Ebene (Aufgabenbewältigung), 3. funktionale Ebene (Eingehen auf den Partner, Situationsangemessenheit).

Zu beachten ist, dass diese Beurteilungskriterien grundsätzlich sowohl für eine Produktbewertung (das heißt eine punktuelle Beurteilung, z.B. im Rahmen einer mündlichen Sprachprüfung an einem bestimmten Tag) als auch für eine Prozessbewertung (das heißt eine kontinuierliche Beurteilung, z.B. zur Beurteilung der mündlichen Kommunikationsfähigkeit während des gesamten Semesters) Anwendung finden können.

Eine Bewertung hinsichtlich der Beurteilungskriterien kann durch eine beschreibende verbale Beurteilung ausgedrückt werden oder aber durch eine Angabe von Ziffern. Letztere können – wie bei Schulnoten in Deutschland – aus Notenstufen zwischen 1 (sehr gut) und 6 (ungenügend) bestehen bzw. – wie bei Schulnoten in Polen – aus Notenstufen zwischen 1 (ungenügend) und 6 (vorzüglich) oder wie beim Zertifikat Deutsch aus vier Notenstufe: A (voll angemessen), B (im Großen und Ganzen angemessen), C (kaum noch akzeptabel), D (durchgehend nicht ausreichend). 

Ad c) Ansätze zur Entwicklung einer objektiven, sicheren und schnellen Beurteilung/Bewertung

Für die Entwicklung einer objektiven, sicheren und schnellen Beurteilung und Bewertung ist vor allem Übung wichtig. Dabei können zwei Ansätze hilfreich sein:

·         Aufzeichnung der Pr üfung auf Video/Kassette (je nach technischen Möglichkeiten), so dass eine wiederholte Beobachtung und Analyse der mündlichen Kommunikationsmöglichkeit möglich ist.

·         Reduktion der Beurteilung und Bewertung, indem die Beurteilungsaspekte arbeitsteilig von unterschiedlichen Studierendengruppen vorgenommen werden.

Mündliche Kommunikationsfähigkeit kann sich auf zwei Ebenen zeigen: monologisches Sprechen und dialogisches Sprechen. In der von uns konzipierten Unterrichtssequenz möchten wir mit den Studierenden an der Entwicklung einer Basiskompetenz zur punktuellen Beurteilung und Bewertung mündlicher Kommunikationsfähigkeit im Bereich des monologischen Sprechens arbeiten.

 

3. Unterrichtssequenz im Rahmen sprachpraktischer Übungen des Deutsch als Fremdsprache-Studiums (Auslandsgermanistik)

Die Unterrichtssequenz ist so aufgebaut, dass sie sich in sprachpraktische Übungen integrieren lässt, d.h. nur Teile eines Unterrichtsabschnitts umfasst. Aus dem Bereich des monologischen Sprechens wird die für Studierende wichtige Textsorte Referat ausgewählt.

Falls die Studierenden noch keine bzw. ungenügende Kenntnisse zu Referaten haben, sollten vor Beginn der eigentlichen Unterrichtssequenz (vgl. Abschnitte 3.2 bis 3.5) Charakteristika dieser Textsorte gemeinsam erarbeitet werden (vgl. Abschnitt 3.1).

3.1 Gemeinsame Erarbeitung wichtiger Charakteristika der Textsorte Referat

Die Kenntnis wichtiger Charakteristika der Textsorte Referat ist notwendig, damit die Studierenden bei der Beurteilung und Bewertung der mündlichen Kommunikationsfähigkeit beim monologischen Sprechen die Aufgabenbewältigung adäquat beurteilen können. Durch folgende Aktivitäten können diese gemeinsam mit den Studierenden erarbeitet werden:

·         Jetzt spreche ich

Die Studierenden lesen den Text von Klösel & Lüthen (2000) und erarbeiten in Gruppenarbeit folgende Aspekte:

Gruppe 1: Nennen Sie wesentliche Aspekte einer Präsentation.

Gruppe 2: Nennen Sie Schritte bzw. Phasen einer Präsentation.

Gruppe 3: Wie lässt sich eine Präsentation moderieren?

Gruppe 4: Was sind die wichtigsten Bewertungskriterien einer Präsentation?

·         Ratschläge für einen schlechten Redner

Die Studierenden formulieren stichwortartig anhand der Ratschläge für einen schlechten Redner aus dem gleichnamigen Text von Kurt Tucholsky (1960: 600) Ratschläge für einen guten Redner.

·         Sprechen müsste man können

Die Studierenden sehen sich die Fernsehsendung Sprechen müsste man können von Prof. Harald Scheerer (Teile: Auf die Zuhörer Rücksicht nehmen, Persönlichkeit und Präzise Vorbereiten) an und machen sich zu folgenden Fragestellungen Notizen:

1.       Formulieren Sie die Sprachregeln

2.       Was st ört die Zuhörer beim Sprechen?

3.       Nennen Sie die Schritte einer pr äzisen Vorbereitung.

3.2 Unterrichtsstunde 1: Selbsteinschätzung (ca. 15-20 min.)

Um den Studierenden den Versuch einer ersten Beurteilung zu ermöglichen, schätzen sie ihre eigene mündliche Kommunikationsfähigkeit selbst ein. Dies erfolgt anhand der Beispieldeskriptoren, die im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (Trim et al. 2001: 36) zur Selbsteinschätzung der Kategorie Zusammenhängend Sprechen gegeben werden (vgl. Tabelle 2):

 

Zusammenhängend Sprechen

A1

Ich kann einfache Wendungen und Sätze gebrauchen, um Leute, die ich kenne, zu beschreiben und um zu beschreiben, wo ich wohne.

A2

Ich kann mit einer Reihe von Sätzen und mit einfachen Mitteln z.B. meine Familie, andere Leute, meine Wohnsituation, meine Ausbildung und meine gegenwärtige oder letzte berufliche Tätigkeit beschreiben.

B1

Ich kann in einfachen zusammenhängenden Sätzen sprechen, um Erfahrungen und Ereignisse oder meine Träume, Hoffnungen und Ziele zu beschreiben. Ich kann kurz meine Meinungen und Pläne erklären und begründen. Ich kann eine Geschichte erzählen oder die Handlung eines Buches oder Films wiedergeben und meine Reaktionen beschreiben.

B2

Ich kann zu sehr vielen Themen aus meinen Interessengebieten eine klare und detaillierte Darstellung geben. Ich kann einen Standpunkt zu einer aktuellen Frage erläutern und Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten angeben.

C1

Ich kann komplexe Sachverhalte ausführlich darstellen und dabei Themenpunkte miteinander verbinden, bestimmte Aspekte besonders ausführen und meinen Beitrag angemessen abschließen.

C2

Ich kann Sachverhalte klar, flüssig und im Stil der jeweiligen Situation angemessen darstellen und erörtern; ich kann meine Darstellung logisch aufbauen und es so den Zuhörern erleichtern, wichtige Punkte zu erkennen und sich diese zu merken. 

Tabelle 2: GER-Deskriptoren zur Selbsteinschätzung der Kategorie Zusammenhängend Sprechen

 

Die Studierenden sollen die Deskriptoren zu allen Niveaustufen sorgfältig durchlesen und selbst einschätzen, welches die höchste Niveaustufe ist, deren Anforderungen sie erfüllen. Wichtig dabei ist nicht, welches Niveau die Studierenden jeweils erreichen, sondern dass Ihre Selbsteinschätzung möglichst angemessen und zutreffend ist.

Im Anschluss werden die Erfahrungen sowie eventuelle Schwierigkeiten bei der Selbstbeurteilung im Plenum besprochen:

·         Ist es Ihnen leicht gefallen, das eigene Sprachniveau einzuschätzen?

·         Womit hatten Sie Schwierigkeiten?

·         Möchten Sie lieber, dass Ihr Lehrer / Ihre Lehrerin Ihr Sprachniveau einschätzt?

·         Welche Vorteile hat eine Selbsteinschätzung durch die Lerner?

Mit Hilfe der Aktivität arbeiten die Studierenden an Basiskompetenz a (Kenntnis der sprachlichen Anforderungen auf verschiedenen Kompetenzniveaus). Des Weiteren reflektieren sie ihre Erfahrungen mit der Selbsteinschätzung sowie die Vor- und Nachteile von Selbst- und Fremdbeurteilung.

3.3 Unterrichtsstunde 2: Entwicklung von Beurteilungskriterien (ca. 20 Minuten)

Die Studierenden nennen eigene Vorschläge von Kriterien anhand derer die mündliche Kommunikationsfähigkeit im Bereich des monologischen Sprechens beurteilt werden könnte. Im Gespräch wird diskutiert, worauf es bei einer mündlichen Prüfung ankommt und welche Kriterien angemessen sind. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass die Studierenden das formale Kriterium nicht überbewerten. Es wird aber nicht angestrebt, dass die Studierenden ein bestimmtes Beurteilungssystem entwickeln (vgl. für mögliche Beurteilungssysteme Abschnitt 2, ad b).

Folgende Fragen können als Denkanstöße dienen:

·         Was bedeutet formale Richtigkeit? Möglichst wenige Fehler? Oder möglichst geringe Verständnisschwierigkeiten? Was sind schwere oder leichte Fehler?

·         Wie wichtig ist die Aufgabenbewältigung, also die Beachtung der Anforderungen an die Textsorte Referat (vgl. Abschnitt 3.1)?

·         Welche Rolle spielt die Ausdrucksf ähigkeit? Was gehört zu einer guten Ausdrucksfähigkeit?

·         Sind Aussprache und Intonation für eine angemessene Beurteilung wichtig? Wird eine muttersprachliche Aussprache angestrebt?

Anschließend wird besprochen, wie das zusammenhängende Sprechen auf einem bestim­mten Niveau (A1, A2, B1, B2, C1 oder C2) bewertet wird (z.B. schulische Notenskala). Dabei wird verdeutlicht, dass die Noten relativ zum Sprachniveau zu sehen sind. Das heißt, ein gut für einen Studierenden auf Niveau B2 bedeutet, dass er die Anforderungen auf diesem Sprachniveau gut erfüllt. Ein gut für einen Studierenden auf Niveau A2 entspricht ebenfalls einer guten Erfüllung der Anforderungen auf diesem (niedrigeren) Niveau. Ein ungenügend z.B. für einen Studierenden auf Niveau C1 zeigt jedoch, dass er die Anforderungen an dieses Sprachniveau nicht erfüllt, so dass sein Kompetenzniveau beim niedrigeren Niveau B2 liegen dürfte.

In dieser Unterrichtsstunde wird an Basiskompetenz b (Kenntnis und kritische Reflexion einiger möglicher Beurteilungskriterien) gearbeitet.

3.4 Unterrichtsstunden 3-4: Fremdbeurteilung monologischen Sprechens (jeweils ca. 15-20 Minuten)

In der dritten Unterrichtsstunde hält ein DaF-Studierender ein Referat zu einem selbst gewählten Thema. Zuvor gibt er bekannt, auf welchem Niveau er seine mündliche Kommunikationsfähigkeit selbst eingeschätzt hat. Für dieses Niveau beurteilen und bewerten die übrigen Kursteilnehmer das monologische Sprechen anhand der von ihnen in der vorigen Unterrichtsstunde erarbeiteten Kriterien (Dozent teilt ein Arbeitsblatt mit den Kriterien und der Bewertungsskala aus). Um die Studierenden nicht zu überfordern, soll jeder zunächst das Referat nach nur einem Beurteilungskriterium bewerten (arbeitsteiliges Vorgehen). Anschließend werden in einer Plenumsdiskussion die Bewertungen zusammengetragen und diskutiert. Möglicherweise kann sich dabei herausstellen, dass sich der Studierende, der das Referat gehalten hat, zu gut oder zu schlecht eingeschätzt hat.

In der vierten Unterrichtsstunde hält ein weiterer DaF-Studierender ein Referat und es wird analog wie in der dritten Unterrichtsstunde vorgegangen. Allerdings bewertet jeder Studierende nun anhand von zwei zuvor festgelegten Beurteilungskriterien das monologische Sprechen.

In den beiden Unterrichtsstunden wird an Basiskompetenz c (Ansätze zur Entwicklung einer objektiven, sicheren und schnellen Beurteilung/Bewertung) gearbeitet, aber auch die Teilkompetenzen a und b werden vertieft.

3.5 Unterrichtsstunde 5: Evaluation der Unterrichtssequenz (ca. 20 Minuten)

Die Studierenden diskutieren die von ihnen in der Unterrichtssequenz gemachten Erfahrungen zur Beurteilung und Bewertung mündlicher Kommunikationsfähigkeit im Bereich monologischen Sprechens mittels Selbst- und Fremdbeurteilung:

·         Welche Erfahrungen haben Sie bei der Beurteilung und Bewertung der Referate gemacht?

·         Welche Schwierigkeiten gab es?

·         Fanden Sie die Übungen und Aktivitäten zur Selbsteinschätzung und Beurteilung und Bewertung der Referate sinnvoll?

·         Was m üssen Sie noch lernen, um später als Deutschlehrer oder Deutschlehrerin die Kommunikationsfähigkeit Ihrer Lerner beurteilen und bewerten zu können?

Es soll deutlich werden (insbesondere durch die letzte der oben genannten Fragen), dass die bisherigen Aktivitäten noch nicht ausreichend sind, sondern vielmehr eine (Teil)basiskompetenz zur Bewertung des monologischen Sprechens darstellen, die im Laufe des Studiums in entsprechenden Veranstaltungen erweitert werden muss.

 

4. Ergebnisse/Erfahrungen mit der Selbst- und Fremdbeurteilung mündlicher Kommunikationsfähigkeit

Aufgrund der von uns in Abschnitt 3 konzipierten sukzessiven Integration der Ausbildung einer grundlegenden Beurteilungskompetenz mündlicher Kommunikationsfähigkeit in sprachpraktische Übungen des Deutsch als Fremdsprache-Studiums hat eine der Autorinnen während des gesamten Wintersemesters 2005/2006 vier polnische Studierendengruppen (insgesamt 60 Lernende) parallel Deutsch als Fremdsprache im zweiten Studienjahr (d.h. im dritten Semester) unterrichtet.

Die Ausbildung der (Teil)basiskompetenz zur Bewertung des monologischen Sprechens erfolgte schrittweise, erstreckte sich im Durchschnitt über zwei Monate und wurde an das Ende bzw. den Anfang der sprachpraktischen Übungen für angehende polnische DaF-Lehrende und Übersetzer bzw. Dolmetscher gekoppelt d.h. mit dem thematischen Rahmen der Unterrichtsstunden im zweiten Studienjahr (also u.a. den Themenbereichen Sport und Jung sein) in Beziehung gesetzt:

·         In den ersten zwei einführenden Unterrichtsstunden wurden alle vier Gruppen mit der Darstellungsart Referat (vgl. Abschnitt 3.1.) und dem Stellenwert der Wiedergabeverfahren Referieren, Resümieren und Kommentieren für die Entwicklung des freien monologischen Sprechens (vgl. Desselmann 1983: 61f.) vertraut gemacht.

·         In der dritten Unterrichtstunde wurden die Studierenden durch die Tabelle mit den Deskriptoren zur Selbsteinschätzung der Kategorie Zusammenhängendes Sprechen und Erfahrungsaustausch im Plenum für die sprachlichen Anforderungen auf verschiedenen Kompetenzniveaus sensibilisiert und auf eventuelle Schwierigkeiten bei der Bewertung sowie die Vor- und Nachteile von Selbst- und Fremdbeurteilung aufmerksam gemacht.

·         In der vierten Unterrichtsstunde wurden mögliche Beurteilungskriterien der mündlichen Kommunikationsfähigkeit im Bereich des monologischen Sprechens diskutiert und eigene Beurteilungsvorschläge der einzelnen Gruppen im Plenum erarbeitet.

·         In den nächsten Unterrichtsstunden (fünf bis sieben) wurden die von den Gruppen entwickelten Beurteilungskriterien bei der Bewertung und Benotung der Kommilitonen als Referenten im Unterricht praktisch erprobt.

·         In der letzten Unterrichtsstunde fand eine gemeinsame Reflexion über die Erfahrungen mit der Ausbildung der (Teil)basiskompetenz(en) zur Bewertung und Beurteilung des zusammenhängenden Sprechens statt.

Bei der Evaluation der durchgeführten Unterrichtssequenz können aus Platzgründen nicht alle Unterrichtsstunden in jeder Studierendengruppe detailliert beschrieben und diskutiert werden. Bei der Präsentation der Lernendenkommentare in zusammenfassenden Stichpunkten wird jedoch die innere Struktur der von uns konzipierten Unterrichtsstunden (vgl. Abschnitte 3.2, 3.3, 3.4 und 3.5) beibehalten. 

4.1 Erfahrungen mit der Selbsteinschätzung

Nach der sorgfältigen Durchsicht der Niveaustufen und Kompetenzbeschreibungen zur Selbsteinschätzung der Kategorie zusammenhängend Sprechen (vgl. Abschnitt 3.2) stellte sich heraus, dass alle vier Studierendengruppen von den sprachlichen Niveaus des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens in der fremdsprachendidaktischen Vorlesung gehört haben. In der sprachpraktischen Unterrichtspraxis wurden jedoch die sprachlichen Anforderungen des Referenzrahmens nie genauer diskutiert und reflektiert. In diesem Zusammenhang fiel es fast allen Studierenden schwer, sich in das entsprechende Kompetenzniveau einzustufen. Lediglich 7 Lernende gaben an, dass es ihnen leicht gefallen ist, das eigene Sprachniveau einzuschätzen.

Bei der Besprechung der Schwierigkeiten mit der Eigenzuordnung wurde gleich sichtbar, dass die meisten Lernenden Probleme mit der gerechten und objektiven Bewertung sowie einer angemessenen Bewertung ihrer sprachlichen Leistungen in der Kategorie zusammenhängend Sprechen  hatten und sich dabei überfordert fühlten. Viele von ihnen hielten die Kompetenzbeschreibungen für unkonkret, unspezifisch und häufig zu oberflächlich. Einige fanden auch die Formulierungen des Referenzrahmens schwammig und meinten, dass einige Deskriptoren unterschiedlich interpretiert werden können. In diesem Zusammenhang wurden solche Begriffe in den Kompetenzbeschreibungen wie einfach, angemessen, detailliert oder klar als relativ und unkonkret bezeichnet und in diesem Zusammenhang in Frage gestellt.

Viele Studierende hatten auch Schwierigkeiten, feste Grenzen zwischen den einzelnen Niveaustufen zu finden und eine angemessene Zuordnung in diesem Zusammenhang vorzunehmen. Dies führte dazu, dass ihre Selbsteinschätzungen mit Ungewissheit und der Angabe von zwei alternativen Antworten verbunden waren. Einige Personen kreuzten daher sowohl B2 für das produktive spontane monologische Sprechen als auch C1 für das mehr oder weniger stark vorbereitete reproduktive monologische Sprechen an, das sich auf vorher individuell zu Hause bzw. im Unterrichtsgeschehen erarbeitete Textvorlagen gründen solle. In diesem Zusammenhang monierten diese Kursteilnehmer den Mangel einer konkreteren und differenzierteren Darstellung der Anforderungen des Referenzrahmens zur Selbst- bzw. Fremdeinschätzung des zusammenhängenden Sprechens, das sich in geistig-sprachlichen Handlungen sowohl rezeptiv-reproduktiver als auch produktiver Art in solchen vielfältigen Kommunikationsverfahren wie Vortragen, Referieren, Kommentieren, Resümieren, Beschreiben, Erörtern, Berichten oder Argumentieren realisieren kann. Was die Frage nach den Studierendenpräferenzen bei der Einschätzung ihres Sprachniveaus anbetrifft (vgl. die Fragen in Abschnitt 3.1), bevorzugte die Mehrheit (36 Lernende) die traditionelle Beurteilung seitens des Lehrers/der Lehrerin und hielt sie dabei für objektiver und fachlich begründeter.

Bei der Besprechung der Vor- und Nachteile einer Selbsteinschätzung durch die Lerner war jedoch die positive Beurteilung des Versuchs einer ersten Selbstbeurteilung sehr auffällig. Die meisten Studierenden vertraten die Auffassung, dass eine Selbsteinschätzung des eigenen Sprachniveaus zur Verbesserung der Sprechfertigkeit, Erhöhung der Lernmotivation sowie zur Entwicklung des Sprachbewusstseins beitragen könne:

Man analysiert selbst seine Schwächen, Fähigkeiten und Kompetenzen und das kann wirklich zur Arbeit motivieren. (Studentin in Gruppe 2)

Das kann eine Anspornung sein, um die höchste Niveaustufe zu erreichen. (Student in Gruppe 4)

Man ist dessen bewusst, welche Lücken man hat und woran man noch arbeiten soll. (Studentin in Gruppe 2)

Man kontrolliert selbst das eigene Niveau, man stellt sich auch dann selbst Ziele und bestimmt nach eigenem Willen die nächsten Etappen der Sprachbeherrschung. (Studentin in der Gruppe 3)

Man ist dessen bewusst, welches Niveau man bereits beherrscht hat und mit welchen Kommunikationssituationen man zurecht kommen kann. Es ist dann leichter zu arbeiten, wenn man weiß, wo man sich befindet. Am besten wäre es aber, wenn man nach einer Selbsteinschätzung auch von jemandem anderen beurteilt wird. (Student in der Gruppe 1)

Die oben angeführten Aussagen zeigen, dass polnische DaF-Studierende die Selbstevaluation für sehr nützlich, hilfreich und sinnvoll halten, obwohl sie im Umgang mit Niveaustufen und Kompetenzbeschreibungen des Referenzrahmens kaum bzw. nur sehr wenig Routine haben.

4.2 Erfahrungen mit der Entwicklung von Beurteilungskriterien

Nach der kurzen Zusammenfassung von Niveaus des Referenzrahmens wurden alle Kursteilnehmer im letzten Teil des nächsten Unterrichts  aufgefordert, sich in Kleingruppen Gedanken darüber zu machen, welche Kriterien bei mündlichen Sprachprüfungen relevant und ausschlaggebend für die Gesamtnote sind.

Bei der Zusammenfassung von Ergebnissen der Kleingruppenarbeit d.h. der Auflistung von möglichen Beurteilungskriterien im Bereich des Sprechens stellte sich heraus, dass die grammatische Korrektheit, Ausdrucksfähigkeit, Flüssigkeit und Aussprache die wesentliche Grundlage für die Benotung der mündlichen Kommunikationsfähigkeit in allen Gruppen bildeten. Danach wurden auf Wunsch allen Gruppen die Kriterien von Jung (1997) und Kara (2002) sowie das Beurteilungssystem des Zertifikats Deutsch kurz vorgestellt. Dabei stellte sich heraus, dass alle Studierenden mit dem Verständnis der Begriffe Aufgabenbewältigung und formale Richtigkeit Probleme hatten.

In diesem Zusammenhang mussten ihnen die genannten Kriterien näher erläutert werden. Bei der Einschätzung der Eignung der präsentierten Beurteilungssysteme für die mündlichen Prüfungen im polnischen DaF-Studium bevorzugten die Befragten die Kriterien von Kara, weil die Autorin ihre Punkte einfach und verständlich dargestellt sowie konkret und klar formuliert habe. Lediglich eine Gruppe meldete die Bereitschaft, das Zertifikatssystem bei den Beurteilungen monologischen Sprechens in den nächsten Unterrichtsstunden zu verwenden mit den Argumenten, dass es nicht so detailliert und dadurch überschaubar sei. Darüber hinaus enthalte es alle relevanten Bereiche. Drei andere Gruppen schlugen dagegen vor, die Kriterien von Kara zu übernehmen, sie leicht zu modifizieren, zu ergänzen und dann bei der Benotung der Referenten einzusetzen. Dabei war jede Gruppe unterschiedlicher Meinung, ob die Kriterien: formale Richtigkeit, Flüssigkeit, Verstehen und Verständi­gung, Aufgabenbewältigung, Ausdrucksfähigkeit, Aussprache und Intonation bei der Beurteilung der Referate gleich gewichtet werden sollten. In diesem Zusammenhang wurde heftig diskutiert, worauf man mehr Wert bei der Festlegung der Gesamtnote legen sollte, auf die grammatische Korrektheit, die für angehende Lehrende und Dolmetscher sehr wichtig sei oder auf die Flüssigkeit und Verständlichkeit der Äußerungen. Die bis jetzt gelieferten Erfahrungen liegen die Schlussfolgerung nahe, dass den Studierenden bis jetzt nie bzw. sehr selten Arbeitsaufgaben gestellt wurden, bei denen sie  zur objektiven Beurteilung mündlicher Leistungen herausgefordert waren.

4.3 Erfahrungen mit Fremdbeurteilungen monologischen Sprechens

Zwei Wochen vor der Fremdbeurteilung der ersten Referate wurde allen Studierenden ein generatives Rahmenthema angeboten: Deutsche und Polen bzw. Schweizer und Österreicher: Sprache – Kultur – Politik – Wirtschaft – Kunst – Literatur. Der vorgeschlagene Themenbereich steckte nur einen allgemeinen Rahmen ab, in dem sich verschiedenartige Inhalte abhandeln ließen. Die einzelnen Referenten konnten daher das angegebene Thema in Subthemen aufgliedern und dadurch eingrenzen und konkretisieren. Allen Referaten ging eine inhaltliche und eine mehr oder weniger starke sprachliche Vorbereitung voraus, die sich auf die obligatorische Anfertigung des Handouts und der Wortschatzliste für die ganze Gruppe gründete. Zu der häuslichen Arbeit gehörte darüber hinaus die fakultative Zusammenstellung wichtiger Stichpunkte (des sog. roten Fadens) bzw. die Vorbereitung von ausführlichen Notizen, die während des Vortragens als Gedächtnisstütze dienten und die mündliche Sprachtätigkeit in bestimmter Weise strukturieren und zeitlich eingrenzen konnten (jedem Referierenden standen max. 15 Minuten zur Verfügung).

Bevor die erste Person vorgetragen hatte, wurde jede Studierendengruppe daran erinnert, wie das zusammenhängende Sprechen mit der polnischen universitären Notenskala (Noten: 5, 5-, 4+, 4, 4-, 3+, 3, 3-, 2, wobei 5 für sehr gut und 2 für ungenügend stehen sollten) auf dem Niveau B1, B2 bzw. C1 zu bewerten ist. Danach wurden die Lernenden auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass man die Noten relativ zum Sprachniveau sehen muss. Dabei sollen die von den einzelnen Gruppen früher festgelegten Kriterienraster bei der Bewertung monologischen Sprechens in den Vordergrund gestellt werden. Nach dieser kurzen Einführung wurden die von den einzelnen Gruppen in der vorigen Unterrichtsstunde erarbeiteten Kriterien jedem Kursteilnehmer in Form eines Arbeitsblattes zur Verfügung gestellt. Da die Gruppen teilweise unterschiedlicher Meinung bei der Entwicklung von Beurteilungskriterien waren, wurden von der Dozentin folgende vier differenzierte Benotungssysteme den Studierenden ausgehändigt:

Gruppe 1:

·         Flüssigkeit

·         Verstehen und Verständigung

·         Formale Richtigkeit

·         Aussprache und Intonation (alle Kriterien sind gleich gewichtet)

Gruppe 2:

·         Ausdrucksfähigkeit

·         Aufgabenbewältigung

·         Angemessenheit der Sprache zur Situation

·         Formale Richtigkeit

·         Aussprache und Intonation

(Formale Richtigkeit zählt etwas mehr, die anderen vier sind gleich gewichtet)

Gruppe 3:

·         Flüssigkeit

·         Ausdrucksfähigkeit

·         Aussprache und Intonation

·         Aufgabenbewältigung

·         Verstehen und Verständigung

·         Formale Richtigkeit

(Formale Richtigkeit und Ausdrucksfähigkeit sollen etwas mehr als die anderen Kriterien zählen)

Gruppe 4:

·         Ausdrucksfähigkeit

·         Aufgabenbewältigung

·         Formale Richtigkeit

·         Aussprache und Intonation

(die Kriteriengewichtung nach dem Zertifikatssystem)

Um die Überforderung der Kursteilnehmer zu vermeiden, wurden in jeder Unterrichtsstunde Kleingruppen gebildet (zwei bis drei Personen), die sich zuerst nur auf einen Bewertungsaspekt (bei den ersten zwei Referenten) und dann auf zwei Beurteilungskriterien (in den folgenden Stunden bei den weiteren Präsentationen) konzentrieren sollten. Während der Kurzreferate hielt sich die Hochschuldozentin beim Korrigieren zurück, sie unterbrach mit korrigierenden Eingriffen die Referierenden nicht, beschränkte sich auf das Beobachten, dabei machte sie sich aber unauffällig Notizen.

An die Darbietung schloss sich ein Gruppengespräch an. Die Studierenden vervollständigten die Referate durch Fragen oder eigene kurze Kommentare zum behandelten Thema. Danach wurde die Präsentation zuerst in Kleingruppen ausgewertet und anschließend im Plenum beurteilt. In diesem Zusammenhang ordneten die gebildeten Kleingruppen jedem Kriterium des Beurteilungssystems eine konkrete Einzelnote zu und begründeten ihre Meinung mit der Auflistung von gelungenen und misslungenen Aspekten der Referate (bei den Kriterien Aufgabenbewältigung, Verstehen und Verständigung, Flüssigkeit), lexikalisch-idiomatischen Ausdrucksmitteln (bei den Punkten Ausdrucksfähigkeit und Angemessenheit der Sprache zur Situation) sowie von Fehlern, die grammatischer, phonetischer und intonatorischer Art waren (bei den Kriterien Formale Richtigkeit und Aussprache und Intonation). Die Korrektur erfolgte durch Selbstkorrektur des Referierenden und unter Beteiligung von Mitstudierenden. Einige übersehene relevante grammatische Verstöße und lexikalisch-stilistische Unsauberkeiten wurden am Ende auch von der Hochschuldozentin verbessert. Die Korrektur kam bei Referierenden unterschiedlich an. Bei einigen wirkte sie beunruhigend und einschüchternd als Blamage vor der Lerngruppe, bei anderen als informative Lernhilfe, die sie für die nächsten Präsentationen tiefenwirksam verarbeiten konnten.

Bei der Zuordnung zu dem entsprechenden Kompetenzniveau des Referenzrahmens und Festlegung der Gesamtnote im Plenum ergaben sich einige Schwierigkeiten. Einerseits war es für die meisten Kleingruppen schwierig, die Bewertung entsprechend des Kompetenzniveaus des Referenzrahmens gerecht vorzunehmen. Andererseits waren die Studierenden unterschiedlicher Meinung, ob die Einzelnoten zu einem Gesamtwert addiert werden sollten. Da der grammatischen Korrektheit und dem Reichtum der lexikalisch-idiomatischen Ausdrucksmittel in sprachpraktischen Übungen des polnischen DaF-Studiums eine große Bedeutung zukommt, bekamen diese zwei Dimensionen der Kommunikationsfähigkeit bei der Gesamtbenotung der Kurzreferate mehr Gewicht.

4.4 Evaluation der durchgeführten Unterrichtssequenz

In der letzten Unterrichtsstunde wurden die bis jetzt zur Beurteilung und Bewertung mündlicher Kommunikationsfähigkeit im Bereich zusammenhängenden Sprechens angebotenen Aktivitäten im Plenum detailliert besprochen und ausgewertet. Bei der Evaluation der von den Studierenden gemachten Erfahrungen zur Selbst- und Fremdbeurteilung monologischen Sprechens stellte sich heraus, dass die durchgeführte Unterrichtssequenz in jeder Gruppe als nützlich, sinnvoll und effizient empfunden wurde. Die meisten Studierenden waren zufrieden, dass ihnen die Kriterien und Prüfungsverfahren einsichtig gemacht wurden. Viele vertraten auch die Auffassung, dass die Selbsteinschätzung und Fremdbeurteilungen ihnen geholfen haben, ihre Vorbereitung auf mündliche Examina zu optimieren und eine vorhandene Prüfungsangst zu verringern. Darüber hinaus führten die bisherigen Übungen zu einem Zuwachs an Beurteilungs- und Bewertungskompetenz des mündlichen Ausdrucksvermögens:    

Es hat mir vor allem gefallen, dass wir uns selbst eingeschätzt haben und dann wurde unsere Selbsteinschätzung von den anderen bestätigt oder nicht.  (Student in  Gruppe 3)

Ich habe gelernt, wie ein gutes Referat aussehen sollte und wie man mit dem Stress umgehen kann... Ich weiß nun, wie ich ein Referat vorbereiten und halten soll.  (Studentin in Gruppe 4)

Ich habe von der Unterrichtssequenz profitiert, weil ich mir nun dessen bewusst bin, was und wie die Prüfungskommissionen beurteilen und worauf ich mehr Aufmerksamkeit lenken soll. (Studentin in Gruppe 1)

Ich kenne genau die Kriterien, weiß, welche Unzulänglichkeiten mein Referat hatte und was ich konkret verbessern soll. (Student in Gruppe 1)

Trotz der positiven Reaktionen gaben ziemlich viele Studierende zu, dass es für sie schwierig war, die Referenten an Hand vorgegebener Kriterien abzuschätzen. Die meisten von ihnen monierten Schwierigkeiten mit der Objektivität sowie Gerechtigkeit der Bewertung und Beurteilung. Trotz der möglichst klar und eindeutig formulierten Bewertungshinweise und der auf den Arbeitsblättern angegebenen Orientierungspunkte konnte die Subjektivität der Beurteilung in den Kleingruppen nicht immer erheblich reduziert werden. In diesem Zusammenhang wurde in einigen Fällen für eine anonyme Beurteilung und Bewertung plädiert:    

Es war schwierig, guten Freunden zu sagen, dass sie nicht am besten abgeschnitten haben. Es war überhaupt nicht angenehm, selbst von den anderen beurteilt zu werden. Trotzdem denke ich, wir müssen uns geübte Kritik anzunehmen lernen. (Student in Gruppe 1)

Es ist ziemlich schwierig, jemanden, den man gut kennt und mit dem man in derselben Gruppe ist, gerecht zu bewerten und zu kritisieren. Man hat Angst, dass jemand sich dann beleidigt fühlt. (Studentin in Gruppe 3)

Es gibt Leute, welche die bloße Bewertung von der Freundschaft nicht trennen können, d.h. im Falle einer kritischen Beurteilung sich verletzt fühlen. (Studentin in Gruppe 2)

Die Referate sollen nicht im Forum bewertet werden. (Student in Gruppe 3)

Darüber hinaus bestand noch das Problem der Toleranzgrenzen und der kaum eindeutig formulierten Abstufungen (welche Aussage ist angemessen und klar oder welcher Fehler kommunikationsstörend):

Ich hatte Schwierigkeiten, die Grenzen der Niveaus in der Praxis zu erkennen. (Studentin in Gruppe 4)

Die Kriterien waren klar, aber nicht die Abstufung von Fehlern selbst. Welche Fehler sind schwerwiegend und welche noch akzeptabel und wie soll man in Abhängigkeit von der Zahl der Fehler die Note festlegen. (Student in Gruppe 3)

Einige Lernende konnten sich darüber hinaus auf sprachliche und inhaltliche Äußerungen der Vortragenden nicht zugleich konzentrieren, weil die Fremdbeurteilungen zu einer Konzentration auf die Form der Sprache führten. Durch diese Konzentration auf Bewertungskriterien trat der Inhalt der Referate in den Hintergrund und wurde häufig entwertet:

Es gab manchmal so viele Fehler, dass wir nicht alles notieren konnten. Bei der Anfertigung von Notizen haben wir uns nicht auf inhaltliche Aspekte konzentriert. (Studentin in Gruppe 4)

Wenn man sich auf die Kriterien konzentriert, dann vergisst man auf den ganzen Inhalt und Sinn des Referats die Aufmerksamkeit zu lenken. (Student in Gruppe 3)

Es gab auch einige Studierende, welche die angebotenen Aktivitäten und Übungen zur Bewertung des monologischen Sprechens als zeitaufwendig, schwierig und stressig einschätzten und die durchgeführte Unterrichtssequenz eher als eine Belastung betrachteten:

Den anderen zu bewerten, halte ich für sinnlos, denn die Leute in Polen können Kritik nicht leiden und empfinden sie sehr persönlich. (Student in Gruppe 3)

Die Bewertung und die Beurteilung waren zeitaufwendig. Diese Zeit hätte ich lieber der Gruppendiskussion gewidmet. (Studentin in Gruppe 2)

Es war sehr stressig, vor dem Publikum aufzutreten, das nur auf die Fehler wartet. (Student in Gruppe 4)

Trotz der genannten Schwierigkeiten waren die meisten Kursteilnehmer der Meinung, dass sie von den angegebenen Bewertungspunkten häufiger Gebrauch machen können, weil die Kompetenzniveaus des Referenzrahmens und die Kriterien zur Fremdbeurteilung ein nützliches, wichtiges und ziemlich leicht zu handhabendes Bewertungshilfsmittel darstellen. In diesem Zusammenhang wurden weitere Veranstaltungen zur Bewertung und Beurteilung mündlicher Kommunikationsfähigkeit in jeder Gruppe gewünscht.

Die durchgeführten Übungen waren für mich sehr sinnvoll und wichtig. Die Selbsteinschätzung und die Fremdbeurteilungen halfen uns, indem wir unsere Aufmerksamkeit darauf lenkten, was wir noch nachholen müssen und woran wir arbeiten sollen, um Fortschritte zu machen und besser zu sprechen. (Student in Gruppe 1)

Die Unterrichtssequenz war sinnvoll. Man sollte immer zur Sachlichkeit neigen. Wenn man nach den bestimmten Kriterien greift, ist es immer einfacher, sogar bei der Selbsteinschätzung. (Studentin in Gruppe 3)

Solche Übungen können für die künftige Lehrpraxis sehr behilflich sein. Ich muss z.B. noch üben, den Inhalt zu verstehen und gleich Fehler zu notieren. (Studentin in Gruppe 2)

Ich glaube, dass ich noch lernen muss, auf welche Weise ich die Kritik üben soll, dass mein Schüler sich nicht gestresst fühlt. Ich habe noch viele Probleme mit der richtigen Bewertung, die auf der Konsequenz, Konzentration, Objektivität und Fachlichkeit beruhen sollte. Außerdem soll ich auch weiter an meiner Sprachkompetenz arbeiten, so dass ich imstande bin, die Fehler zu erkennen. (Studentin in Gruppe 3)

 

5. Fazit und Ausblick

Die Erfahrungen mit der durchgeführten Unterrichtssequenz unterstreichen die Dringlichkeit der stärkeren Fokussierung auf die explizite Thematisierung und Vermittlung einer grundlegenden Beurteilungskompetenz mündlicher Kommunikationsfähigkeit im DaF-Studium. Darüber hinaus ergeben sich daraus relevante Konsequenzen für die Planung und Gestaltung der in sprachpraktische Übungen integrierten und mündliche Leistungen bewertenden Sequenzen, die auf vier Ebenen berücksichtigt werden können: auf der Zielebene, auf der Inhaltsebene, auf der Ebene der Methodik und schließlich auf der Ebene der Medienwahl.

Unter Berücksichtigung der genannten Unterrichtsebenen und der bis jetzt angeführten Erfahrungen können folgende Hinweise für die Ausbildung einer grundlegenden Kompetenz zur Bewertung und Beurteilung des Sprechens im Rahmen von sprachpraktischen Übungen des Deutsch als Fremdsprache-Studiums außerhalb des deutschsprachigen Raums gegeben werden:

·        Den angehenden DaF-Lehrern soll die Vielfalt differenzierter Evaluationsstrategien regelmäßig schon im ersten Studienjahr bekannt gemacht und Möglichkeiten zu deren wiederholter Erprobung und Übung bei der Beurteilung und Bewertung sowohl des monologischen als auch des dialogischen Sprechens in sprachpraktischen Übungen geboten werden.

·        Dabei sollen die Studierenden in die Arbeit mit den Portfolio-Deskriptoren zur Selbsteinschätzung und mit den Kriterienvorschlägen zur Fremdbeurteilung kontinuierlich eingeführt werden, um gezielt an der Vervollkommnung ihrer Äußerungen zu arbeiten sowie ihre Beurteilungsblockaden und Prüfungsängste zu reduzieren.

·        Um die subjektive Auslegbarkeit der Portfolio-Deskriptoren zu reduzieren, sollten für jede Kompetenzstufe des Referenzrahmens Vorgaben in den einzelnen Darstellungsarten aufgenommen werden, die für unsichere Studierende ein Bezugssystem, d.h. ein tertium comparationis bilden könnten, aus dem sich die Beurteilung ableiten lässt. Die Lernenden hätten dann die Möglichkeit, über einen direkten Vergleich festzustellen und zu begründen, welchem der Beispieltexte ihre selbst produzierten Äußerungen am ehesten entsprechen.

·        Da die Kenntnis der Merkmale der einzelnen Darstellungsarten und mit ihnen verbundenen Textsorten (z.B. Bericht, Beschreibung, Erörterung, Erzählung, Schilderung, Diskussionsbeitrag etc.) für die angemessene Beurteilung und Bewertung eine Vorbedingung ist, soll das Bewusstsein für die Unterschiede zwischen diesen Darstellungsarten (beispielsweise ihre verschiedenen Funktionen im Kommunikationsprozess, die für die betreffende Textsorte charakteristischen sprachlichen Mittel sowie die typischen Formen der Gliederung des Inhalts) im Unterrichtsgeschehen systematisch aufgebaut werden.

·        Um die Sprechenden zum Sprechen zu motivieren und negativem Konkurrenzverhalten vorzubeugen, sollte den angehenden Lehrenden mehrmals bewusst gemacht werden, dass die Fehler beim Sprechen als natürliche Begleiterscheinungen der Spracherlernung empfunden werden müssen und dass sich die Prüfenden nicht allein an der sprachbezogenen (syntaktisch-semantisch korrekt?), sondern auch der kommunikativen (verständlich/fließend/angemessen?) Norm bei der Festlegung der Gesamtnote orientieren müssen. In diesem Zusammenhang darf eine Beurteilung nie lediglich auf die bloße Feststellung von Fehlern fixiert sein.

·        Darüber hinaus müsste den Kursteilnehmern auch häufig wiederholt werden, dass es sich bei der Vermittlung einer grundlegenden Beurteilungskompetenz mündlicher Kommunikationsfähigkeit nicht um die Bewertung per se, sondern um die Optimierung des Lernprozesses handelt. Die Einschätzung soll den Lernenden also konkrete Informationen darüber liefern, was verbesserungswürdig ist und wie sie schrittweise zur Verbesserung mündlicher Leistungen beitragen können.

·        Da es schwierig ist, mündliche offene Aufgabenstellungen methodisch angemessen zu erfassen und auszuwerten sowie Bewertungskriterien gut zu durchschauen, soll im Unterricht eine detaillierte explizite Reflexion über vorhandene Erfahrungen zur Selbsteinschätzung und Fremdbeurteilung und ihre Effizienz für die Vervollkommnung des vorbereiteten und des freien Sprechens stattfinden.

·        Um die Kursteilnehmer nicht zu überfordern, könnte man die Sprechenden auf Video aufnehmen und das Bewertungssystem vereinfachen, d.h. die die Einschätzungsvariablen reduzieren und anstatt des ausgebauten Notensystems mit einer 4-Punkte-Skala zu arbeiten (sehr gut/gut/akzeptabel/schwach, vgl. dazu Vorschläge von Pattison 1996: 56).

·        Da kompetentes Korrekturverhalten des Dozenten Auswirkungen auf die unterrichtliche Interaktion hat und zugleich ein entscheidender Faktor für die Motivation der Kursteilnehmer ist (vgl. Leupold 2002: 386), sollte der Lehrende immer als Lernberater und Hilfesteller auftreten, der ein Klima des Vertrauens schafft, die Studierenden zu kreativen zielsprachigen Äußerungen ermuntert und dazu motiviert, die erbrachten mündlichen Leistungen angstfrei zu beurteilen und zu bewerten.

Die hier dargestellte Unterrichtssequenz hat darüber hinaus auch eine spezifische Funktion bei der Ausbildung der Lehrerpersönlichkeit. Die Studierenden in der Deutschlehrerausbildung außerhalb des deutschsprachigen Raumes befinden sich in einer besonderen Situation: Zum einen sind sie (und bleiben auch nach ihrem Studium) Deutschlerner, zum anderen sollen sie aber im Verlauf ihres Studiums einen Perspektivenwechsel hin zur angestrebten Rolle als Deutschlehrer vornehmen. Unterrichtssequenzen, die die Entwicklung von Lehrkompetenzen in sprachpraktische Übungen integrieren, können erste Beiträge für die Einnahme einer Lehrperspektive leisten.

 

Literatur

Bausch, Karl-Richard; Christ, Herbert; Königs, Frank G.; Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.) (2003) Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen in der Diskussion. Arbeitspapiere der 22. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr.

Desselmann, Günther (1983) Die Entwicklung des Sprechens im Deutschunterricht für Ausländer. Leipzig: VEB Verlag Enzyklopädie.

Jung, Lothar (1997) Die Bewertung mündlicher Prüfungsleistungen. In: Monica Gardenghi; Mary O’Connell (Hrsg.) Prüfen, Testen, Bewerten im modernen Fremdsprachenunterricht. Frankfurt am Main u.a.: Lang, 73-80.

Kara, Hannele (2002) Zur Evaluation der mündlichen Kommunikation im DaF-Unterricht. Språk og språkundervisning, 35 (1), 24-26.

Klösel, Horst; Lüthen, Reinhold (2000) Jetzt spreche ich – Übungen zu einem Kurzvortrag (10. Schuljahr). Praxis Deutsch 164, 53-56.

Leupold, Eynar (2002) Französisch unterrichten. Grundlagen, Methoden, Anregungen. Seelze-Velber: Kallmeyer.

Pattison, Pat (1996) Mündliche Kommunikationsfähigkeiten im Unterricht testen. Tipps für die Unterrichtspraxis. Fremdsprache Deutsch. Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts. Sprechen 1/1996, 54-57.

Reisener, Helmut (1992) Wie lassen sich mündliche Leistungen bewerten? Der fremdsprachliche Unterricht. Englisch 26 (8), 32-36.

Schreiter, Ina (1996) Sprechen. In: Henrici, Gert; Riemer, Claudia (Hrsg.) Einführung in die Didaktik des Unterrichts Deutsch als Fremdsprache mit Videobeispielen. Band 1, 2. Auflage Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 53-82.

Storch, Günther (1999) Deutsch als Fremdsprache. Eine Didaktik. Theoretische Grundlagen und praktische Unterrichtsgestaltung. München: Fink.

Trim, John; North, Brian; Coste, Daniel (2001) Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen (in Zusammenarbeit mit Sheils, Joseph; Übersetzung: Jürgen Quetz in Zusammenarbeit mit Raimund Schieß und Ullrike Sköries; Übersetzung der Skalen: Günther Schneider). Berlin u.a..: Langenscheidt.

Tucholsky, Kurt (1960) Gesammelte Werke Band III. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Vogt, Karin (2004). Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen: Inhalte, Ziele, Diskussion. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 69, 48-51.

Weiterbildungs-Testsysteme GmbH; Goethe-Institut; Österreichisches Sprachdiplom Deutsch; Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (Hrsg.) (1999) Zertifikat Deutsch. Lernziele und Testformate. Frankfurt am Main: Weiterbildungs-Testsysteme.

 

Biographische Angabe

Sylwia Adamczak-Krysztofowicz: Dr. phil; Studium der Angewandten Linguistik und  Germanistik in Poznań und in Heidelberg. Von 1998 bis 2002 Doktorandin an der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznań. Forschungsaufenthalte in Berlin, Kiel, Wien und Marburg. Von 1999 bis 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Nach der Promotion im Jahr 2002 Oberassistentin am Institut für Angewandte Linguistik in Poznań, derzeit Habilitationsprojekt zur Schulung und Überprüfung des Hörverstehens im DaF-Unterricht.

Antje Stork: Dr. phil; Studium der Fächer Deutsch und Französisch (1. Staatsexamen), Promotion im Jahr 2003 im Bereich Deutsch als Fremdsprache in Marburg. Mehrjährige Tätigkeit als DaF-Lehrerin an Volkshochschule und Sommeruniversität. Seit 1999 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Philipps-Universität in Marburg, derzeit Habilitationsprojekt zu Lerntagebüchern im Fremdsprachenunterricht.