Deutsch in Österreich
Ludwig M. Eichinger, Mannheim
Der Artikel geht anhand des Deutschen in Österreich der Frage nach, welche Aussagekraft und Relevanz das Reden von ‚nationalen Standardsprachen’ im deutschen Sprachraum hat – auch und gerade für Deutsch als Fremdsprache. Dies wird insbesondere an einem Wortschatzausschnitt diskutiert – nicht zuletzt deswegen, weil hier einschlägige Unterschiede mit am deutlichsten hervortreten. Es zeigt sich, dass im österreichischen Deutsch die Distanz zwischen den regiolektalenVarietäten und dem überregional verwendeten Standard wesentlich geringer ist als in Deutschland, wo die größere regiolektale Heterogenität zu einer geringeren Toleranz gegenüber regionalen Substandardeigenheiten geführt hat. Die Unterschiede rechtfertigen allerdings auf der lexikalischen Ebene keine grundsätzlichere Abgrenzung zwischen beiden nationalen Varietäten.
1. Worüber spricht man eigentlich?
1.1 Begriffliches
Das Deutsche ist eine plurizentrische Sprache. Mit einem Satz wie diesem erntet man wenig Widerspruch. Das mag daran liegen, dass der Tatbestand, der mit ihm geäußert wird, so wenig strittig ist, dass man sich nicht weiter darüber unterhalten müsste. Viel wahrscheinlicher erscheint dagegen die Annahme, dass es sich um einen idealen Kompromisssatz handelt. Er lässt so viele Deutungen zu, dass sich selbst widersprüchliche Positionen unter dieser allgemeinen Formulierung wieder finden können. Einen Hinweis darauf, dass diese unfreundlichere zweite Deutung die wahrscheinlichere ist, mag man schon darin finden, dass sich an der Stelle des Satzes, an der hier plurizentrisch steht, ein terminologischer Kleinkrieg entwickelt hat, der keine Sieger kennen kann. Dieser Kleinkrieg geht im Wesentlichen darum, was man als relevantes „Zentrum“ ansehen sollte. Die Alternativen spannen sich von Norbert Richard Wolfs für Österreich vertretenem Konzept der Polyarealität bis hin zu Ulrich Ammons nationalen Varietäten.[1]
Zu sagen, das Deutsche sei eine polyareale Sprache, stellt die Diskussion um die räumlich bedingte Variation in den Kontext der sprachgeographisch-soziolinguistischen Forschung. Beim Deutschen in seiner heutigen Form sieht man nach wie vor die raumbildende Kraft traditioneller kulturräumlicher Zusammenhänge. Dabei ist natürlich nicht an die Dialekte zu denken, vielmehr steht diese Einordnung eher in der Tradition von Arbeiten wie Paul Kretschmers Umgangssprachenbuch vom Anfang des 20. Jahrhundert, in dem die Ausstrahlungsräume der großen städtischen Agglomerationen untersucht und dokumentiert werden. Wenn man solcherart auf die Ausstrahlungskraft verschiedener städtischer Zentren Wert legt, liegt möglicherweise schon eine Benennung als poly- oder plurizentrisch näher. Man kann dabei aber nicht davon absehen, dass diese städtischen Zentren nicht mehr hinreichend beschrieben sind, wenn man sie als modernisierte Fortsetzung traditioneller räumlicher Organisation versteht. Vielmehr stellen die großen Städte Konzentrationspunkte in einer auf Standardisierung zielenden und in die Bildung der modernen Nationalstaaten eingebundenen Entwicklung dar. Mit der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu beobachtenden Verstädterung nimmt insgesamt eine Sicht zu, in der die traditionellen sprachgeographischen Gegebenheiten immer stärker von Ausgleichsprozessen überlagert werden.
1.3 Nationales
Bei der Begrenzung der Ausgleichsräume nehmen dann auch die Staatsgrenzen einen immer bedeutenderen Platz ein. Das erste historische Beispiel dafür ist zweifellos die mit der Gründung des preußisch gesteuerten deutschen Reichs getroffene Entscheidung für eine kleindeutsche Lösung.[2] Mit ihr bekommen die Formen des Deutschen, die in der Habsburger Monarchie gebracht wurden, einen eigenen Status. Dadurch wurde faktisch ein kohärenter süddeutsch geprägten Sprachraums durchtrennt. Das verändert den Status des Deutschen in Österreich ebenso wie den der Varietäten des Deutschen, wie sie in dem Raum üblich waren, der nun den Süden der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Die Einschätzung dessen, was hier wie dort als Standard zu gelten hat, orientiert sich zwar nicht nur, aber in zunehmendem Maße doch auch durchaus an den staatlichen Grenzziehungen. Das Bewusstsein dafür nahm erklärlicherweise nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich zu, da nun eine beiläufige Gleichsetzung der anderen deutschsprachigen Staaten mit dem historisch belasteten größten deutschen Staat als besonders problematisch gelten musste. Das betrifft nicht nur die Verhältnisse in Österreich. Auch in der Schweiz hat sich infolge dieser historischen Bedingungen der Geltungsbereich der verschiedenen deutschsprachigen Varietäten verändert. Und der Aufschwung, den das Letzeburgische genommen hat, ist ebenfalls dadurch wenn schon nicht bedingt, so doch wesentlich beschleunigt worden. Es gibt, wie man schon an diesen Beispielen sehen kann, unterschiedliche Weisen, sich in dem Kontinuum der sprachlichen Varietäten neu zu positionieren. Dabei ist die dem schweizerischen Modell zumindest ursprünglich zugrunde liegende Idee einer stärkeren Akzentuierung der Medialität – also allmähliche Ausweitung der sozialen Geltung der regional gesprochenen Dialekte auf alle Domänen der gesprochenen Sprache – eine, die sich aus der üblichen süddeutschen Varietätendistribution relativ leicht ableiten lässt. Im Prinzip stehen die österreichischen Verhältnisse in dieser Hinsicht zwischen den schweizerischen und den bundesdeutschen. So gibt es zwar keine Identifikation von kleinräumigem Dialekt und umgangssprachlicher Normalität, dennoch sind die sprechsprachlichen Substandardformen eindeutiger auf die regionale Basis zu beziehen als das unter bundesdeutschen Verhältnissen der Fall ist.[3] Das betrifft am anderen Ende auch Charakteristika der standardnahen Sprechsprache und der Schriftsprache. Da im Unterschied zur Schweiz ein Kontinuum zu diesen Formen führt, sind sie andererseits von großräumigen und staatsbezogenen Merkmalen gekennzeichnet, von der die entsprechenden Formen als typisch österreichisch gekennzeichnet sind.
Aber eigentlich ist diese staatliche Differenzierung, die auf der traditionellen Nord-Süd-Gliederung im deutschen Sprachraum aufbaut, ohne mit ihr ganz parallel zu laufen, nicht der Anlass, der die Auseinandersetzung um nationale Unterschiede im deutschen Sprachraum in das Blickfeld der Öffentlichkeit brachte.
1.4 Politisches
Besonders kritisch wurde die Frage nach der normativen Struktur des deutschen Sprachraums vielmehr in der politischen Auseinandersetzung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Vor allem die so genannte „Vier-Varianten-These“ mit den Betonung der nationalen Sprachvarietäten und –varianten[4] brachte die Diskussion über die Frage verstärkt in Gang, welchen Grad an Eigenständigkeit die Formen des Deutschen hätten, die in den verschiedenen deutschsprachigen Staaten vorherrschten, seit Mitte der 1970er Jahre verstärkt in den Fokus der Interesses. Hatte diese Diskussion ihren Grund und ihren Zweck anfänglich in der „deutsch-deutschen“ politischen Auseinandersetzung, so leitete sie allmählich doch zu jenem Diskurstyp hin, der die Diskussion bis heute bestimmt. Die leitende Frage dabei ist, wie man sich die Verhältnisse in erkennbar plurizentrisch orientierten Sprachgemeinschaften wie der Deutschen vorzustellen habe. Dass diese Art von Interpretation verstärkt auf die Verhältnisse in Österreich bezogen wurde, steht dann eher im Kontext der politischen Veränderungen seit Ende der 80er Jahre mit dem Zusammenfinden der „neuen“ Bundesrepublik Deutschland und mit dem Eintritt Österreichs in die EU.[5] Diese Ereignisse stellten zweifellos kritische Tatbestände für die eigene sprachliche Identität – auf allen beteiligten Seiten – dar. So werden in dieser Zeit die Anregungen von Michael Clyne und Peter von Polenz aufgenommen und allmählich zum Konzept der „nationalen Varietät“ verdichtet,[6] wie es dann im Verlaufe der 90er Jahre vor allem in den Arbeiten von Ulrich Ammon ausbuchstabiert wird. Dabei ist es eigentlich unstrittig, dass es österreichische, schweizerische und bundesdeutsche Eigenheiten des Sprachgebrauchs („Varianten“) gibt, der Streit geht eigentlich darum, welcher systematische Wert ihnen bei der Ordnung dessen beizumessen ist, was man als historische Sprache „Deutsch“ nennt.[7]
1.5 Alternativen
Es gibt zwei grundlegende Alternativen und vielleicht eine Kompromissposition. Entweder geht man davon aus, dass eine Gesamtsprache Deutsch existiert, die eine gewisse in Verkehrsräume zu fassende Variation zeigt, oder man nimmt an, dass die deutsche Gesamtsprache eigentlich nicht existiert, sondern dass dieser Terminus nur einen Namen für eine Reihe von verwandten aber differenten Varietäten darstellt. Für den Kompromiss muss man sich als erstes klarmachen, dass es gar nicht um das Deutsche in all seinen Ausfächerungen geht, sondern um die Grenzen dessen, was den sprachlichen Standard ausmacht. Damit ist die sprachliche Basis, der sprachliche Kern, ohne jeden Zweifel gleich, lediglich die normative Geltung bestimmter Merkmale wird unterschiedlich eingeschätzt. Im Wesentlichen ist es wohl dieser letzte Punkt, der das Konzept der nationalen Varietäten kennzeichnet, wie es von Ulrich Ammon ausformuliert wurde. Dabei ist allerdings die Behauptung impliziert, dass die staatlichen Grenzen bzw. eine entsprechende nationale Definition entscheidende Kriterien auf dieser Ebene seien. Selbst bei einer solchen Formulierung – was sie wohl zum Kompromiss so gut geeignet macht – bleibt es einem noch unbenommen, wie man die zu beobachtenden Unterschiede bewertet, d.h. vor allem, wo man die Grenzen der Standardsprachlichkeit zieht.
2 Die betroffene sprachliche Ebene
2.1 Standard
Denn wie wenig auch immer klar sein mag, eigentlich kann man diese Diskussion lediglich auf der Ebene der standardisierten bzw. als einigermaßen unstrittig standardgemäß angesehenen Erscheinungen führen. Hier liegt ein erhebliches empirisches Problem, wie am deutlichsten die Diskussion um das „Österreichische Wörterbuch“ gezeigt hat,[8] wie das aber auch aus verschiedenen Versuchen der Darstellung entsprechender Varietäten hervorgeht – etwa aus Ulrich Ammons Aufzählung von Teutonismen und Austriazismen[9] ebenso wie aus den Einträgen in dem Duden-Band Jakob Ebners (Ebner 1998) und auch aus den Lemmata des neuen „Variantenwörterbuchs des Deutschen“ (Ammon et.al. 2004), oder auch, um einen anderen Teil des Sprachraums zu nehmen, aus Ludwig Zehetners (Zehetner 1997) lexikographischer Bearbeitung des Bayerischen Deutsch.
Was gilt als Standardform und wer bestimmt darüber?[10] Wenn das Konzept einer polyzentrischen Sprachkultur einen Sinn haben soll, sind die Ansprüche der „nationalen“ Zentren, in dieser Norm eine Rolle zu spielen, in ein vernünftiges Verhältnis mit der Hauptaufgabe einer Standardsprache zu bringen, nämlich als Ausgleichform über den ganzen Sprachraum dienen zu können. Erschwerend unter diesen „nationalen“ Gesichtpunkten kommt dazu, dass die Staatsgrenzen als die Grenzen nationaler Varianten sich in komplizierter Weise mit den traditionellen regionalen Untergliederungen des Deutschen überschneiden.[11] Da sich die Ausgleichsprozesse und Normierungsakte, durch die sich die Standardform definiert, nicht statistisch gleichmäßíg über den ganzen Sprachraum verteilen, spielen die verschiedenen regionalen Varietäten in der Gesamtrepräsentation des Deutschen aber dann doch eine unterschiedliche Rolle. Prinzipiell beruhen die Standard-Vorstellungen auf einer nördlich bundesdeutschen Realisierungsform des Deutschen.[12]
So ist es verständlich, dass auf dieser Basis in Österreich die Diskussion darüber aufkam, ob es neben einem weithin an dieser allgemeinen Norm orientierten „externen Standard“ eine stärker von dieser regionalen und sozialen Einbettung geprägte Form gebe, die aber ebenfalls den Anspruch auf Standardgeltung erheben könnte, einen „internen Standard“. In gewissen Umfang wird auch im Süden der Bundesrepublik Deutschland – vor allem in Bayern – eine im Prinzip ähnliche Diskussion geführt. Das bereits erwähnte Wörterbuch Ludwig Zehetners ist unter anderem ein Plädoyer für die Existenz eines süddeutschen Hochdeutsch.
2.2 Definitionsfragen
Was kann man noch Standard nennen und wonach entscheide ich, ob bestimmte sprachliche Eigenheiten dem Standard zuzurechnen sind oder einer wie auch immer zu begrenzenden Substandardform?
Nun ist die Norm, der man im Schreiben und in mündlichen Akten höchster Öffentlichkeit folgt, in weiten Bereichen völlig unstrittig: die Variation im Kern der Grammatik, also zum Beispiel in der Syntax, ist gering. Und wenn, wird eher die Frage diskutiert, ob hier für das Schreiben und das Sprechen das gleiche Maß gilt als Fragen einer regionalen oder nationalen Untergliederung. Auch in der Morphologie handelt es sich um marginale Fälle: gewisse Numerus- und Genusunterschiede, gelegentlich unterschiedliche Verb- oder Präpositionalrektion, Schwankungen bei der Tempusbildung einzelner Verben – eigentlich nichts Signifikantes.[13] Der Status der traditionellen Norm der Standardaussprache ist im ganzen Sprachgebiet – soweit nicht professionell geschulte Sprecher betroffen sind – prekär.[14]
Es ist nicht überraschend, dass sich das Hauptaugenmerk der Diskussion daher auf Fragen des Wortschatzes einschließlich der Idiomatik und damit zusammenhängende Bedingungen seines Gebrauchs richtet. Darauf wollen wir uns im Folgenden ebenfalls konzentrieren. Um die Diskussion über das Zitieren einzelner Beispiele hinauszuführen – die natürlich ebenfalls gebracht werden – wird im Weiteren jeweils systematisch auf die Befunde zugegriffen, die sich aus der Auswertung der Einträge zum Buchstaben F in dem bereits erwähnten „Variantenwörterbuch des Deutschen“ (Ammon et.al. 2004, S. 227-271; im Folgenden VdD) ergeben.[15]
Denn in diesem Teil des sprachlichen Inventars gibt es eindeutig Bereiche, die auf staatlicher Ebene geregelt sind und von daher notwendig als standardsprachlich anzusehen sind. Allerdings gehören sie eigentlich natürlich im gesamten Sprachbereich des Deutschen zum Standard. In den Staaten, in denen die Terminologisierung einen anderen Weg genommen hat, handelt es sich damit in diesen Fällen um „Exotismen“ – ein Terminus, der in der west- und mitteleuropäischen Benachbartheit der in Frage stehenden Länder zweifellos übertrieben erscheint. Auch wenn das so ist, hat dieser Tatbestand Folgen für die standardsprachliche Einschätzung innerhalb des deutschen Sprachraums einerseits und für die Vermittlung des Deutschen als Fremdsprache andererseits.
2.3 Einschätzungs- und Natürlichkeitsfragen
Was die Einschätzung als Standard angeht, so erscheint doch dem naiven Sprecher aus dem jeweiligen Staat das jeweils eigene Wort irgendwie als das normale. Er wird es vor allem auch dann verwenden, wenn er ohne Bezug auf die spezifischen Festlegungen eines einzelnen Staates ganz generell über den jeweiligen Sachverhalt sprechen will. Das betrifft – und das macht es normativ kritisch – den Zugriff auf der semantischen Basisebene. So ist es vermutlich für im österreichischen oder Schweizer Kontext groß gewordene Personen das natürlichste, von der Matura zu sprechen, während das Normalwort für bundesdeutsche Sprecherinnen und Sprecher sicherlich Abitur lauten würde. Und alle hätten vermutlich recht in der Einschätzung, sich damit in der deutschen Standardsprache zu bewegen. Dagegen ist das Wort Reifeprüfung zwar Allen gemein, aber auch für alle weniger natürlich, mit einem deutlichen Hauch von Fachlichkeit behaftet.[16]
Das ist zweifellos ein Problem,[17] nicht zuletzt deshalb, weil die bundesdeutschen Varianten aufgrund der herausgehobenen Rolle des ursprünglich niederdeutschen Raums für die Ausformulierung der hochdeutschen Normen und aufgrund der schieren Menge der Sprecher doch einen herausgehobene Stellung – etwa auch in den großen Wörterbüchern – haben.[18] Und so prägt denn das amtlich mehr oder minder nahe gelegte Sprechen durchaus den jeweiligen Standardton – und das wird aufgrund der gerade genannten Verhältnisse mehr als ein Spezifikum der kleineren Staaten als der bundesdeutschen Norm angesehen. Der gleiche Effekt geht zweifellos noch eine Stufe weiter: die alltagsorientierten Seiten des öffentlichen Sprechens nehmen ihren Wortschatz im Zweifelsfall aus den Üblichkeiten der jeweiligen regionalen Tradition. Das führt zum Teil zu inhaltlichen und formalen Präferenzen, die den jeweils eigenen Charakter durchaus verstärken. So sind Formen wie z.B. Schweizerisches jemanden büßen ‚(amtlich) eine Strafe auferlegen‘[19] oder die österreichische Verwendung von Mist als Normalwort für das, was bundesdeutsch Müll oder „gemeindeutsch“ (cf. VdD S.6) Abfall heißt, gerade wegen der Existenz der formal gleichen Wörter in deutlich differierender Verwendung vielleicht deutlichere Austriazismen oder Helvetismen als Wörter, die im bundesdeutschen Raum gar nicht auftauchen. In ähnlicher Weise konnotativ markiert für nichtösterreichische Muttersprachler des Deutschen sind auch bestimmte formale Eigenheiten, etwa die im Süden des deutschen Sprachgebiets insgesamt zu beobachtende Neigung zur Verwendung von Diminutiva mit einem –l-haltigen Suffix.[20] Dass es dabei nicht so sehr um Diminution geht, sei einstweilen bei Seite gelassen. Das Pickerl ‚Aufkleber‘, das Stockerl ‚Hocker‘ oder das Plastiksackerl ‚Plastiktüte‘ und das Hendl im Unterschied zum als unauffällig geltenden Hähnchen tragen das Flair des Österreichischen mit sich, werden bundesdeutsch nach dem eigenen Systemstatus (‚veraltete Diminution ‘ o.ä.) interpretiert und lösen so stereotype, aber faktisch (‚systemintern‘) daraus nicht abzuleitende Einstellungen aus.[21]
Nicht zuletzt aus dem Übergängen, die sich auf Nicht-Standardebene in dieser Hinsicht mit den südlichen bundesdeutschen Varietäten zeigen, lässt sich ersehen, dass es sich um die Frage handelt, in wie weit Regionalismen in den Standardbereich aufgenommen werden können.
2.4 Regionales und Typisches
Diese Diskussion schlägt sich besonders an der Stelle nieder, wo es um die gerne so genannten „Demonstrationsaustriazismen“ (Pohl 1997) geht. Den Kern dieses Typs stellen die Bezeichnungen für verschiedene Kulinaria dar, deren Benennungen sich Österreich beim Eintritt in die EU als gleichwertig schützen ließ. Es handelt sich im Einzelnen um die folgenden Wortpaare:
Beiried / Roastbeef; Eierschwammerl / Pfifferlinge; Erdäpfel / Kartoffeln; Faschiertes / Hackfleisch; Fisolen / Grüne Bohnen; Grammeln / Grieben; Hüferl / Hüfte; Karfiol / Blumenkohl; Kohlsprossen / Rosenkohl; Kren / Meerrettich; Lungenbraten / Filet; Marillen / Aprikosen; Melanzani / Auberginen; Nuss / Kugel; Obers / Sahne; Paradeiser / Tomaten; Powidl / Pflaumenmus; Ribisel / Johannisbeeren; Rostbraten / Hochrippe; Schlögel / Keule; Topfen / Quark; Vogerlsalat / Feldsalat; Weichseln / Sauerkirschen.
Gänzlich ungeachtet der Frage, was die politisch-bürokratische Verzeichnung dieser Paare bewirkt, kann man feststellen, dass hier auf der einen Ebene der Tatbestand reflektiert wird, dass sich bei den Bezeichnungen für alltägliche Dinge des Essens und Trinkens eine erhebliche regionale Variation findet, deren Standardnähe und –ferne generell nicht leicht zu bewerten ist – man vergleiche nur klassische Beispiele wie das Nebeneinander von Orange und Apfelsine, aber auch die verwirrenden Verhältnisse zwischen Rotkohl, Blaukraut, Rotkraut.[22] Dabei zeigen manche der Bildungen das schon erwähnte Stereotypenkleid einer süddeutschen Diminuierung (Eierschwammerl, Hüferl , Vogerlsalat), oder eine stärkere Bevorzugung oberdeutscher Varianten (Erdäpfel, Grammeln – dazu wohl auch die Benennungen für die Fleischteilung), auch den selektiven Erhalt im Deutschen sonst historisch auch vorzufindender Benennungen (Paradeiser, Weichseln). Die meisten, zumindest wohl die auffälligsten, Bildungen reflektieren deutlich die Einbindung in eine andere kulturelle Tradition. Davon sprechen die auf die italienische Tradition (oder Vermittlung) weisenden Bildungen von Karfiol bis Ribisel, die dem slawischen Kontaktbereich entstammenden Wörter wie Kren.[23] In dieser Spezifik der sprachlichen Ausprägung alltäglicher Lebenskultur haben diese Benennungen zweifellos ihren Shibboleth-Wert, mit dem Identität verbunden werden kann. Allerdings ist auch hier die Frage, was den Standard-Charakter begründet, nicht ganz klar. Und zwar, wie in den obigen Fällen schon angedeutet, sowohl extern, d.h. im Verhältnis zu alternativen Benennungen für dieselben Dinge im sonstigen deutschen Sprachraum, als auch intern. Wie am Fall der Paradeiser-Tomaten-Differenz verschiedentlich dargelegt worden ist, ist auch die Frage der österreichinternen Geltung dieser Benennungen nicht unstrittig: die „Wienzentriertheit“ dessen, was als typisch österreichisch gelten soll, gefällt bei weitem nicht allen Österreichern, zumindest nicht denen aus dem Westen des Landes.[24]
Zudem ist abgesehen von dieser regionalen Differenzierung nicht ganz klar, welche diastratische Tiefe der plurizentrische Standard haben kann. Bei nicht wenigen Wörtern und Wendungen – das zeigte sich vor allem in der Diskussion um einschlägige Einträge im „Österreichischen Wörterbuch“ – war offenkundig eine Sprachform betroffen, die jedenfalls auch für viele österreichische Sprecher als deutlich sozial markiert erscheint.[25]
3 Klassifikation und Bewertung
3.1 Übersichten[26]
Mit dem Vorliegen des VdD kann man nun mit etwas mehr Hoffnung auf eine repräsentative Antwort der Frage nachgehen, wie eigenständig das österreichische Deutsch auf der Ebene von Wortschatz und Phraseologie ist, so dass es gar ein eigenständiges Österreichisch heißen könnte. Um dem Wörterbuch in dieser Hinsicht wirklich gerecht zu werden, wäre es zweifellos vonnöten, es als ganzes und in der Komplexität seiner Verweisungen zu würdigen. Für eine tentative Antwort mag es genügen, sich einmal einen Ausschnitt anzusehen. So sind in den folgenden Tabellen alle Einträge[27] für den Buchstaben <F> verzeichnet und geordnet nach der Differenzierung der „Normräume“, für die sie gelten sollen. Interessant sind dabei schon die Größenordnungen der Listen für die verschiedenen „nationalen“ Varietäten.[28]
Liste 1: Austriazismen (A)
1. Fabriks- (vs. Fabrik-) 2.
Fadesse, (Dd;ö.ugs.) 3. Fahrverkäufer 4. Fahrzeuglenker (D.bes.schweiz) 5. Falott (Grenzfall des Standards) (Dd;ö.ugs.) 6. Falter (‚Faltprosepkt’) 7. Familienbeihilfe 8. färbig (Dd;ö.) 9. Fasche, faschen (Dd;ö.) 10. faschieren, Faschiermaschine, Faschiertes (Dd;ö.) 11. Faschingsnarr 12. Feber (Dd;ö.) 13. Federpennal (Dd;ö.) 14. Federschachtel (Dd; -) 15. Feinspitz (‚Feinschmecker’) 16. Fensterbalken 17. Fenstertag (‚Brückentag’) 18. Ferial- (Dd;ö.) 19. fernschauen 20. Fernsprechnummer (amt) (Dd; -) 21. ferslern, Fersler (Grenzfall des Standards) 22. Fertigteilhaus 23. Feschak (Grenzfall des Standards) (Dd;ö.ugs.) |
24. Feststiege (Dd;ö.) 25. Fetzen (Grenzfall des Standards) Fetzenmarkt, Fetzentandler (z.T. Dd;ö.) 26. Fetzenschädel (derb; Grenzfall des Standard ) (Dd;ö.) 27. Feuchtblattern 28. Feuerhalle (Dd;ö.) 29. FHS 30. Fiaker (Dd;ö.) 31. Filz (Dd;ö.; Variante 7) 32. Finanz, die (salopp, Grenzfall des Standards) (Dd;ö.ugs.; Variante 3) 33. Finanzlandesdirektion 34. Finanzprokuratur 35. durch die Finger schauen (Grenzfall des Standards) (Dd; - ; sehen) 36. Firmenbuch 37. Firstbaum, Firstfeier (Dd;ö.) 38. Fischerkarte 39. Fisole (Dd;ö.) 40. Fitschigogerln (Grenzfall des Standards) 41. fix (Dd;ö.; Variant 1b) 42. Flächenwidmung, 43. fladern (salopp; Grenzfall des Standards) (Dd;ö.) 44. flaumig (Dd;ö.; Variante b)) |
45. Fleck 46. Fleischhacker (Dd;ö.ugs.) 47. Fleischhauer (Dd;ö.) 48. Fleischlaibchen (Dd;ö.) 49. Fleischmaschine (Dd;ö.) 50. Flesslers(‚Gebäck’) (Dd;ö.) 51. Fliegenpracker 52. Flugrettung 53. Flugzettel (Dd;ö.) 54. Fogosch (Dd;ö.) 55. Folgetonhorn (Dd;ö.) 56. Folienerdapfel 57. FPÖ (Dd;ö.ugs.) 58. Frachten- (Dd;ö.) 59. Frächter (Dd;ö.) 60. Frauerl (Grenzfall des Standards) 61. freiheitlich,
(Dd;ö.) 62. Freunderl (abwertend, Grenzfall des Standards), Freunderlwirtschaft 63. Frittaten (Dd;ö.) 64. Fußgeher,
(Dd;ö.) 65. Fußtacke (Grenzfall des Standards)
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Liste 2: D
1. Fachabitur 2. Fachwirt 3. Fadennudel 4. Fahrradkurier 5. Fahrstreifenbegrenzung 6. Fahrstuhl 7. Fahrzeugschein 8. Färse 9. Fastnacht 10. Federhalter 11. Federweiße, der 12. Fehlbelegen 13. sich fein machen 14. feixen (Grenzfall des Standards) 15. Feldjäger 16. Feldwebel 17. Fernbahnhof |
18. fernmündlich 19. Fete 20. sein Fett abbekommen (Grenzfall des Standards) 21. FeWo 22. Fez 23. Filetstück 24. Filtertüte 25. Fixerstube 26. Flächennutzung 27. Flaniermeile 28. Fleischhammer 29. fliesen 30. wie am Fließband 31. Flimmerkasten 32. flittern 33. Flomen |
34. Floriansjünger, Florianstag 35. Fluggastbrücke 36. Flugzeugführer 37. Flurstück 38. Fluse 39. Fraktionsvorsitzende, der 40. Freimachen 41. Freistaat 42. Freizeit (Gruppen-) 43. Freizeitausgleich 44. Friesennerz 45. Fuffzig (Grenzfall des Standards), Fuffziger 46. Führungszeugnis 47. Fuhrunternehmen 48. Fußabtreter 49. Fußgängerüberweg
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Liste 3: CH
1. F’Whg 2. Fachausweis 3. Fähigkeitsausweis(Dd; o.reg.Einschr) 4. Fähigkeitszeugnis 5. Fahrhabe (Dd; schw.) 6. Fahrspesen 7. Fahrzeugausweis (Dd; schw.) 8. Im Fall 9. Falle (Türgriff) (Dd; schw.; Variante 3b) 10. Fallmasche (Dd; schw.; sachl. anders!) 11. Faltprospekt (Dd; o.reg.Einschr.) 12. Familienanlass (Dd; schw.) 13. Familienbüchlein 14. Familiengarten 15. Familienschein 16. Familienzulage (Dd; o.reg.Einschr.) 17. en famille 18. Fangis 19. Fanionteam 20. Fasnächtler usw. 21. fassen (‚Strafe’) 22. Fegbürste 23. fehlbar, Fehlbare, der (Dd; schw.; Var.2) 24. Feldschiessen 25. Feldweibel (Dd; schw.) 26. Ferienablösung 27. Ferienentschädigung 28. Fernsehdirektor 29. Festanlass (Dd; schw.) 30. Festbeiz 31. festen (Dd; schw.) 32. Festhütte (Dd; schw.) 33. Festwirtschaft 34. Feuerschau (Dd; ö.) 35. Feuerschauer 36. Feuerwehrlokal |
37. Feuerwehrmagazin 38. Fideli 39. Final (‚Finale’) (Dd; schw.) 40. Finanzdelegation 41. Finanzkommission 42. Fingerdock 43. Finken, der (Dd; schw.; mundartlich) 44. Finnenbahn 45. Fischenz (Dd; schw.) 46. Fischereipatent 47. Fiskalabgabe 48. Fiskalquote 49. Fixerstübli 50. Fixleintuch 51. Flab (Dd; schw.) 52. Flädli 53. Flair (Dd; schw.; Var. 2) 54. flattieren (Dd; schw.) 55. Flaumer (Dd; schw.) 56. Fleischschau (Dd; schw.) 57. Fleischvogel (Dd; schw.) 58. Flick (Dd; landsch.) 59. Fliegentätscher 60. Flight-Attendant 61. Flipperkasten 62. Flugwaffe (Dd; schw.) 63. Fluh (Dd; schw.) 64. FMH (Dd; schw.) 65. à fonds perdu 66. Formstand (Dd; schw.) 67. Forstwart 68. Föteli (Grenzfall des Standards) 69. Fötzel (Dd; schw.) 70. Fotzelschnitte 71. Foulard(Dd; schw.) 72. foutieren, sich |
73. Franchise (Dd; schw.) 74. Franken (Dd; schw.) 75. Fränkler (Dd; schw.) 76. fräsen (‚schnell autofahren’) 77. Frankfurterli (Dd; schw.) 78. Frauenriege 79. Frauenturnverein 80. Freiamt (Dd; o.reg.Einschr.) 81. Freiberge 82. Freiberger 83. freierwerbend. Freierwerbende, der 84. Freinacht (Dd; schw.) 85. Freipass 86. Freisinn, freisinnig (Dd; schw.) 87. Freitag (‚freier Tag’) 88. Fresspäckli 89. freundeidgenössisch 90. Friedensgericht 91. innert nützlicher Frist 92. Fronarbeit (Dd; schw.) 93. Frondienst (Dd; schw.) 94. Frontseite (Dd; o.reg.Einschr) 95. Frucht 96. Frühlingsferien 97. das Fuder überladen 98. Füdli (Grenzfall des Standards) 99. füdlibutt (Grenzfall des Standards) 100. Füdlibürger 101. Führerausweis (Dd; schw.) 102. Fuhrhalter (Dd; o.reg.Einschr.) 103. Fülli 104. Fünfliber (Dd; schw.) 105. Fürsprech (Dd; schw.) 106. Fürsprecherpatent 107. Fürstenland 108. Füsilier (Dd; o.reg.Einschr.) |
Liste 4: A + D südost
1. fad (Dd; ö.so.) 2. Fangerl 3. Faschingskrapfen, Faschingszug (Dd; ö.bayr.) 4. Fassbinder (Dd; ö.so.) 5. Feder (‚Füllfeder’) 6. Feitel (Grenzfall des Standards) (Dd; ö.so.) 7. Fensterstock (Dd; ö.) 8. Ferner (Dd; ö.so.) 9. Festl (Grenzfall des Standards) 10. das Kraut fett machen 11. Feuerbeschau (Dd; ö.) |
12. Fex (Dd; ö.so.) 13. Fierant (Dd; ö.) 14. fieseln (Grenzfall des Standards) (Dd; ö.bayr; ugs) 15. Flachse (Dd; ö. bayr.) 16. Fleckerl. Fleckerlteppich (Dd; ö.bayr) 17. Flederwisch (Ddohne reg. Einschr.) 18. Fleischlaberl(Dd; ö.) 19. Floriani (+Zusammensetzungen damit) (Dd; ö. bayr.) 20. Fotze (Grenzfall), fotzen(Grenzfall) (Dd; ö.bayr; derb; Variante 3)) |
21. Fotzhobel (Dd; ö.bayr.) 22. Fratz (Dd; ö.bayr; abwertend) 23. fretten, sich (Grenzfall des Standards) (Dd; ö.bayr.; ugs.)) 24. in der Früh (Dd; ö.südd.) 25. Frühstückspension (Dd; bes. ö.) 26. Fülle (Dd; landsch.) 27. Fuß (‚Bein’) (Dd; ö.bayr; Variante b) 28. Fußabstreifer (Dd; landsch.) 29. Fuzel, fuzeln (Dd; ö.; ugs.)
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Liste 5: D + A
1. Facharbeiter (Dd; o.reg.Einschr) 2. Fachwerkhaus (Dd; o.reg.Einschr) 3. Fahranfänger 4. Fahrausweis (Dd; o.reg.Einschr) 5. Fahrradbote 6. Fahrschein (Dd; o.reg.Einschr) 7. Fahrtenmesser (Dd; o.reg.Einschr) 8. Fahrtrichtungsanzeiger (Dd; o.reg.Einschr) 9. Familienstand (Dd; o.reg.Einschr) 10. Fasching (Dd; o.reg.Einschr) 11. Federbett (Dd; o.reg.Einschr) 12. Feinkost (Dd; o.reg.Einschr) |
13. Fernsprecher (Dd; o.reg.Einschr) 14. Feuerwehrhaus (Dd; o.reg.Einschr) 15. Finale (Dd; o.reg.Einschr) 16. Finanzamt (Dd; o.reg.Einschr) 17. Finanzbehörde (Dd; o.reg.Einschr) 18. Fleischbeschau (Dd; o.reg.Einschr) 19. Flugbegleiter (Dd; o.reg.Einschr) 20. Flurbereinigung (Dd; o.reg.Einschr) 21. Folienkartoffel (Dd; o.reg.Einschr) 22. Format (Sendeformat) (Dd; o.reg.Einschr) 23. Freiberufler, freiberuflich (Dd; o.reg.Einschr) 24. Freifahrtschein (Dd; o.reg.Einschr) |
25. Freigang (Dd; o.reg.Einschr) 26. freilich (Dd; bes. südd.) 27. Freizeichen (Dd; o.reg.Einschr) 28. Fremdenverkehrsverband 29. Fremdenzimmer (Dd; o.reg.Einschr) 30. Fresspaket (Dd; o.reg.Einschr; ugs.) 31. Friseur, Frisör (Dd; o.reg.Einschr) 32. Frühstücksei (Dd; o.reg.Einschr) 33. fuchtig (salopp) (Dd; o.reg.Einschr) 34. Führerschein (+Zusammensetzungen) (Dd; o.reg.Einschr) 35. Fünftel (Neutrum) (Dd; ö.d.)
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Liste 6: D (mit Einschränkungen, außer: ohne südost)
1. fade 2. auf die Schnauze fallen 3. Färse 4. ein Fass aufmachen (Grenzfall des Standards) 5. Federwisch 6. Feierabendheim 7. Festgarnitur 8. sein Fett abbekommen (Grenzfall des Standards) 9. Fettlebe 10. Feudel, feudeln 11. Brandschau 12. Fez |
13. fipsig (Grenzfall des Standards) 14. Flappe 15. Flieder 16. Flunsch (Grenzfall des Standard) 17. Fleet 18. Fleischer, Fleischerei 19. Flieder 20. Fliegenklatsche 21. Flöhe (‚Geld’; Grenzfall des Standards) 22. Flunsch 23. Fluppe (Grenzfall des Standards) 24. Flur |
25. Fluse 26. Forke 27. Frikadelle 28. Frittenbude (Grenzfall des Standard) 29. zweites Frühstück 30. Frühstücksbrettchen 31. Frühstückspause 32. fudeln (abwertend) 33. Fuffi (Grenzfall des Standards) 34. Funkenmariechen 35. Fußbank 36. futtern (salopp) |
Liste 7: D + CH
1. Fabrik- 2. Fachperson 3. auf die Schnauze fallen 4. Faltblatt 5. farbig 6. Fausthandschuh 7. Fersengeld geben 8. Feta |
9. Fettgebäck 10. Feuerpolizei 11. Finalrunde 12. Fleischklopfer 13. Flicken, Flickenteppich 14. Fliege (‚Kleidung’) 15. Fliegenklappe 16. Flyer |
17. Frauchen (‚Hund’) 18. Füllfederhalter 19. Fünf, die (usw.) 20. Fussel, fusseln 21. Fuß/ssgängerstreifen 22. Futterhäuschen
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Liste 8: A + CH
1. Fahrzeuglenker 2. Fauteuil 3. fernschauen 4. Financier |
5. fischeln 6. Fitnessparcours 7. Fliegerabwehr 8. Fremdenpolizei |
9. führen (‚mit Fahrzeug befördern’) 10. Füllfeder 11. Fünfer, der usw.
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Liste 9: Gemeindeutsch
1. Faden (Fäden ziehen) 2. Fähre 3. fahren 4. Fahrerflucht 5. Fahrkarte 6. Fahrnis 7. Fahrprüfung 8. Fahrrad 9. Fahrradfahrer 10. Fahrradmechaniker 11. Fahrradpumpe 12. Fahrradweg 13. Fahrschule 14. Fahrschüler 15. Fahrtspesen 16. Familie (→ Mischpoke!) 17. Fan 18. fangen, sich 19. Fäustling |
20. Faustregel 21. Februar 22. Feingebäck 23. Feinschmecker 24. Felswand 25. Fensterladen 26. Ferien- 27. Feriengast 28. Fernglas 29. Fernsehapparat, fernsehen, Fernsehen 30. Ferse 31. Fertighaus 32. Fertigsuppe 33. Festzelt 34. Ins Fettnäpfchen treten 35. Fettpolster 36. feuerrot 37. Feuerwehrmann 38. Fiskus |
39. Flaneur, flanieren 40. Flugblatt 41. Flugwesen 42. Flurschaden 43. Flussbarsch 44. Form 45. fortfahren 46. Foto 47. frankieren 48. Freibrief 49. Freund 50. Freundchen 51. Füller 52. Fußballschuhe 53. Fußballspieler 54. Fußgänger 55. Fußweg
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3.2 Relationen
Wenn man als erstes die Zahlenverhältnisse betrachtet, so sind knapp 70 spezifische Austriazismen verzeichnet, an die 110 spezifische Helvetismen und etwa 50 nur dem bundesdeutschen Standard zugehörige Lemmata. Zählt man zur letzteren Kategorie noch die Fälle, bei denen regionale Einschränkungen innerhalb der Bundesrepublik genannt sind, die sich weder mit der Schweiz noch mit Österreich irgendwie überschneiden, kämen die so genannten Teutonismen auf etwa 85 Einträge.
Bemerkenswert ist, dass etwa 20% dieser Austriazismen als „Grenzfälle des Standards“ gekennzeichnet sind, von den reinen Teutonismen dagegen nur ca. 6% und von den Helvetismen unter 3%. In vielleicht analoger Entsprechung machen unter den Helvetismen zwischen 40 und 50% mehr oder minder amtsprachliche staatsspezifische Benennungen aus, bei den Teutonismen finden sich zwischen 35 und 40% solcher Einträge, bei den Austriazismen ca. 20%. Verstärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass das bundesdeutsche und das österreichische Deutsch erstens eine erheblich höhere Menge von Lemmata miteinander teilen als die anderen beiden Überschneidungskombinationen, nämlich 35, und dass davon sehr vorsichtig gezählt 50% dem genannten öffentlich-amtlichen Bereich angehören.
3.3 Folgerungen
Aus diesen Befunden lässt sich jedenfalls folgern, dass die Ähnlichkeiten im Wortschatz das österreichische und das bundesdeutsche Deutsch merklich gegenüber dem schweizerischen Deutsch absetzen. Das gilt gerade auch im Hinblick auf das gängige Reden über öffentlich-halbamtlich-amtliche Dinge.
Ein zweiter Punkt lässt sich ebenfalls aus den bisher genannten Zahlen herauslesen: im österreichischen Deutsch scheinen mehr „kolloquiale“, informelle usw. Dinge zumindest an die Ränder der Standardvorstellung heranzureichen als das in den beiden anderen staatlichen Einheiten der Fall ist.[29] Woher kommt das? Das hat natürlich mit dem Tatbestand zu tun, dass die Distanz zwischen den im Alltag verwendeten regiolektalen Varietäten in Österreich wesentlich kleiner ist als in Deutschland, so dass nicht die Fremdheitseffekte auftreten, von denen die bundesdeutschen Verhältnisse geprägt sind.
Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die Liste der Lemmata, von denen verzeichnet wird, sie hätten in Österreich und im Südosten der Bundesrepublik gemeinsam Geltung als Standardformen. Auch hier liegen wir mit ca. 15% mit den „Grenzfällen des Standards“ relativ hoch, es finden sich keine irgendwie amtlichen Lexeme, Vieles betrifft regional umgrenzte Kultureme (Typus: Faschingszug) oder die Benennung nach süddeutsch-bairischem Formmuster (Typus: Fangerl, Festl; aber auch fad vs. fade). Im bundesdeutschen Gesamtrahmen ist die Geltung dieses Typs von Benennungen als einigermaßen neutraler Standard auf jeden Fall eindeutig schwerer durchzusetzen als in dem weitaus regiolektal kohärenteren Österreich.[30]
Das zeigt sich deutlich im Vergleich zu dem Typus an Standardvariation, der für die Bundesrepublik ohne den Südosten verzeichnet wird.[31]Hier handelt es sich in etwa 25% aller Fälle um im Wörterbuch als solche ausgewiesene „Grenzfälle des Standards“, und man braucht schon einen sehr weiten Standardbegriff, um nicht weitere Fälle entsprechend auszuzeichnen.[32] Zusammen mit den als südostdeutsch markierten Fällen ergibt das insgesamt das Bild, dass bundesdeutscher Standard, wenn er mehr bedeuten soll als eine insgesamt – vor allem in den alltäglichen Sprachbereichen – eher kontingente Kette familienähnlicher Varietäten, eine geringere Toleranz gegenüber regionalen Substandardeigenheiten zeigen muss als der österreichische. Dem entspricht logischerweise umgekehrt die Feststellung, dass im österreichischen System die als überregional und zumindest standardnah geltende Form unmittelbar auf einem regionalsprachlichen Konsens aufsitzt, der die Ausbildung von „konventionalisierten Standardmerkmalen, die weithin gesamtösterrreichische Gültigkeit haben“ (Besch (2001, S. 422), befördert.
Zumindest was die Ebene des Wortschatzes angeht, spricht – wenn die ausgewerteten Wörterbuchbefunde auch nur irgendetwas an Repräsentativtität für sich haben – nicht viel dafür, das österreichische Deutsch von der Gesamtnorm des Deutschen besonders abzusetzen. Eigentlich ergeben sich eher deutliche Indizien dafür, dass der „Wortschatzabstand“ des Deutschen in der Schweiz zu den durchschnittlichen Annahmen über ein standarddeutsches Varietätenspektrum eine ganze Stufe grundlegender ist. Natürlich gibt es einen deutlichen Unterschied, der durch die dokumentierte Wörterbuchpraxis etwas „verunklart“ wird. Der österreichische Standard kann sich bei der Aufnahme von Lockerheitssignalen oder auch von nur verstärkt sprechsprachlichen Merkmalen stärker auf einen staats-regionalen Konsens verlassen, so dass die Bandbreite dessen, was noch als Standard angesehen werden kann, eindeutig größer sein kann.[33] Das führt zweifellos zu Wahrnehmungsasymmetrien zwischen prtototypischen Sprechern eines (eher nördlichen) bundesdeutschen Standards und prototypischen Sprechern der österreichischen Standardform. Wie stark man das wertet, ist nun zweifellos eher eine Frage der Selbsteinschätzung und des politischen Willens als der linguistischen Struktur- und Gebrauchsbeschreibung.[34]
4 Welches Deutsch für Lerner?
4.1 Sinnvolle Neutralität …
Wir haben davon gesprochen, wie unübersichtlich die Lage ist, wenn man innerhalb des deutschen Sprachraums beurteilen will, wie standardsprachliche Variation zu fassen und zu bewerten sei. Ähnlich kompliziert ist es, unter diesen Umständen festzulegen, welche Sachverhalte und welche Art und welches Maß an Variation in der Vermittlung des Deutschen als Fremdsprache aufzutauchen hat. Und zwar bei der aktiven Vermittlung möglicht sozial und situativ unanstößiger Standardkenntnisse: dass ansonsten und darüber hinaus Lerner des Deutschen darauf vorzubereiten sind, mit regionaler Variation zu rechnen, steht außer Zweifel - aber auf einem anderen Blatt.
Gerade in diesem Kontext widerstreiten in gewissem Umfang die Anforderungen nach einer möglichst differenzierten Berücksichtigung der Unterschiede, die den deutschen Sprachraum prägen, mit der Notwendigkeit, von einer möglichst neutralen Standardform auszugehen. Dabei ist offenkundig, dass regional/national wenig merkmalhafte Optionen eine bessere Chance bieten, als unmarkiert angesehen zu werden als Sprachformen, die in dieser Hinsicht Auffälligkeiten zeigen. Es gilt zudem auch, dass schriftnahe Optionen eine höhere Chance haben, als neutral angesehen zu werden als Elemente, die sehr deutlich das Merkmal einer gesprochenen Varietät an sich tragen. Gesprochenheit ist häufig nicht ganz regional neutral zu bekommen, wie übrigens auch Natürlichkeit des Ausdrucks.[35]
In vielen Fällen wird in Anbetracht der Zeit und Intensität, die für das Erlernen der deutschen Sprache zur Verfügung stehen, kaum eine andere Wahl bestehen, als weithin auf eine solcherart vereinfachte Norm zu rekurrieren.
4.2 … und ihre Probleme
Daraus ergeben sich aber mindestens zwei grundsätzliche Probleme:
Zum einen fehlt es den so vermittelten Sprachformen an Natürlichkeit. Das betrifft die Nuancen der Verwendung in der geschriebenen und mehr wohl noch in der gesprochenen Standardform, die beim Muttersprachler doch in gewissem Ausmaß regionale und soziale Differenzen erkennen lassen. Das mag so weit für den Lerner des Deutschen als Fremdsprache ein eher marginales Problem sein. Zu einem akuteren Problem wird es bei fortgeschrittenen Lernern bzw. beim unmittelbaren Anzielen einer öffentlich vertretbaren, aber alltäglichen Sprechsprachlichkeit. Hier variieren im deutschen Sprachraum, und innerhalb der nationalen Grenzen deutlich die Einschätzungen, bei welcher Distanz von der geschriebenen Norm man noch von einem akzeptablen Gebrauchsstandard reden kann. Auf dieser Ebene zeigen die österreichischen Verhältnisse tatsächlich einen eigenen Charakter, da standardnahe Formen hier eindeutig ein Gepräge des „südostdeutschen“ Typs zeigen. Die Normen eines (eher nördlichen) bundesdeutschen Gebrauchsstandards bilden hier eine nur sehr ferne Bezugsfolie. Für Süddeutschland liegen die Verhältnisse wegen der staatlichen Einbindung denn doch anders.
Die zweite kritische Stelle ergibt sich aus der Tatsache, dass das Deutsche in vielen Fällen nicht wegen seines kulturellen oder alltagssprachlichen Charakters gelernt wird. Insbesondere in dem nicht unerheblichen Fall, dass das Deutsche als „Wirtschaftsdeutsch“ gelernt wird, hat man der Tatsache Rechnung zu tragen, dass man hier von vorneherein mit recht unterschiedlichen Terminologien und sprachlichen Üblichkeiten umzugehen hat. Das zeigen schon die Differenzen im amtlichen Sprachgebrauch, wie sie in den obigen Listen sichtbar werden. Sie stehen aber eigentlich nur repräsentativ dafür, dass man gerade in diesen schriftsprachlich dominierten Kommunikationsfeldern mit der Geltung relativ genau umschriebener Erwartungen an adäquate Texte zu rechnen hat.
Ganz unangesehen dessen, für wie selbständig man das österreichische (oder auch schweizerische) Deutsch halten will, die Konsequenz für das Lernen des Deutschen kann nur lauten: Polyarealität verlangt flexible Antworten.
Literatur
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Biographische Angaben
Prof. Dr. Ludwig M. Eichinger ist Direktor des Instituts für Deutsche Sprache, Mannheim, und Professor für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Mannheim. Die wichtigsten beruflichen Stationen waren Bayreuth (Habilitation 1986), München (Heisenberg-Stipendiat am Institut für Deutsch als Fremdsprache 1987-1990), Passau (Professor für Deutsche Sprachwissenschaft, 1990-1997) und Kiel (C4-Professor für Deutsche Philologie / Sprachwissenschaft, 1997-2002). Leitung verschiedener Forschungsprojekte, unter anderem: Sprachminderheiten in Mitteleuropa (1986-1991), Sprachatlas von Oberbayern (1993-2004), Sprachinselforschung (1998/1999) und „Deutsch in Mittel- und Osteuropa (1999-2002). Wichtige Publikationen u.a. zum Thema Varietäten und Standard des Deutschen, Sprachminderheiten, Grammatik und Wortbildung des Deutschen, Sprachgeschichte (eine ausführliche Liste befindet sich hier:
http://www.ids-mannheim.de/pub/autoren/ids/eichinger.html).
[1] Vgl. als Prätendenten dieser Diskussion Clyne (1995); Wolf (1994); Ammon (1995)
[2] Vgl. dazu die Ausführungen in Besch (2001, S. 422), die in die Feststellung münden: „Der moderne Staat fungiert über seine Institutionen zunehmend als Sprachgemeinschaft“.
[3] Vgl. dazu das Resumée, das Werner Besch (2001, S. 422) aus diesen Verhältnissen zieht: „Regionaler Strukturausgleich [innerhalb des Staatsgebiets/L.E.] ist in strukturähnlichen Dialektgebieten leichter als in sehr strukturunterschiedlichen, auch die österreichischen Merkmale einer sprachlichen Identifikation liegen somit den meisten [Österreichern/L.E.] näher, als dies z.B. für Bayern und Alemannen im Gesamt des Standards der über 80 Mio. Einwohner in Deutschland gegeben sein kann.“
[4] Zur historische Genese s. Lerchner (1974); zur historischen Einordnung cf. Lerchner (2000, S.276/77).
[5] Nicht umsonst erscheint Mitte der neunziger Jahre eine ganze Reihe repräsentativer Publikationen zu diesem Thema: cf. Ammon (1995); Muhr / Schrodt (1995); Muhr / Schrodt / Wiesinger (1997).
[6] Zu den in diesem Kontext vertretenen Positionen cf. Clyne (1995), von Polenz (1988).
[7] Den modellhaften Charakter der hierzu nötigen Einigung auf bestimmte Sprechweisen verdeutlicht Löffler (2005); s. auch die Ergebnisse zu „Deutsch“ und „Österreichisch“ bei Wiesinger (2000, S. 557).
[8] Cf. Die beispielhafte Diskussion in Ammon (2005, S. 38).
[9] Da wir uns auch im Folgenden der Einfachheit halber auf den Wortschatz beschränken wollen: Ammon (1995, S. 338ff.).
[10] Die Rahmenbedingungen für die Beantwortung dieser Frage legt Ammon (2005) dar; klar ist der normative Anspruch solcher Festlegungen, das Problem liegt, wie auch Ammon (2005, S. 40) an dieser Stelle festhält, an ihrer Legitimität. Genauer gesagt, geht es bei solcherart nur am Rande fest geregelten Normen um die Frage, wie ihre Akzeptanz gesichert oder zumindest abgeprüft werden kann (vgl. Eichinger 2005, S. 365-372).
[11] Zum Einfluss, den dieser Sachverhalt auf die Ausgestaltung der Alltagssprachen hat vgl. Eichinger (2001).
[12] Das ist zum Beispiel der Skizze und Exemplifizierung dieser Verhältnisse in Besch (2001, S. 420/421) zu entnehmen, eine Systematisierung versucht auch Retti (1999, S. 37ff.).
[13] Die hier beiläufig angesprochenen Punkte lassen sich im Hinblick auf die süd (ost)deutschen Verhältnisse aus Eichinger (2001) konkretisieren.
[14] Mit Unterschieden: „Der Adaptationsweg eines Dialektsprechers an die österreichische Standardaussprache ist nicht so weit und ‚entsagungsvoll’ wie der entsprechende Weg eines bairischen Dialektsprechers an die deutschen Ausspracheregeln des Th. SIEBS (1898), eines gebürtigen Helgoländers“ (Besch 2001, S. 422).
[15] Dieser Buchstabe ist beliebig ausgewählt, aber etwa von durchschnittlicher Länge (45 von 903 Seiten Wörterbuchteil)
[16] Dieses Problem betrifft zweifellos einen erheblichen Teil des gängigen Alltagswortschatzes ebenso wie die staatlichen Besonderheiten der Benennung, das sieht man bei einem Blick auf die Beispielliste der unter dem Buchstaben F als gemeindeutsch angegebenen Wörter, die Standardvariation im Sinne dieses Werks zeigen.
[17] Ein anderes, hier nur anzudeutendes Problem stellen natürlich die Fälle dar, in denen es eigentlich kein übergreifendes Standardwort gibt. Beim Buchstaben F scheint sich z.B. bei dem Verb für ‚Bodenaufwischen‘ und dem dazugehörigen Instrument ein solcher Fall zu ergeben, was dann regional recht strikt eingegrenzte Wörter wie Feudel, feudeln zumindest in Standardverdacht bringt.
[18] Davon spricht in einem gewissen Umkehrschluss auch der Tatbestand, dass gerade bei den regional eingeschränkten „Teutonismen“ des Buchstaben F (s. Liste 6) die Bildungen überrepräsentiert sind, die man bestenfalls am Rande des Standard einordnen würde: von Flunsch bis Fuffi.
[19] Cf. VdD S. 157, aber auch z.B. syntaktische Phraseologismen wie im Fall (s. Liste 3, Nr.8) aus der unten dokumentierten F-Strecke.
[20] Als zusammenfassende Benennung des Gegentyps zu den nördlicheren und im Standard präferierten {-chen}-Bildungen; vgl. z.B. Frauerl, Fleckerl, Fleischlaiberl aus der F-Strecke.
[21] Genauer dazu Eichinger 2001, S. 82 und 88-91
[22] Nur Blaukohl will anscheinend niemand; cf. Eichinger 2001, S.90.
[23] Aber z.B. nicht den ebenfalls slawischen Quark.
[24] Das VdD trägt dem durch die Verzeichnung westösterreichischer Formen verschiedener Ausbreitung Rechnung, so ist denn Paradeiser z.B. als „A (ohne west)“ (S. 555) markiert.
[25] Und auch im VdD erscheinen die „Grenzen des Standards“ nicht besonders eng gezogen, so dass Formen wie Tschick (A) bzw. Fluppe (norddt.) für ‚Zigarettenkippe’ immerhin noch als „Grenzfälle des Standards“ bezeichnet werden (s. VdD S. 805); in der F-Strecke vgl. z.B. auch die schweizerischen Bezeichnungen (Liste 3) im Umfeld von Füdli.
[26] Im folgenden werden die Einträge des Buchstabens F im VdD nach der Angabe ihrer regionalen/nationalen Standardgeltung aufgeführt; kursiv gesetzt sind die als Standard-Randfälle markierten Lemmata, unterstrichen amtlich-offizielle Wörter, fett unterstrichen Wörter für regionale Kultureme. Bei den Listen zu „A“ und „CH“, d.h. Geltung nur in Österreich bzw. der Schweiz sowie A + D und A + Dsüdost sind zudem (fettgedruckt und in Klammern) als Kürzel die entsprechenden Einträge des zehnbändigen Duden-Wörterbuchs aufgeführt (D = Duden, d.h. verzeichnet; ö. = österreichisch; schw. = schweizerisch; so. = südostdeutsch; bayr.= bayrisch; landsch. =landschaftlich).
[27] Eigennamen und einige unklare Fälle wurden beiseitegelassen.
[28] Dabei sei hier nur angemerkt, dass in der Praxis des Wörterbuchs mit den Untergliederungen der „nationalen Räume“ (Typ: A west) die Konzeption der „rein“ nationalen Varietät nur in relativ indirekter Form auftaucht. Das betrifft verstärkt den großen Raum der Bundesrepublik Deutschland. Zu der zwar möglichste Vollständigkeit beanspruchenden, aber wenig übersichtlichen Terminologie in diesem Bereich vgl. Retti (1999, S. 21ff.)
[29] Bei der Schweiz hat das sicherlich mit der angedeuteten „medialen Diglossie“ zu tun; auf die dortigen Verhältnisse soll jetzt nicht weiter eingegangen werden. Vgl. aber insgesamt Haas (2000).
[30] Das zweifellos intrikate und symbolisch nicht unwichtige Ost-West-Problem (Paradeiser-Tomaten-Graben) innerhalb Österreichs wird hier beiseitegelassen – in der untersuchten Wortschatzstrecke spielt es auch kaum eine Rolle. Selbst unter Einbezug dieser Fälle ist Österreich dialektal ungleich kohärenter als Deutschland.
[31] Die hier vorkommenden Markierungen betreffen im wesentlichen Mitte und Norden Deutschlands; eine genauere Untergliederung ist für die vorliegende Argumentation nicht vonnöten.
[32] Cf. die zumindest stilistisch deutlich markierten Fälle Fettlebe, Flappe, Flunsch, fudeln, futtern.
[33] Wir haben oben schon auf den kritischen Status vieler der Einträge in Liste 6 verwiesen.
[34] Vgl. dazu Wiesinger (2000).
[35] S. dazu die Einträge in Liste 9.