Szenisches Spiel im Unterricht
“Deutsch als Fremdsprache”
Ausgangspunkt der
folgenden Überlegungen ist die These, dass Szenisches Spiel eine
Unterrichtsmethode ist, die das Repertoire von DaF-Lehrern immens erweitern kann.
Es wird argumentiert, dass Szenisches Spiel für verschiedene Zielgruppen und
auf unterschiedlichen Sprachlernniveaus gewinnbringend eingesetzt werden kann;
und zwar, soweit die zeitlichen und räumlichen Bedingungen dies zulassen,
sowohl in Form von kürzeren als auch längeren Unterrichtseinheiten. Um dies
möglichst praxisorientiert deutlich zu machen, werden fünf wichtige
Unterrichtskriterien dargestellt und zum Szenischen Spiel in Beziehung gesetzt.
In der Verbindung
von Theaterpädagogik und dem Unterricht Deutsch als Fremdsprache treffen zwei
komplexe Fachgebiete aufeinander. Die Theaterpädagogik wie auch der
Fremdsprachenunterricht können die unterschiedlichsten Lernziele verfolgen. Für
die Theaterpädagogik seien hier stellvertretend soziale, gruppendynamische,
psychologische bis hin zu künstlerischen Zielsetzungen genannt. Die zwei
zentralen Ausrichtungen, die man gemeinhin unterscheidet, liegen in der
Prozess- bzw. Produktorientierung. Während am Ende einer produktorientierten
Arbeit vor allem eine gemeinsame Inszenierung vor einem Publikum steht und
damit meist Wert auf künstlerische Formgebung gelegt wird, stehen bei einer
prozess-orientierten Arbeit andere Ziele im Vordergrund. So kann beispielsweise
im Psychodrama die Verarbeitung von Konflikten ein Ziel darstellen und im
Sozialkundeunterricht kann in simulierten Diskussionen die politische
Meinungsbildung gefördert werden, um nur zwei der unterschiedlichen
Zielsetzungen hier anzuführen.
Wenn sich also
Fremdsprachenunterricht und Theaterpädagogik begegnen, werden die Mittel des
Theaters zu Zwecken des Fremdsprachenerwerbs, meist zur Verbesserung mündlicher
Kommunikationsfähigkeit, eingesetzt und es wird damit eine prozess-orientierte
Ausrichtung verfolgt.
Der Ansatz einer
Verbindung der beiden Bereiche, Theaterpädagogik und DaF-Unterricht, soll dabei
nicht andere methodische Ansätze beispielsweise in der Grammatikvermittlung
ersetzen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa Even (2003) sowie ihren Beitrag in
diesem Heft). Es handelt sich dabei vielmehr um eine Bereicherung des
allgemeinen Methodenrepertoires des einzelnen Lehrers. Lehren mit Mitteln des
Theaters ist Teil eines handlungsorientierten Unterrichts. Hier steht der
einzelne Lerner mit seiner Persönlichkeit im Mittelpunkt, er selbst ist aktiv,
die Lehrkraft erhält mehr die Aufgabe einer Organisatorin des Lernprozesses. In
den meisten Fällen wird in Gruppen gearbeitet, wobei man sich austauscht und
auf ein gemeinsames Handlungsprodukt hin arbeitet . Es ist ein Unterricht, in
dem alle Sinne und in besonderem Maße der Körper in den Lernprozess mit
einbezogen werden.
Festzuhalten ist,
dass ein theaterpädagogisch ausgerichteter DaF-Unterricht meines Erachtens
einer fremdsprachenspezifischen Didaktik unterliegt und dabei unterschiedliche
Methoden des Szenischen Spiels zum Einsatz kommen können.
Die
Theaterpädagogik ordnet sich hier dem Fremdsprachenunterricht unter und passt
sich Rahmenbedingungen und Zielsetzungen von Unterricht an. Auf fünf dieser
Unterrichtsaspekte möchte ich in diesem Artikel näher eingehen.
1. Lernerniveau
Eines der
Hauptargumente, die oft gegen Theater-Spielen im DaF-Unterricht genannt werden,
ist das mangelnde Sprachniveau der Schüler. Dabei wird davon ausgegangen, dass
im Unterricht ein komplexes Theaterstück inszeniert wird, oftmals ein bekanntes
Drama der deutschen Literatur, das dann wortgetreu in Szene gesetzt wird. Die
szenische Improvisation, bei der Texte nur als Ausgangsbasis für persönliche
und spontane Darbietungen dienen, erscheint den meisten Lehrern als eine Utopie,
denn „meine Schüler bekommen ja sowieso kaum den Mund auf“. Und dennoch ist es
selbst auf Anfängerniveau sehr wohl möglich, Elemente des Theaters einzusetzen.
Gutes Theater
vermittelt sich meist nicht als reines Sprechtheater, sondern verbindet dieses
mit non-verbalen Formen, wenn es sich nicht sogar ausschließlich non-verbal
vermittelt, man denke an die Pantomime, das Tanztheater oder moderne Formen wie
Bildertheater. So kann auch im Fremdsprachenunterricht der rein körperliche
Ausdruck durch pantomimisches Spiel oder die Technik des Standbilder-Bauens als
Sprechanlass dienen bzw. kann durch die Verbindung von Wort und Bewegung eine
neue Dimension des Fremdsprachenlernens herbeigeführt werden. Ebenfalls können
kurze Dialoge szenisch umgesetzt und damit in eine Situation eingebettet
werden, die den Wortschatz situationsadäquat trainiert. Freiere Improvisationen
auf Grundlage von fiktionalen oder non-fiktionalen Texten können, je nach
Aufgabenstellung und Verständnisniveau des Textes, für mittlere und höhere Niveaus
eingesetzt werden.
2. Zielgruppenspezifische Unterrichtsmaterialien
Sicher ist der
Sprachstand ausschlaggebender als die Zielgruppe. Dennoch darf nicht außer acht
gelassen werden, was für eine Gruppe gemeinsam Deutsch lernt und Theater
spielt. Die Konsequenzen dieser Überlegung möchte ich im Folgenden beispielhaft
erläutern.
An meinen letzten
Fortbildungen nahmen Lehrer teil, die in der Sekundarstufe unterrichten, also
Jugendliche. So probierte ich also, Anlässe für Szenen zu schaffen , die Themen
aus dem Lebensbereich der Jugendlichen aufgreifen und so an ihre Erfahrungen
anknüpfen. Wichtig waren mir Rollen oder Rollenentwürfe, aus denen heraus sich
Dialoge oder Monologe entwickeln lassen.
Leider helfen hier
viele Lehrbuchtexte nicht weiter. Sie handeln von anscheinend authentisch
wirkenden deutschen Jugendlichen, versperren sich aber einer interessanten
Dramatisierung . Es gibt keinen Anreiz, sich mit diesen Personen zu
identifizieren, sie sind zu oberflächlich dargestellt, um aus ihnen eine Rolle zu
entwickeln. Auch den stereotypen Alltagsdialogen in Lehrwerken mangelt es an
dramatisch wirksamem Konfliktpotenzial (vgl. Schewe 1993, 137 ff.). So bietet
es sich an, eigene Dialoge zu verfassen, die eine offene Interpretation
zulassen bzw. Umstände einer Situation vorzugeben, zu der die Schüler eigene
Dialoge verfassen oder auf fortgeschrittenem Niveau direkt und unvorbereitet
improvisieren.
Der beste
Ausgangspunkt für szenische Improvisationen bietet aber immer noch die
Literatur. Dabei muss es sich nicht unbedingt um dramatische Texte handeln,
ebenso können Erzählungen oder Gedichte eine Improvisation initiieren. Eine
szenische Interpretation ersetzt dann die sonst oftmals rein kognitiven
Herangehensweisen wie etwa das „Fragen-an-den-Text-Stellen“, denn die Schüler
versetzen sich in die Lage der Personen und ihrer Situation, sie identifizieren
sich und erreichen damit ein tieferes Textverständnis.
Einen anderen
Ausgangspunkt für szenische Arbeit können auch Fotos oder Gemälde bieten. Die
darauf abgebildeten Figuren können als Standbild geformt werden und die
Lehrperson kann Impulse geben, um diese Figuren zum Handeln zu bewegen.
3. Lernziele
Das Hauptlernziel,
das mit Theaterarbeit im Fremdsprachenunterricht verbunden wird, liegt auf dem
Training der Fertigkeit Sprechen, genauer formuliert geht es um die
Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit in der Fremdsprache. Zur Förderung von
Kommunikationsfähigkeit unterscheidet man 3 Formen von Übungen: solche, die
Kommunikation vorbereiten, solche, die Kommunikation aufbauen und strukturieren
und solche, die Kommunikation simulieren (vgl. Schatz 2001, 40). Zu letzteren
gehören szenische Improvisationen. Das heißt, in den meisten Fällen wird hier
das Vorwissen des Lerners aktiviert bzw. werden neuer Wortschatz oder
Redemittel im passenden Kontext angewandt, in den seltensten Fällen jedoch neu
eingeführt. Dabei werden mehrere Lernbereiche miteinander verbunden, sowohl
Grammatik als auch Wortschatz und Phonetik.
Gerade im
Fremdsprachenunterricht ist es notwendig, Wirklichkeitsmomente zu schaffen, um
praktisches Sprachhandeln zu trainieren. Theaterarbeit eignet sich dafür in
ganz besonderem Maße, weil sie einen ganzheitlichen Einsatz des Spielers
erfordert und damit einen Kommunikationsprozess ermöglicht, in dem nicht nur
verbale, sondern auch non-verbale Ausdrucksmittel Verwendung finden. Der Lerner
erwirbt so die Fähigkeit mit und in der Fremdsprache zu improvisieren und wird
auf eine mögliche Alltagswirklichkeit im Land der Zielsprache vorbereitet. Vor
allem bei ganz freien, unvorbereiteten Improvisationen wird dem Lerner klar,
dass letztlich Flüssigkeit und Verständlichkeit einen höheren Stellenwert haben
als grammatische Korrektheit. Das soll nicht heißen, dass keinerlei Korrekturen
stattfinden. Je nach Sprachstand und behandeltem Lernstoff ist es durchaus
möglich, im Anschluss an präsentierte Szenen auf spezifische Fehler
hinzuweisen.
Durch
Theater-Spielen in der Fremdsprache wird aber noch ein zweites wichtiges
Lernziel erreicht: das der interkulturellen Landeskunde (vgl. Mairose-Parovsky
1997). Szenische Improvisationen dienen im Fremdsprachenunterricht auch als
komplexe Methode zur Aneignung der gesellschaftlichen Wirklichkeit im Zielland.
Ein Beispiel, um dies deutlich zu machen: In einer Fortbildung bekamen dänische
Lehrer von mir einen Auszug aus Peter Weiss´ „Abschied von den Eltern“. Die
vorgegebene Situation war, dass der Erzähler mit einem schlechten Zeugnis nach
Hause kommt, in dem steht, dass er nicht versetzt wird. Da es in Dänemark gar
keine Versetzung gibt, war es für die Teilnehmer eine interessante Erfahrung,
sich in die Situation eines deutschen Schülers hineinzuversetzen. Die
anschließende Diskussion über Leistungsbewertung in den Schulen der beiden
Länder war sicher von einer anderen Emotionalität geprägt, als sie
stattgefunden hätte, wenn man den Text nur gelesen und dann darüber gesprochen
hätte.
Selbstverständlich
kann Theater nicht nur die mündliche Fertigkeit verbessern helfen. Theater
eignet sich auch zum vernetzten Lernen verschiedener Fertigkeiten.
Beispielsweise können Texte auch zuerst selbst verfasst und dann inszeniert
werden. So verbindet man die beiden produktiven Fertigkeiten Schreiben und
Sprechen. Ebenfalls möglich sind Aufgaben zum Hör- und Sehverstehen, wenn bei
der Präsentation einer Improvisation Aufgaben zur Verständniskontrolle an die
zuschauenden Lerner gestellt werden. Bei einer Präsentation von
unterschiedlichen Beschwerdesituationen, die jeweils auf Kärtchen mit
verschiedenen Situationsvorgaben verteilt worden waren, erhielten meine Lerner
die Aufgabe, die folgenden Fragen beim Zuschauen zu beantworten: Wo findet das
Gespräch statt? Über welche Aspekte beschweren sich die Leute?
4. Zeit und Raum: Ideale Bedingungen und Unterrichtsalltag
Viele Lehrer
zögern, Szenisches Spiel in ihrem Unterricht einzusetzen, weil es zu viel Zeit
kostet. In meinen Ausführungen zum Lernerniveau habe ich schon versucht
deutlich zu machen, dass es als Aufgabe nicht nur Improvisationen gibt, die
innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens vorbereitet werden, sondern auch andere
Aufgaben in Form von 5-10-minütigen Übungen wie etwa Pantomime oder
Standbilder, die einfachen, kurzen Beschreibungen des Dargestellten dienen
können. Wie zeitaufwändig sind aber Improvisationen? Fast unmöglich erscheint
es in einer 45-minütigen Unterrichtsstunde einen Lesetext zunächst auf
Wortschatz- und Inhaltsebene hin zu analysieren, ihn anschließend in Gruppen in
Szene zu setzen und schließlich zu präsentieren und dann noch möglichst mit
einer Evaluationsphase abzuschließen. Ideale Bedingungen sind sicher ein
Vormittagsworkshop, wo Übungen aufeinander aufbauen können oder zumindest ein
90-Minuten-Block. Im Unterrichtsalltag, der sich auch an zum Teil straffen
Lehrplänen orientieren muss, müssen also kürzere Einheiten eingebaut werden. Je
vertrauter und geübter die Lerner mit dem Medium Theater sind, desto weniger
Zeit brauchen sie selbstverständlich auch, desto mehr sind sie auch bereit,
sich in einer Improvisation auf Impulse eines Partners zu verlassen und weniger
an einem vorher festgelegten Handlungsrahmen zu hängen. Diese Überlegungen
zeigen schon das Dilemma von Gruppen, die sowieso nur für kurze Zeit gemeinsam
Deutsch lernen, etwa 1-2-monatige Intensivsprachkurse an den Goethe-Instituten
des Inlands, die also nicht in einem Klassenverband stehen. Hier gilt es, die
Lerner möglichst schnell und oft an die Methoden des Szenischen Spiels zu
gewöhnen, um ähnlich kurze und effektive Vorbereitungszeiten zu erreichen.
Letztlich ist es eine Frage des übergeordneten curricularen Rahmens. Wenn der
Unterricht in erster Linie prüfungsorientiert ist, sind die Lerner und Lehrer
in der Regel weniger bereit Methoden einzusetzen, die hauptsächlich die
mündliche Kommunikationsfähigkeit und weniger die grammatische Korrektheit
fördern.
Der Aspekt des
Raums spielt im Theater eine große Rolle. Wo ein Geschehen stattfindet, ob
drinnen oder draußen, in beengtem oder großem offenem Raum bestimmt die
Spielmöglichkeiten mehr als die Frage nach der Zeit, in der das Geschehen sich
abspielt. Von daher eignen sich Räume ohne Bestuhlung und Tische am ehesten. Am
besten wäre ein großer offener Raum mit möglichem Mobiliar an den Seiten, so
dass sich die einzelnen Gruppen die für ihre Szene nötigen Elemente selbst
aufstellen können. Meist sind wir aber auf Klassenzimmer angewiesen, wo sich
jedoch durch schnelles Rücken der Tische und Stühle eine veränderte
Raumsituation ergibt, die dann besonders dazu anregt, alternative
Unterrichtsformen auszuprobieren.
Damit die
Präsentation einer Szene die nötige Aufmerksamkeit erfährt – sowohl von
Darsteller- als auch von Zuschauerseite her – ist es ratsam eine freie, klar
begrenzte Spielfläche einzurichten und Stühle im Halbrund oder in Reihen für
die zuschauenden Lerner davor zu gruppieren.
Einem Afrikaner,
der mir von fest angeschraubtem Schulmobiliar in seiner Schule erzählte, konnte
ich nur raten, den Unterricht mit Szenischem Spiel im Freien stattfinden zu
lassen.
5. Unterrichtsaufbau
Auch für den
Unterricht mit Szenischem Spiel gilt zunächst das klassische 3-Phasenmodell des
Unterrichtsaufbaus. Der häufigste Verlauf, wenn eine Szene vorbereitet werden
soll, ist folgendermaßen: Man beginnt mit der Vorbereitungs- bzw.
Einstiegsphase, in der die Lerner auf das Thema eingestimmt werden und die
Aufgabenstellung genannt wird. Darauf folgt die Erarbeitungsphase, in der in
Gruppen das jeweilige Gruppenergebnis, hier also die Szene, erarbeitet wird und
zuletzt die Präsentationsphase, in der die Szene dem Plenum vorgestellt wird.
Schauen wir uns
zuerst die Einstiegsphase an und welche Rolle sie in einem theaterpädagogisch
orientierten DaF-Unterricht spielt. Da die meisten Teilnehmer an Sitzen im
Unterricht gewöhnt sind, ist der Sprung zu Bewegung verbunden mit freiem
Sprechen sehr groß und sollte vorbereitet werden. Auch viele Theatergruppen
beginnen erstmal mit einem Aufwärmtraining, das die Spieler für die diversen
Aspekte von Theater sensibilisiert. Im Folgenden seien die wichtigsten Aspekte
genannt, wenn man sich auf das Medium „Theater“ einstimmen möchte:
· der Raum
· die Spieler
· ein beweglicher Körper
· Stimme, Atmung und Artikulation
· Konzentrationsfähigkeit
· Spontaneität
· Entspannung
· alle fünf Sinne
· Spielfreude.
Bei der Erarbeitung
einer Theaterproduktion halte ich ein Aufwärmtraining gerade in der
Zusammenarbeit mit Laien für unerlässlich. Aber was heißt das im
DaF-Unterricht? Für eine effektive und zielorientierte Herangehensweise, also
in dem Fall des Trainings in der Fremdsprache, sind hier vor allem kurze
5-10-minütige Spiele geeignet, um die ganze Gruppe zu motivieren und einen
spielerischen Umgang mit der Sprache fördern. Das erreicht man am besten mit
Bewegungsübungen im Raum, sogenannten Raumläufen oder auch mit Übungen und
Spielen im Stehkreis. Wichtig ist mir in dieser Phase, dass Aktivitäten
stattfinden, bei denen keine Darstellungen des Einzelnen gefordert sind und die
Lerner so nicht unter Leistungsdruck geraten. Je nach dem, wie oft und wie
intensiv man die Möglichkeit erhält, mit Szenischem Spiel zu arbeiten, könnten
je nach Fokus in der darauf folgenden szenischen Arbeit aber auch die anderen
Aspekte einen Schwerpunkt im Aufwärmtraining erhalten.
Was die
Erarbeitungsphase betrifft, gilt zunächst mal Ähnliches wie auch für andere
Gruppenarbeit: Die Kleingruppen sollten sich immer wieder neu bilden und
möglichst eigenständig ihre Szene vorbereiten können, indem die
Aufgabenstellung so präzise wie möglich auf einem Arbeitspapier festgehalten
ist. Außerdem muss mit der Aufgabenstellung eine feste Zeitvorgabe genannt
werden.
Der Lehrer sollte
sich möglichst aus dem internen Gruppenprozess heraus halten und erst
eingreifen, wenn Fragen entstanden sind bzw. noch „die zündende Idee“ fehlt.
Spezifisch für
Theaterarbeit im Unterricht sei für diese Phase zu nennen, dass die Gruppen
angehalten werden, ihre mündliche Verhandlungsphase zeitlich zu begrenzen und
lieber durch das spielerische Probieren unterschiedlicher Szenenentwürfe zu
einer endgültigen gemeinsamen Lösung kommen. Überhaupt sollten die Sprechtexte
bei freien Improvisationen begrenzt werden. Damit jeder der Spieler zu Wort
kommt, kann beispielsweise eine bestimmte Anzahl Sätze pro Spieler festgelegt
werden. So wird auch eher erreicht, dass die zu entwickelnde Szene sich nicht
zu einer puren, szenisch wenig interessanten Redeszene entwickelt.
Für die
Präsentationsphase gilt es zunächst, angemessene Rahmenbedingungen zu schaffen,
d.h. die Spielfläche einzurichten und evtl. Mobiliar aufzustellen. Bei der
Präsentation selbst sei auf Gesetzmäßigkeiten hingewiesen, die beim
Theater-Spielen relevant sind. Am besten erarbeitet man diese „Theaterregeln“
gemeinsam mit den Lernern, etwa dass nicht mit dem Rücken zum Publikum gespielt
werden darf, man sich Zeit lassen muss, nicht durcheinander sprechen sollte
etc.
Was allgemein für
Präsentationsphasen während der Gruppenarbeit zutrifft, spielt auch hier eine
Rolle: Die Aufmerksamkeit der Lerner sinkt meist bei der Präsentation anderer
Gruppen und konzentriert sich vor allem auf das eigene Gruppenergebnis. Um dem
vorzubeugen, ist es nötig, der zuschauenden Gruppe Aufgaben zu stellen, wie ich
weiter oben schon ausgeführt habe. Abgesehen von Aufgaben zum inhaltlichen
Verständnis, kann die Präsentation auch in Form eines Feedbacks an die Spieler
evaluiert werden. Dabei ist wichtig, dass die Zuschauer auf konstruktive Kritik
achten. Bei geübteren Darstellern kann auch eine Selbstevaluation im Anschluss
an die Präsentation sinnvoll sein, aus der hervorgeht, inwieweit sich die
Spieler selbst bzw. die Darstellungsweise wahrnehmen und einschätzen.
Mit diesem Artikel
möchte ich vor allem für mehr Bezug zur Unterrichtspraxis im Bereich
„Szenisches Spiel im DaF-Unterricht“ plädieren. In den letzten zwei Jahrzehnten
sind eine Reihe von bahnbrechenden Arbeiten zu diesem Thema verfasst worden
(siehe Angaben in Literaturliste, insbesondere von Schewe, Tselikas,
Mairose-Parovsky), die die Dinge in Bewegung gebracht haben. So wissen wir
heute beispielsweise, was durch Theater im DaF-Unterricht erreicht werden kann,
wie motivierend es auf die Lerner wirkt und dass sich die Behaltensleistung des
Erlernten enorm erhöht. Was aber fehlt ist ein Handbuch sowohl mit Übungen und
Spielen als auch mit methodisch-didaktischen Hinweisen für die Hand der Lehrer.
Das Buch sollte die Rahmenbedingungen von Unterricht berücksichtigen, nach
denen sich die meisten Lehrer richten müssen und die sie oft als Hindernisse im
Umgang mit Szenischem Spiel erleben (als Beispiele aus dem Englisch- und
muttersprachlichen Deutschunterricht vgl. Maley/ Duff 2000; Scheller 1998).
Szenisches Spiel im
DaF-Unterricht heißt nicht „wir spielen `Faust´ und haben viel Spaß“, sondern
wie stets im Unterricht steht die Frage nach dem Ziel im Vordergrund. Was kann
durch diese oder jene Übung oder Improvisation erreicht werden? Des Weiteren:
Wie gehen wir mit dem Wortschatz um, wie kann in das Thema eingestiegen werden,
wie bauen die Unterrichtsschritte aufeinander auf? Undsoweiter.
Der Spaßfaktor
rangiert sicher an erster Stelle, was die Argumentation für eine Arbeit mit
Szenischem Spiel im DaF-Unterricht betrifft. Aber was ist erstrebenswerter, als
wenn die Lerner nach der Stunde sagen: „Es hat viel Spaß gemacht und wir haben viel gelernt.“
Literatur
Even, Susanne (2003): Drama Grammatik. Dramapädagogische Ansätze für
Grammatikunterricht Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium.
Imkamp,
Judith-Mira (1996): Spielerische Unterrichtshilfen. Pilsen:
Westböhmische Universität, Pädagogische Fakultät.
Mairose-Parovsky,
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als Fremdsprache. Frankfurt am Main: Peter Lang.
Maley, Alan
/ Duff, Alan (2000): Drama Techniques in Language Learning. Cambridge: Cambridge University
Press.
Ortner,
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München: Max Hueber Verlag.
Schatz,
Heide (2001): Fertigkeit Sprechen. München: Langenscheidt.
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Ingo (1998): Szenisches Spiel. Handbuch für die pädagogische Praxis. Berlin: Cornelsen
Verlag.
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Manfred; Shaw, Peter (eds.) (1993): Towards Drama as a Method in the Foreign
Language Classroom. Frankfurt am Main: Peter Lang.
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Manfred (1993): Fremdsprache inszenieren. Zur Fundierung einer
dramapädagogischen Lehr- und Lernpraxis. Oldenburg: Universität Oldenburg,
Zentrum für pädagogische Berufspraxis.
Schewe,
Manfred (1994): „Zum methodischen Potential von Standbildern im
DaF-Unterricht“, in: Armin Wolff/Winfried Welter (Hrsg.): Mündliche
Kommunikation; Unterrichts- und Übungsformen DaF; Themen und
zielgruppenspezifische Auswahl von Unterrichtsmaterialien; Modelle für studien-
und berufsbegleitenden Unterricht; DaF im Ausland. Beiträge der 20.
Jahrestagung des Fachverbandes Deutsch als Fremdsprache, Münster 1992.
Regensburg 1994, 74-97.
Schewe,
Manfred (1998): “Dramapädagogisch lehren und lernen”, in: Jung, Udo O.H.
(Hrsg.): Praktische Handreichung für Fremdsprachenlehrer. Frankfurt am
Main: Peter Lang, 334 – 340.
Schlemminger,
Gerald; Brysch, Thomas; Schewe, Manfred (Hrsg) (2000): Pädagogische Konzepte
für einen ganzheitlichen DaF-Unterricht. Berlin: Cornelsen.
Schmöker-Eibinger
(2001): Am Beispiel Paula. Sprachförderung mit literarischen Texten. Fremdsprache
Deutsch 24, 45-49.
Tselikas,
Elektra I. (1999): Dramapädagogik im Sprachunterricht. Zürich: Orell
Füssli Verlag.
Vlcek, Radim (1997): Workshop
Improvisationstheater. München: J. Pfeiffer Verlag.
Biographische Angaben
Birgit
Oelschläger ist ausgebildete Spiel- und Theaterpädagogin (UdK Berlin) und
arbeitet seit 1996 überwiegend als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache am
Goethe-Institut Berlin. Dort ist sie auch als Referentin für Einführungen in
aktuelle Inszenierungen der Berliner Theater tätig und leitet
Lehrerfortbildungen im Bereich Methodik/Didaktik und Theatermittel im
DaF-Unterricht. Als Theaterpädagogin ist sie zur Zeit beteiligt an einem
Forschungsprojekt des Max-Planck-Instituts. Ihre Recherche nach einer
Verbindung von Szenischem Spiel und Deutsch als Fremdsprache brachte sie auch
nach Irland und Dänemark, wo sie zu diesem Thema Lehrerseminare für das
Goethe-Institut durchführte.